„Die Rufe aus der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Praxis dürfen nicht länger ignoriert werden“.

Neun Monate EuGH-Entscheidung zur Speicherung von IP-Adressen – Neun Monate Nichtstun der Bundesregierung zum Nachteil der Strafverfolgung des Kindesmissbrauchs.

Justizminister Roman Poseck: „Wir müssen endlich die rechtlichen Möglichkeiten der Strafverfolgung ausschöpfen, um die schwerwiegenden und ekelhaften Straftaten des Kindesmissbrauchs effektiv zu verfolgen.“

„Vor neun Monaten hat der Europäische Gerichtshof den Weg für die Speicherung von IP-Adressen in Fällen schwerster Kriminalität eröffnet. Die Entscheidung vom 20. September 2022 ist immer noch nicht durch den Bundesgesetzgeber umgesetzt worden. Neun Monate Nichtstun und Blockade auf Bundesebene sind eine schwere Hypothek für die Strafverfolgung. Hätte der Bundesgesetzgeber gehandelt und die Möglichkeiten der Speicherung von IP-Adressen eröffnet, hätten bis heute viele weitere Täter überführt und die Leiden von Kindern verhindert werden können. Die Rufe aus der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Praxis dürfen nicht länger ignoriert werden. Die Strafverfolger könnten die in der Regel aus den Vereinigten Staaten übermittelten Daten wesentlich erfolgreicher nutzen und viel mehr Täter aufdecken, wenn sie auf gespeicherte IP-Adressen zugreifen könnten. Datenschutz darf beim Kindesmissbrauch nicht zum Täterschutz werden. Es geht bei der Speicherung von IP-Adressen im Übrigen nur um Verbindungsdaten, nicht um Verbindungsinhalte“, führte der hessische Justizminister Roman Poseck heute in Wiesbaden aus.

Die hessische Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) erlebt in ihrer täglichen Arbeit, dass Ermittlungsverfahren häufig mangels anderer Ermittlungsansätze eingestellt werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Verfolgung von Kinderpornografie und sexuellen Missbrauchs von Kindern, aber auch die Verfolgung anderer Bereiche schwerer Internetkriminalität. Bei im Internet begangenen Straftaten ist die IP-Adresse nach den Erfahrungen der Praxis häufig der einzige vorliegende Ermittlungsansatz zur Identifizierung des unbekannten Täters.

„Speziell für den Bereich der Verfolgung von Kinderpornografie und Kindesmissbrauch hat mir die ZIT berichtet, dass mit einer Speicherverpflichtung für IP-Adressen in den Fällen, die auf Hinweise der US-Meldestelle National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) zurückgehen, eine Aufklärungsquote von über 90% erreichbar wäre. Derzeit können 25% der Hinweise des NCMEC auf Kinderpornografie und Kindesmissbrauch – im vergangenen Jahr waren das bundesweit rund 90.000 – nicht aufgeklärt werden“, so der Minister weiter. 

„Das Vorgehen der Bundesregierung bei diesem wichtigen Thema ist inakzeptabel. Nichtstun ist keine Lösung. Ich habe den dringenden Handlungsbedarf gestern in der 1.000. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates in Berlin deutlich gemacht. An der Jubiläumssitzung haben Bundesjustizminister Marco Buschmann und die meisten Justizministerinnen und Justizminister aus den Ländern persönlich teilgenommen. Deshalb wurden auch rechtspolitische Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung erörtert. Eine zeitliche oder inhaltliche Perspektive bezüglich des weiteren Umganges der Bundesregierung mit der EuGH-Entscheidung zur Speicherung von IP-Adressen haben wir trotz konkreter Nachfragen in der Sitzung nicht erfahren. Mein Eindruck ist, dass es an dieser Stelle auch gar keinen Plan gibt. Sehenden Auges wird so eine höhere Aufklärungsquote bei schwersten Straftaten verspielt. Seit einem Dreivierteljahr befinden sich die Bundesinnenministerin und der Bundesjustizminister nun in einem offenen Dissens, ohne dass irgendein Ergebnis absehbar ist. Der Bundesjustizminister wurde kurz nach der EuGH-Entscheidung durch die Bundesinnenministerin daran gehindert, seine Überlegungen für ein aus meiner Sicht unzureichendes Quick-Freeze-Verfahren in die Diskussion einzubringen. Seitdem gibt es keine Fortschritte auf Seiten der Bundesregierung. An dieser Stelle der Strafverfolgung ist die Handlungsfähigkeit der Politik gefragt. Wir müssen endlich die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die schwerwiegenden und ekelhaften Straftaten des Kindesmissbrauchs effektiv zu verfolgen und das Leiden von Kindern zu beenden. Hierfür werde ich mich weiter mit ganzer Kraft einsetzen“, sagte Roman Poseck abschließend.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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