Mönckebergstraße erinnert künftig auch an Vilma Mönckeberg-Kollmar – Emily-Ruete-Platz umbenannt
Die Hamburger Senatskommission für die Benennung von Verkehrsflächen hat auf Vorschlag der Bezirke mehrere neue Straßenbenennungen beschlossen: Nach dem Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert wird eine Grünfläche in Eppendorf benannt. Mit Walter Gutmann wird in Hamm ein Hamburger Widerstandskämpfer geehrt. Die Mönckebergstraße trägt künftig auch den Namen von Vilma Mönckeberg-Kollmar, Schwiegertochter von Johann Georg Mönckeberg. Auch die Stengelestraße und die Tischbeinstraße erinnern zukünftig neben den ursprünglich namensgebenden Männern zusätzlich an bedeutende Frauen der Familien. Außerdem wird – dem Beschluss des Bezirkes Nord folgend – der Emily-Ruete-Platz in Uhlenhorst umbenannt. Der Platz erhält den Namen Teressa-Platz.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Hamburg ehrt mit den neuen Straßenbenennungen bedeutende Persönlichkeiten, die sich durch ihr Leben und Wirken verdient gemacht haben. Wolfgang Borchert zählt zu den wichtigsten Autoren der Nachkriegsliteratur. In Eppendorf, wo er geboren wurde, erinnert nun ein Platz an diesen herausragenden Schriftsteller. Mit der Mitbenennung der Mönckebergstraße nach Vilma Mönckeberg erinnern wir mit einer der bekanntesten Straßen im Herzen der Stadt an eine bedeutende Literaturwissenschaftlerin, die sich sehr für den Frieden engagierte. Mit diesen und den weiteren Benennungen halten wir wichtige Persönlichkeiten, deren Leben eng mit der Geschichte unserer Stadt verbunden ist, präsent. Straßennamen sind dabei immer auch identitätsstiftend für den Stadtteil. Daher liegt den Benennungen und auch Umbenennungen eine intensive Diskussion in den Bezirken zu Grunde, wie jetzt zum Beispiel in Uhlenhorst bei der Umbenennung des Emily-Ruete-Platzes in Teressa-Platz.“
Wolfgang-Borchert-Park, Bezirk Nord
Nach dem früh verstorbenen Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert wird in Eppendorf die etwa 160 Meter lange Grünfläche an der Eppendorfer Landstraße zwischen Schottmüllerstraße und Marie-Jonas-Platz benannt. Wolfgang Borchert, am 20. Mai 1921 in Eppendorf geboren und am 20. November 1947 in Basel gestorben, hinterlässt trotz seiner kurzen Lebenszeit ein beachtliches Werk und gilt als einer der bekanntesten Autoren der sogenannten „Trümmerliteratur“. Er wuchs in einem kulturell aufgeschlossenen Elternhaus auf, interessierte sich früh für Literatur und verfasste bereits in seiner Jugend erste literarische Werke. 1942 zog er sich an der Front schwere Verwundungen zu. Mehrfach wurde er wegen Kritik am Regime des Nationalsozialismus und sogenannter Wehrkraftzersetzung verurteilt und inhaftiert. In der Nachkriegszeit blieb Borchert nach kurzen Versuchen, erneut als Schauspieler und Kabarettist aktiv zu werden, ans Krankenbett gebunden. Dort entstanden zwischen Januar 1946 und September 1947 zahlreiche Kurzgeschichten und innerhalb eines Zeitraums von nur acht Tagen das Drama „Draußen vor der Tür“. In diesem Heimkehrerdrama erkannten sich viele, vom Krieg geprägte Menschen wieder – es gilt als sein Hauptwerk, dessen Erfolg er selbst nicht mehr miterleben konnte. Während eines Kuraufenthalts in der Schweiz starb er mit 26 Jahren. Die Uraufführung des Stücks fand einen Tag nach seinem Tod in den Hamburger Kammerspielen statt.
Walter-Gutmann-Weg, Bezirk Mitte
Der Hamburger Kaufmann und Widerstandskämpfer Walter Gutmann wird Namensgeber für den etwa 115 Meter langen Fußweg in Hamm. Der Weg liegt innerhalb einer Grünfläche nördlich der Eiffestraße und verbindet die Diagonalstraße und Wackerhagen von Ost nach West. Walter Gutmann wurde 1893 als viertes Kind einer jüdischen Familie geboren, die im Stadtteil Rotherbaum lebte. Gutmann absolvierte eine Ausbildung zum Kaufmann, unterbrach seine Tätigkeit, die er inzwischen in Bologna ausübte, jedoch mit Beginn des Ersten Weltkrieges, um nach Deutschland zurückzukehren und sich freiwillig für den Kriegsdienst zu melden. Nachdem er 1916 bei der Schlacht um Verdun in französische Gefangenschaft geriet, konnte er erst 1920 nach Hamburg zurückkehren. Nach verschiedenen Stadt- und Berufswechseln kehrte er zusammen mit seiner Ehefrau Else 1926 nach Hamburg zurück. In Gutmanns Geburtsstadt angekommen, bezog das Ehepaar eine Wohnung im Stadtteil Hamm im Horner Weg. Vom Krieg körperlich und seelisch gezeichnet, zerbrach seine Ehe und auch seine wirtschaftliche Lage verschlechterte sich rasant. Inzwischen waren nahezu alle Angehörigen ins Ausland emigriert oder verstorben, Gutmann hingegen wollte Deutschland nicht verlassen. Stattdessen beschäftigte er sich mit der Ideologie der Nationalsozialisten, um in heimlich angefertigten Flugschriften über das perfide System aufzuklären und an die Bevölkerung zu appellieren, Mitverantwortung zu übernehmen. Walter Gutmann wurde 1939 zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Im Dezember 1942 wurde er ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 28. Januar 1943 starb.
Gerda-Kohn-Platz, Bezirk Nord
Gerda-Kohn-Platz soll im Bezirk Nord der etwa 120 Meter lange und 50 Meter breite Platz heißen, der östlich des Mesterkamps und südlich der Weidestraße in Barmbek-Süd liegt. Gerda Kohn, geb. Böckmann, war eine sozial engagierte Kommunalpolitikerin. Sie wurde am 18. Juli 1905 in Oldenburg geboren.1911 zog die Familie nach Klein-Flottbek. Nach der Schule ließ Gerda Kohn sich zur Kindergärtnerin ausbilden, später zusätzlich zur Jugendleiterin. 1930 übernahm sie die Leitung des Kindertagesheimes im Nagelsweg. Im selben Jahr heiratete sie ihren Jugendfreund Reinhard Kohn, ein aktiver Sozialdemokrat und angehender Jurist. Das Ehepaar beteiligte sich aktiv am Aufbau der Arbeiterwohlfahrt. Großes Engagement zeigte Gerda Kohn nach 1945 für den Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Barmbek und wurde Vorsitzende des Distrikts Barmbek-Nord. Ab 1950 war sie in der Kommunalpolitik aktiv. Ab 1970 konzentrierte sie sich auf die Seniorenarbeit der AWO. Schließlich zeichnete der Senat 1984 sie und ihren Ehemann für ihr soziales Engagement mit der „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ aus. Gerda Kohn starb 1994 in Hamburg.
Mitbenennungen
Der Senat hat auf Vorschlag der Bezirke Mitte und Nord für drei Straßen eine Mitbenennung beschlossen. Drei Frauen, die ebenso wie ihre männlichen Verwandten Herausragendes geleistet haben, werden in die Erläuterung des Straßennamens aufgenommen. Der Straßenname ändert sich dabei nicht.
So wird zentral in der Hamburger Altstadt die Mönckebergstraße, die seit 1906 benannt ist nach Johann Georg Mönckeberg (1839–1908), Mitglied des Senats, Erster Bürgermeister, künftig auch an seine Schwiegertochter Vilma Mönckeberg-Kollmar, geb. Pratl, erinnern.
Vilma (Wilhelmine Martha) Mönckeberg-Kollmar wurde am 29. Juli 1892 in Wien geboren. Nach einer Schauspielausbildung in Berlin heiratete sie während ihres Engagements am Hamburger Schauspielhaus 1913 den Juristen Adolph Mönckeberg, einen Sohn des Bürgermeisters Johann Georg Mönckeberg. Ihr Ehemann fiel bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs, noch vor der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes, der im Zweiten Weltkrieg als Soldat starb. Nach dem Ersten Weltkrieg heiratete sie den Unternehmer, Kunstsammler und Maler Wilhelm Kollmar.
Sie machte sich als Literaturwissenschaftlerin, Rezitatorin und Sprachpädagogin einen Namen. Nach 1945 widmete sich Vilma Mönckeberg-Kollmar dem Aufbau der Deutschen Sektion der Weltorganisation der Mütter aller Nationen, Landesverband Hamburg e.V., deren Bundesvorsitzende sie von 1948 bis 1958 war. Sie starb am 4. April 1985 in Hamburg.
Ebenfalls im Bezirk Mitte wird im Stadtteil Horn mit der 1929 benannten Stengelestraße neben dem sozialdemokratischen Politiker, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und Redakteur Gustav Stengele nun auch seine Ehefrau Ida Stengele geehrt. Ida Stengele war ebenfalls Abgeordnete in Hamburg und saß von 1919 bis 1927 als eine der ersten Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft.
In Hamburg-Nord ist die 1922 benannte Barmbeker Tischbeinstraße zusätzlich zu den drei bisher namensgebenden Männern der weit verzweigten Malerfamilie Tischbein künftig auch nach zwei künstlerisch bedeutenden Töchtern benannt: Wilhelmine Caroline Amalie Tischbein (1757–1839), Zeichnerin und Miniaturmalerin sowie die Zeichnerin Caroline Tischbein (1783–1842).
Umbenennung des Emily-Ruete-Platzes, Bezirk Nord
In Uhlenhorst wird der zwischen Leo-Leistikow-Allee und Uferstraße gelegene Emily-Ruete-Platz umbenannt und trägt künftig den Namen Teressa-Platz. Teressa Scira war das Kind einer polnischen Zwangsarbeiterin und wurde am 25. Dezember 1943 in der Frauenklinik Finkenau geboren. Bereits am 27. Dezember 1943 verstarb das Mädchen. In der ehemaligen Frauenklinik Finkenau kamen über 500 Kinder von Zwangsarbeiterinnen zur Welt. Stellvertretend für alle in der Klinik Finkenau geborenen Kinder damaliger Zwangsarbeiterinnen soll der Platz künftig den Namen Teressa-Platz tragen. Anwohnerinnen und Anwohner des Platzes sind nach Angaben des Bezirks von der Umbenennung nicht betroffen. Seit 2019 war der Platz nach Emily Ruete benannt. Nachdem 2021 darauf hingewiesen wurde, dass sich Emily Ruete in ihren Memoiren abwertend über versklavte Menschen geäußert hat, beschloss der Bezirk, die Benennung rückgängig zu machen. Im September 2022 wurde daher die Umbenennung im Bezirk beschlossen. Eine erläuternde Gedenktafel für Emily Ruete soll am Wohnort Ruetes an der Straße Schöne Aussicht aufgestellt werden.
Die aktuellen Beschlüsse zu Straßenbenennungen sind im Amtlichen Anzeiger unter www.luewu.de/docs/anzeiger/docs/2962.pdf veröffentlicht.
Weitere Informationen unter www.hamburg.de/bkm/strassennamen/