Das Bundeskabinett hat heute den von dem Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beschlossen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht folgende Änderungen vor:
I. Ersatzfreiheitsstrafen
Der Umrechnungsmaßstab von einer Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitstrafe in § 43 StGB wird so geändert, dass zukünftig zwei Tagessätze Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Bislang entspricht ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Diese Änderung verfolgt das Ziel, die Dauer der tatsächlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren, da deren Vollzug in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen leisten kann. Zugleich kann so die mit der Vollstreckung verbundene Strafbelastung stärker an die der ursprünglich verhängten Geldstrafe ausgerichtet werden, weil ein Tag Freiheitsstrafe deutlich schwerer wiegt als die Einbuße eines Tageseinkommens. Die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe kann und soll es der verurteilten Person auch erleichtern, deren Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit ganz zu vermeiden. Denn durch die Halbierung halbiert sich grundsätzlich auch die Zahl der Stunden, in denen gemeinnützige Arbeit geleistet werden muss. Zusätzlich sollen vollstreckungsrechtliche Ergänzungen dazu beitragen, dass die verurteilte Person stärker unmittelbar vor Ort bei der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe unterstützt wird, etwa, in dem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiten beim Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit helfen.
Bundesjustizminister
Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Wir legen eine historische Reform der Ersatzfreiheitsstrafe vor. Sie ändert
den Umrechnungsmaßstab von einem Tagessatz Geldstrafe zu einem Tag
Ersatzfreiheitshaft, die an Stelle der Geldstrafe zu verbüßen ist. Künftig
entspricht ein Tagessatz einem halben Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Seit vielen
Jahren haben Fachleute kritisiert, dass der Gegenwert von sechs bis acht
Stunden Erwerbsarbeit, die etwa einem Tagessatz Geldstrafe entsprechen, und 24
Stunden Ersatzfreiheitsstrafe nicht zusammenpassen. Zudem stärken wir die
aufsuchende Sozialarbeit und die gemeinnützige Arbeit als Alternative zur
Ersatzfreiheitsstrafe. Bereits zehn Mal sind vergebliche Versuche unternommen
worden, um eine Reform der Ersatzfreiheitsstrafe herbeiführen. Ich freue mich
sehr, dass die Fortschrittskoalition nun endlich diesen wichtigen Schritt
geht.“
II. Reform des Maßregelrechts
Im
Maßregelrecht werden die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt nach § 64 des Strafgesetzbuches (StGB) in mehrfacher
Hinsicht enger gefasst. Die Änderungen verfolgen vor allem das Ziel, die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf die verurteilten
Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums
und der daraus resultierenden Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu
begehen, tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen.
Damit soll zugleich der seit vielen Jahren zu beobachtende Anstieg der Zahl der
untergebrachten Personen möglichst gebremst werden.
Die Anforderungen an den erforderlichen „Hang“ zum übermäßigen
Rauschmittelkonsum, an den Zusammenhang zwischen Hang und Straffälligkeit und
an die Erfolgsaussicht einer Behandlung werden zu diesem Zweck erhöht. Der
regelmäßige Zeitpunkt für eine Reststrafenaussetzung wird, auch für die Berechnung
eines etwaigen Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe, an den bei der reinen
Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt angepasst. In der
Strafprozessordnung wird klarstellend die sofortige Vollziehbarkeit von
Entscheidungen normiert, mit denen die Behandlung wegen Erfolglosigkeit für
erledigt erklärt wird.
Bundesjustizminister
Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch zugenommen, die nach
einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht
sind. Viele Kliniken sind überlastet. Das gefährdet auch den Behandlungserfolg
der untergebrachten Personen. Durch die Anpassung der Anordnungsvoraussetzungen
und anderen Regelungen tragen wir dafür Sorge, dass sich die Behandlung wieder
auf diejenigen Personen konzentrieren kann, die wirklich behandlungsbedürftig
und -fähig sind. Nur so lassen sich gute Behandlungserfolge erreichen – im
Interesse der betroffenen Personen selbst, aber auch im Interesse unseres
Allgemeinwesens.“
III. Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB
§ 46 Absatz 2 StGB nennt Umstände, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind danach besonders zu berücksichtigen. Beispielhaft genannt hierfür werden rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe und Ziele. In diese Liste sollen nunmehr ausdrücklich auch „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive aufgenommen werden. Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin mit Gewalt einen vermeintlichen patriarchalischen Herrschafts- und Besitzanspruch durchsetzen will. „Geschlechtsspezifisch“ sind aber auch solche Tatmotive, die sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität oder die (sonstige) nicht-binäre Geschlechtsidentität des Opfers richten Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive erfasst zusätzlich Hasstaten, die etwa gegen Menschen mit homo- oder bisexuellen Orientierung begangen werden. Damit betont die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten.
Bundesjustizminister
Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Wir erweitern den Katalog der Strafschärfungsgründe in § 46 StGB. Hier sollen
künftig „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung
gerichtete“ Tatmotive aufgeführt werden. Das eröffnet den Gerichten mehr
Spielraum, um noch entschiedener gegen das erschreckende Ausmaß
geschlechtsspezifischer Gewalt und die zunehmende Gewalt gegen LSBTI-Personen
vorzugehen.“
IV. Ambulante Maßnahmen: Auflagen und Weisungen
Schließlich sollen die Möglichkeiten bekräftigt und ausbaut werden, durch ambulante Maßnahmen positiv auf Straftäter einzuwirken:
Daher wird
die Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur
Bewährung (§ 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a StGB) und des
Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO)
ausdrücklich normiert; aktuelle Studien zeigen, dass solche Therapien
tatsächlich rückfallreduzierende Wirkung haben. Bei der Verwarnung mit
Strafvorbehalt wird zusätzlich die Möglichkeit für sonstige Weisungen und für
eine Auflage geschaffen, gemeinnützige Leistungen zu erbringen
(Arbeitsauflage).
Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem
Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der
Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.
Den Regierungsentwurf finden Sie hier:
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin