Warum die Haasenburg nicht entschädigt werden darf – Aus Sicht der Betroffenen und Unterstützer:innen.
Gestern versammelten sich ehemalige Bewohner:innen der Haasenburg-Einrichtungen und ihre Unterstützer:innen am Neuendorfer See, anlässlich des Klageverfahrens der Haasenburg GmbH gegen das Brandenburgische Bildungsministerium vor dem Verwaltungsgericht Cottbus, am Donnerstag den 23. November 2023 um 10:45, um gemeinsam zu erklären, warum sie „vehement dagegen sind, dass die Haasenburg finanziell entschädigt oder gar eine Wiedereröffnung ermöglicht wird unter altem oder neuen Namen“.
„Unsere Beweggründe sind tief verwurzelt in den schrecklichen Erfahrungen, die wir in den Haasenburg-Einrichtungen gemacht haben. Wir sehen es als unsere Pflicht an, gemeinsam gegen Kindesmissbrauch anzukämpfen, um sicherzustellen, dass die schmerzliche Geschichte sich nicht wiederholt und keine weiteren Kinder und – Jugendlichen jemals die Qualen erleben müssen, die wir durchstehen mussten. Dies sehen wir als unsere moralische Pflicht an, als emanzipierte Bürger dieses Staates.
Die Haasenburg-Einrichtung symbolisiert ein System, das seine
Schützlinge systematisch misshandelte, ihre Menschenwürde verletzte und
grundlegende verfassungsmäßige Rechte ignorierte und mit Füßen getreten hat.
Diejenigen von uns, die in dieser Einrichtung untergebracht waren, haben
schwerste körperliche und psychische Gewalt erfahren, erlebten sexualisierte
Gewalt und leiden bis heute unter den Spätfolgen. Zum Teil mit gravierenden
Folgen, die eine Partizipation und ein gesellschaftliches Leben unmöglich
machen.
Unter dem Vorwand
der Kindeswohlgefährdung wurden über Jahre, unter Aufsicht des
Landesjugendamtes Brandenburg, schwerste Kindesmisshandlungen gerechtfertigt.
Die Haasenburg war
ein Biotop schwarzer Pädagogik, in der die Kinder und – Jugendlichen täglich
willkürlichen Strafen ausgesetzt waren. Es herrschte dort ein Klima der Angst.
Die Liste an
Grundrechtsverletzungen könnte hier beliebig lang fortgeführt werden. Es würde
zu lange dauern, alles aufzuzählen.
Warum darf die
Haasenburg nicht finanziell entschädigt werden oder gar wiedereröffnet werden?
1. Schutz von Kindern und Jugendlichen: Die Sicherheit und das Wohl von Kindern und Jugendlichen müssen stets oberste Priorität haben. In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft darf kein Platz sein für eine Einrichtung, in der diese Werte regelmäßig verletzt wurden. Die finanzielle Entschädigung oder Wiedereröffnung der Haasenburg würde bedeuten, dass eine Einrichtung, in der solche Werte systematisch missachtet wurden, wiederaufleben könnte. Ein Zeichen mit weitreichenden Konsequenzen würde gesendet werden.
2. Aufarbeitung der Vergangenheit: Es wurde nie eine umfassende Aufarbeitung der Missstände in der Haasenburg-Einrichtung durchgeführt oder Studien zur Erforschung der Spätfolgen in Auftrag gegeben. Die Opfer wurden oft nicht angehört, und die Verantwortlichen blieben bis heute meist straffrei. Dieses Schweigen und diese Straflosigkeit dürfen nicht weitergehen. Wir fordern Gerechtigkeit ! Das ist uns der Rechtsstaat schuldig, nachdem er uns nicht schützen konnte.
3. In den
Einrichtungen wurden die grundlegenden Menschenrechte
mit Füßen getreten, und die Würde der Bewohner:innen wurde
nicht respektiert. Ein Rechtsstaat muss sich daran messen lassen, wie er mit
seinen schwächsten Mitgliedern umgeht. Eine finanzielle Entschädigung für diese
Einrichtung würde ein fatales Signal an alle Geschädigten senden, die bisher
nur Entschuldigungen, aber keine Entschädigungen erhalten haben.
Es wäre paradox,
sich bei den Opfern zu entschuldigen, ihnen aber echte Entschädigung zu
verwehren, während die mächtigen Täter abkassieren.
4. Botschaft an die Gesellschaft: Die Wiedereröffnung oder die finanzielle Entschädigung der Haasenburg-Einrichtung würde eine fatale Botschaft an die Gesellschaft senden. Es könnte den Eindruck erwecken, dass solche Praktiken in unserer Gesellschaft akzeptabel sind. Wir müssen besser sein als das, wenn wir unsere Grundrechte und Werte ernst nehmen.
5. Unterstützung für Betroffene: Viele von uns sind auf Unterstützung angewiesen, um unsere Traumata zu bewältigen und unser Leben wieder in den Griff zu bekommen. Die Haasenburg darf nicht die Möglichkeit erhalten, ihre Verantwortung gegenüber denjenigen, die Schaden erlitten haben, zu umgehen und weiter Profit daraus zu schlagen.
6. Helfen Sie uns abzuschließen: Das hier ist eine der letzten Möglichkeiten, für die Opfer der Haasenburg einen Abschluss zu finden, der zumindest nach Gerechtigkeit aussieht. Wir fordern den Minister Steffen Freiberg dazu auf, für uns zu streiten und genauso kompromisslos im Kampf gegen diese Einrichtung zu sein, wie sie uns Betroffenen gegenüber erbarmungslos war. Nutzen Sie diese Gelegenheit und seien Sie unsere Stimme. Bitte!
Wir appellieren an die zuständigen Behörden, insbesondere das Brandenburgische Bildungsministerium und den Minister Steffen Freiberg (SPD), sich nicht auf einen Vergleich einzulassen und das bis zum Ende durchzustreiten. Die Entscheidung, die Haasenburg nicht finanziell zu entschädigen und dafür zu sorgen, dass sie geschlossen bleiben, muss aufrechterhalten bleiben. Es ist an der Zeit, für die Fehler der Vergangenheit Verantwortung zu übernehmen und sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft geschützt und unterstützt werden, anstatt weiteren Menschenrechtsverletzungen Vorschub zu leisten.
Deshalb fordern wir eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit
und die Implementierung von Reformen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, um
sicherzustellen, dass sich solche Grausamkeiten nie mehr wiederholen. Kein Kind
sollte unter solchen Bedingungen heranwachsen müssen!
Deshalb fordern
wir, dass das Ministerium sich auf keinen Vergleich oder sonstige Gespräche
hinter verschlossenen Türen einlassen darf.
Das
Bildungsministerium hat hier die Gelegenheit, vergangenes Unrecht im
gemeinsamen Interesse zumindest teilweise wieder gutzumachen und Versäumnisse
der Vergangenheit nachzuholen, in der die Entscheidungen die damals zum Schutz
der Jugendlichen und Kinder getroffen wurden, nicht nur aufrechterhalten
bleiben, sondern auch im gemeinsamen Interesse bis zum Schluss durchgestritten
werden, denn die Schließung war damals begründet und ist es immer noch.
Wir bitten sie
daher inständig, auch in unserem Interesse dafür zu streiten, dass ein
vergangenes Unrecht nicht nachträglich validiert wird.
Seien Sie bitte
unsere Anwälte. Streiten Sie mit uns, für eine Gesellschaft und ein
Jugendhilfesystem, in der es keinen Platz gibt für Praktiken die kindliches
Leben frühzeitig beendet.
Hochachtungsvoll,
Die ehemaligen
Heimkinder der Haasenburg“
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin
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