12. Jahrestag – Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrundes.

Auf dem Weg zu einem NSU-Dokumentationszentrum.

In Gedenken an:

  • Enver Şimşek (am 9. September 2000 in Nürnberg ermordet)
  • Abdurrahim Özüdoğru (am 13. Juni 2001 in Nürnberg ermordet)
  • Süleyman Taşköprü (am 27. Juni 2001 in Hamburg ermordet)
  • Habil Kılıç (am 29. August 2001 in München ermordet)
  • Mehmet Turgut (am 25. Februar 2004 in Rostock ermordet)
  • İsmail Yaşar (am 9. Juni 2005 in Nürnberg ermordet)
  • Theodoros Boulgarides (am 15. Juni 2005 in München ermordet)
  • Mehmet Kubaşık (am 4. April 2006 in Dortmund ermordet)
  • Halit Yozgat (am 6. April 2006 in Kassel ermordet)
  • Michèle Kiesewetter (am 25. April 2007 in Heilbronn ermordet)
  • Atilla Özer (2017 an den Spätfolgen des Anschlags in der Keupstraße gestorben)

Sachsens Demokratieministerin Katja Meier anlässlich des 12. Jahrestages der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) am 4. November: »Wir erinnern uns an die Opfer des NSU und stehen an der Seite der An- und Zugehörigen. Zugleich erinnern wir auch an unsere Verantwortung hinsichtlich der Aufarbeitung des NSU-Komplexes. Seit drei Jahren arbeiten wir intensiv daran, dass diese Verantwortung in reale Vorhaben mündet, die sowohl Erinnern als auch Dokumentation und Aufarbeitung möglich machen. Wir müssen dazu beitragen, dass Gewalttaten aus rassistischen Motiven gegen Menschen aus unserer Mitte nie wieder passieren.«

Der Freistaat Sachsen ist sich seiner Verantwortung bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes bewusst und hat die Errichtung eines NSU-Dokumentationszentrums 2019 als Ziel im Koalitionsvertrag verankert. Mehrere Meilensteine auf dem Weg zu einem NSU-Dokumentationszentrum wurden bereits erreicht. Mit der Vorlage der Machbarkeitsstudie für ein NSU-Dokumentationszentrum in Südwestsachsen sowie dem Beginn der Vorbereitungen für das Interims-Dokumentationszentrum im Rahmen der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, hat das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) erste Meilensteine geschaffen, um dem Ziel eines bundesweiten Dokumentationszentrums mit Standorten in Sachsen näher zu kommen.

Demokratieministerin Katja Meier: »Gut, dass der Bund nun den Prozess der Standortentwicklung zum NSU-Komplex prüft. Angesicht der anhaltenden Bedrohung durch den Rechtsextremismus wünschen wir uns, dass bereits jetzt zusätzliche Mittel für die Kulturhauptstadt 2025 in Chemnitz bereitgestellt werden, um Europa zu zeigen, wie wir uns für eine offene und vielfältige Gesellschaft einsetzen und welche Lehren wir aus dem NSU-Komplex und den rassistischen Mobilisierungen 2018 gezogen haben. Chemnitz kann ein europäischer Lernort zum NSU-Komplex werden. Wir sind bereit, den Bund dabei zu unterstützen.«

Die Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 war der Beginn der Aufklärung einer beispiellosen rechtsterroristischen Mord- und Gewaltserie in Deutschland. Sie führte auch zu der Einsicht, dass staatliches Versagen maßgeblich dazu beitrug, dass diese und weitere im Zusammenhang mit dem NSU verübte Straftaten über Jahre hinweg nicht aufgeklärt und damit auch nicht unterbrochen wurden. Zwischen den Jahren 2000 und 2007 wurden elf Menschen Opfer der Mitglieder des NSU. Noch mehr Menschen wurden verletzt und unzählige Angehörige blieben traumatisiert zurück. Von 1998 bis zu ihrer Selbstenttarnung vor zwölf Jahren, gelang es dem NSU in Sachsen, unter anderem in Chemnitz und Zwickau, unterzutauchen.

Maßnahmen

Machbarkeitsstudie für ein Dokumentationszentrum in Südwestsachsen
Im Mai dieses Jahres wurde die Machbarkeitsstudie für ein Dokumentationszentrum in Südwestsachsen durch den RAA Sachsen e.V. und den ASA FF e.V. vorgelegt, die durch eine Förderung des SMJusDEG ermöglicht wurde. Die Studie trifft Aussagen zur inhaltlichen Konzeption eines Dokumentationszentrums, zu den Optionen der Trägerschaft und Struktur, zu möglichen Standorten und bauliche Konzepten, zu den Finanzierungsmöglichkeiten sowie zu den nächsten Schritten, die zur Etablierung eines solchen Zentrums gegangen werden müssen. Unter anderem wird von den Autoren vorgeschlagen, in den Städten Chemnitz und Zwickau ein Dokumentationszentrum einzurichten. Inhaltlich soll es, ausgehend von den Perspektiven der Betroffenen, die Begegnung stärken, marginalisierte Perspektiven sichtbar machen sowie das Wissen über den NSU-Komplex, dessen Verbrechen und den damit zusammenhängenden Ermittlungen wissenschaftlich und kulturell vermitteln, erweitern und bewahren. Letztlich ist diese Studie auch ein wichtiger Impuls für den Bund. Auch die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Einrichtung eines bundesweiten Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU als Ziel definiert.

Interims-Dokumentationszentrum
Bis es zur Realisierung eines bundesweiten Dokumentationszentrums kommt, soll in Chemnitz ein Interims-Dokumentationszentrum eingerichtet werden. Auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie soll dieses im Rahmen der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 eröffnet werden und bereits im Vorfeld die wichtigsten Arbeitsfelder des NSU-Dokumentationszentrums abbilden. Dieses soll die Ausstellung »Offener Prozess« aufnehmen, bereits forschen, Bildungs- und Vermittlungsprogramme durchführen, ein erstes Archiv enthalten und ein Ort sein, an dem Menschen zusammenkommen und ihre Kompetenzen in einer Gesellschaft der Vielfalt stärken. Die Vorbereitungen für die Realisierung dieses Vorhabens, inklusive der Erarbeitung eines Bildungskonzeptes, haben begonnen und werden vom Freistaat Sachsen gefördert.

Gedenkort NSU Chemnitz
Parallel zum NSU-Dokumentationszentrums soll es in Chemnitz einen Gedenk- und Erinnerungsort geben, der ganz konkret die Geschichten der Opfer des NSU auch in Chemnitz erzählt, so dass diese verankert und erinnert werden, um gleichzeitig Mahnung für die Zukunft zu sein. Das Projekt »re:member the future« des ASA FF e.V. hat am 6. Oktober 2023 in Chemnitz ein Konzept für einen Gedenk- und Erinnerungsort an die Betroffenen des NSU-Komplexes in Chemnitz vorstellt.

Studie zum Umsetzungsstand der Empfehlungen aus den NSU-Untersuchungsausschüssen
Sowohl der Bundestag als auch Landtage mehrerer Bundesländer haben zwischen Februar 2012 und Mai 2022 NSU-Untersuchungsausschüsse eingesetzt, um die Mord- und Gewalttaten der rechtsextremen Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), ihr Unterstützerumfeld und das Verhalten von Bundes- und Landesbehörden im NSU-Komplex aufzuklären. Darüber hinaus wurden von diesen Ausschüssen Empfehlungen formuliert, die dabei helfen können, dass sich die begangenen Fehler, insbesondere der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden nicht wiederholen. Aber was ist aus diesen Empfehlungen geworden? Dieser Frage geht eine vom SMJusDEG beauftragte Studie nach, deren Ergebnisse voraussichtlich im 1. Quartal 2024 veröffentlicht werden. Ziele der Studie sind zum einen den Stand der Umsetzungen wesentlicher Empfehlungen aus den NSU-Untersuchungsausschüssen zu bilanzieren und zum anderen konkret die Handlungsempfehlungen für den Justiz- und Demokratiebereich darzustellen, um die Handlungsmöglichkeiten des SMJusDEG klar zu benennen und u. a. auch in die zahlreichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NSU-Komplex einfließen zu lassen.

Das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus der Landesregierung ist ein zusätzlicher Baustein. Es basiert auf drei Säulen: Stärken, Beraten und Einschreiten, wobei insbesondere der Bereich »Stärken« durch das SMJusDEG verantwortet wird. Die durch das Ministerium geförderten Forschungsinstitute – das Else-Frenkel-Brunswik- Institut an der Universität Leipzig und die John-Dewey-Forschungsstelle für Didaktik der Demokratie an der Technischen Universität Dresden – schaffen durch die Erforschung demokratiefeindlicher Einstellungen und demokratiestärkender Mittel wertvolle Grundlagen für eine wirksamere politische Bildung, indem sie zielgruppengenaue Methoden der politischen Bildung entwickeln. Mit der bundesweit einmaligen Errichtung einer Zentralen Ansprechstelle für Opfer von Rechtsextremismus und Antisemitismus (ZORA) bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden werden darüber hinaus die Personen gezielt unterstützt, die auf Grund ihres haupt- und ehrenamtlichen Engagements zu Opfern von Anfeindungen, Hetze und Gewalt werden.

Mit den geltenden gemeinsamen Leitfäden der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und des Landeskriminalamts Sachsen »Antisemitische Straftaten erkennen und konsequent verfolgen« und »Rassistisch motivierte Straftaten erkennen und konsequent verfolgen« mit der Zentralen Ansprechstelle für Opfer von Rechtsextremismus und Antisemitismus und einem Ansprechpartner zur Bekämpfung des Antisemitismus geht die sächsische Justiz konsequent gegen antisemitische und rassistisch motivierte Straftaten vor.

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