Statement von Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Der
Bundestag hat am Donnerstag den Umrechnungsmaßstab für die Ersatzfreiheitsstrafe
halbiert. Werden Strafen nicht gezahlt, wird nun für je zwei verhängte
Tagessätze nur noch ein Tag in Haft fällig. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) bedauert, dass kein echter Umbruch
erfolgt.
„Haftstrafen
müssen das letzte Mittel des Rechtsstaates sein. Zahlungsunfähige
einzusperren, löst keine Probleme. Im Gegenteil: Die Ersatzfreiheitsstrafe
verschärft die desolate Lage vieler Betroffener sogar noch. Dieser Effekt mag
durch den neuen Umrechnungsmaßstab abgeschwächt werden – erhalten bleibt er
dennoch.
Die Halbierung zeigt: Das Problem ist uns als Gesellschaft bewusst. Die
logische Folge wäre eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Behält man
sie bei, sind aber Maßnahmen notwendig, um die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen
zu verhindern. Lediglich ihre Dauer zu reduzieren, ist keine nachhaltige
Lösung. Konsequent wäre die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten wie
dem Fahren ohne gültigen Fahrschein. Schon dadurch würden bereits erheblich
weniger Personen überhaupt mit der Gefahr einer Ersatzfreiheitsstrafe
konfrontiert.
Außerdem braucht es eine klare Unterscheidung zwischen Zahlungsunfähigkeit
und Zahlungsunwilligkeit. Wir fordern deshalb eine verpflichtende Anhörung
vor der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen, um Gründe für die
Nichtleistung von Zahlungen offenzulegen. Insbesondere gilt das für
Strafbefehle, die mitursächlich für die hohe Zahl von Ersatzfreiheitsstrafen
sind und die ohne richterliche Anhörung ausgestellt werden. Stellt sich bei
dieser Anhörung die Zahlungsunfähigkeit heraus, sollte in der Folge die
Strafe ausgesetzt werden.“
Statements vom 23.06.2023 12:47
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin