Halle-Attentäter zu lebenslanger Haft plus Sicherungsverwahrung verurteilt.

Naumburg (OLG NMB). Der 1. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat in einem heute verkündeten Urteil den Halle-Attentäter wegen

· Mordes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Mord in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen,

· versuchten Mordes in 51 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, · versuchten Mordes in 5 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen,

· versuchten Mordes in 2 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen,

· versuchten Mordes in 2 Fällen,

· versuchten Mordes in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung,

· besonders schwerer räuberischer Erpressung,

· fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen sowie

· Volksverhetzung in 2 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen

zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Im Übrigen wurde der Angeklagte freigesprochen.

Der Senat hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Darüber hinaus hat der Senat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Zur Erläuterung:

  1. Die Schuldsprüche lassen sich in der obigen Reihenfolge stichwortartig wie folgt zuordnen:

· Mord an Jana L. und Kevin S., letzterer in Tateinheit mit versuchtem Mord an den Gästen und Bediensteten des Kiez-Döner

· versuchter Mord an den Besuchern der Synagoge Halle (51 Fälle)

· versuchter Mord an den Polizeibeamten (5 Fälle)

· versuchter Mord an zwei Passanten in der Schillerstraße (2 Fälle in Tateinheit)

· versuchter Mord an einem Autofahrer in der Humboldtstraße und einem Passanten in der Schillerstraße

· versuchter Mord etc. an Frau Z. und Herrn M. in Wiedersdorf, jeweils verbunden mit deren Verletzung und dem Versuch, sie zur Herausgabe des Pkw zu zwingen

· räuberische Erpressung des Taxis von den Brüdern W. in Wiedersdorf

· fahrlässige Körperverletzung etc. durch Verletzung des Passanten auf der Magdeburger Straße in Halle

· Volkverhetzende Äußerungen beim Eintreffen des Angeklagten in Halle

Der Teil-Freispruch erfolgte im Hinblick auf den Angriff auf die Passantin, die in der Nähe der Synagoge am Ende der Humboldtstraße in Richtung Wasserturm ging und auf die der Angeklagte der Anklage zufolge in Tötungsabsicht angelegt habe, dann aber erkannt habe, dass seine Waffe eine Ladehemmung hatte (Fall 4 der Anklage).

Darüber hinaus ist der Senat davon ausgegangen, dass auch hinsichtlich des Ismet T. kein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt; insoweit bedurfte es aber keines besonderen Ausspruchs eines Freispruchs, weil der Angeklagte bezüglich der zugrundeliegenden Taten wegen versuchten Mordes an den Polizeibeamten verurteilt wurde.

2.

Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld hat zur Folge, dass nicht bereits nach einer Haftdauer von 15 Jahren mit einer Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zu rechnen ist. Auch bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist eine solche Aussetzung der Reststrafe nämlich möglich, wenn

  1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
  2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und
  3. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet.

Die dann zur Entscheidung berufene Strafvollstreckungskammer wird also zu berücksichtigen haben, dass das Tatgericht – in unserem Falle der OLG-Senat – die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat. Eine feste Erhöhung der Mindestverbüßungsdauer ist damit allerdings nicht verbunden.

3.

Die Anordnung der Sicherungsverwahrung führt dazu, dass der Angeklagte/Verurteilte auch nach Verbüßung der Freiheitsstrafe bzw. im Fall der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung in einer geeigneten Einrichtung untergebracht bleibt, wenn die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB weiter vorliegen, also insbesondere

die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist jährlich zu überprüfen, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung alle neun Monate (§ 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB)

Foto: OLG Naumburg

Ministerpräsident Haseloff zum Urteil im Halle-Prozess.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärte nach dem Urteilsspruch des Oberlandesgerichts Naumburg gegen den Attentäter von Halle: „Wir haben einen fairen Prozess erlebt. Das Urteil zeigt in großer Klarheit, dass wir in einem wehrhaften Rechtsstaat leben. In ihm haben alle Formen von Antisemitismus, Rassismus und Hass keinen Platz, werden konsequent verfolgt und ziehen deutliche Strafen nach sich. Die Maßnahmen gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden zum Schutz des jüdischen Lebens in Sachsen-Anhalt beweisen, dass wir über die Strafverfolgung des Täters hinaus wichtige Konsequenzen gezogen haben.“

Der Beauftragte für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, Wolfgang Schneiß erklärte zudem: „Ich bin bei aller Bestürzung über die Tat und die Einlassungen des Täters doch auch dankbar, dass die Nebenklägerinnen und Nebenkläger die Kraft gefunden haben, während des Prozesses so kraftvoll ihre Stimme zu erheben. Sie haben unseren Blick auf die Hintergründe für fortbestehenden Antisemitismus in unserem Land gelenkt. Sie haben uns vor Augen geführt, dass wir ihm als ganze Gesellschaft energisch, mutig und gemeinsam entgegentreten müssen.“

Urteil im Halle-Prozess darf kein Schlusspunkt sein.

Zum Urteil im Halle-Prozess erklärte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle:

„Das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg gegen den Halle-Attentäter kann im Einzelfall zur Genugtuung beitragen, darf jedoch kein Schlusspunkt sein. Es muss vielmehr der Auftakt dafür sein, Antisemitismus entschlossener zu bekämpfen und digitale Radikalisierungsräume besser auszuleuchten. Der Täter wollte in Halle eine möglichst große Anzahl jüdischer Menschen töten. Nur die Tür der Synagoge hielt ihn davon ab. Doch jeden Tag geschehen in Deutschland auch weiterhin antisemitische Straftaten. Bund und Länder müssen daher beim Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Einrichtungen an einem Strang ziehen und den Sicherheitsbedenken der Gemeinden Rechnung tragen. Der Täter hat sich nachweislich in einem internationalen Online-Netzwerk von Rechtsextremisten bewegt, die sich gegenseitig zu Gewalttaten anstacheln. Die Sicherheitsbehörden dürfen die Bedeutung dieser Netzwerke nicht unterschätzen. Die Einbindung wissenschaftlicher und technischer Expertise in die Arbeit der Sicherheitsbehörden muss daher verbessert werden.“

ZMD zur Verurteilung des Halle-Attentäters.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) begrüßte das Urteil von Halle, wonach der Attentäter zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist. ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek sagte dazu: „Das Urteil hat hoffentlich auch abschreckende Wirkung gezeigt, wonach Rassismus und Antisemitismus hierzulande niemals gebilligt und strickt geahndet und gerichtlich verfolgt wird. Aber das Verfahren kann nur der Beginn einer Aufarbeitung und Verfolgung weiterer rassistischer Anschläge und Attentate in Deutschland sein. Der verurteilte Attentäter, der bereits Jahre zuvor durch muslimfeindliche Straftaten auffiel, zeigte vor Gericht fortwährend keine Reue und machte keinen Hehl aus seinem Hass auf Juden, Muslime und Frauen. Er verstand sich als Nachahmer und weiterer ‚Vollstrecker‘ der antisemitischen, rassistischen, rechtsextremen Ideologie der Massenmörder und Attentäter u.a. von Christchurch.“

Der Anschlag war eine Zäsur.

Der Attentäter des antisemitischen Anschlags von Halle an der Saale ist vom Naumburger Oberlandesgericht für seine Tat verurteilt worden. Dazu sagte der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei:

„Ich begrüße das harte Urteil gegen den Täter des rechtsterroristischen Anschlags von Halle an der Saale. Die von dem Gericht unter anderem wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes ausgesprochene lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung und der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist die richtige Antwort unseres wehhaften Rechtsstaates auf eines der menschenverachtendsten Verbrechen der letzten Jahre. Dieses Land toleriert keinen Judenhass. Das Urteil sorgt mit seiner Höchststrafe dafür, dass der Täter nie wieder antisemitische, rassistische und frauenfeindlich motivierte Gewalt begehen kann.

Der Anschlag war eine Zäsur. Der Schock, dass eine solche antisemitische Tat auf deutschem Boden geschehen konnte, hat unser Land erschüttert. Dem nach dem Anschlag gegebenen Versprechen ‚Nie wieder‘ hat die Politik Taten folgen lassen: Wir haben die Sicherheitsbehörden gestärkt und 600 zusätzliche Stellen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus beim Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für den Verfassungsschutz geschaffen. Das Waffenrecht ist inzwischen erheblich verschärft und mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität nimmt der Staat den Kampf gegen Hass und Einschüchterung in den sozialen Netzwerken auf. Zu den Konsequenzen des Anschlags von Halle gehören auch mehrere Vereinsverbote gegen die rechtsextremistische Szene und die Schaffung eines Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.“

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