Bundesverfassungsgerichtsurteil: Bundesregierung zieht Konsequenzen und beschließt Nachtragshaushalt 2023.

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan 2023 (Nachtragshaushaltsgesetz 2023) beschlossen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 15. November 2023 geurteilt, dass das Gesetz über den Zweiten Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig ist. Damit hat sich Karlsruhe erstmals umfassend zu den Ausnahmen von der Schuldenbremse und zum Umgang mit Sondervermögen geäußert. Es hat die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von notlagenbedingten Krediten erstmals ausführlich rechtlich geklärt. Das Gericht hat unter anderem entschieden, dass die Haushaltsprinzipien der Jährlichkeit und der Jährigkeit grundsätzlich auch für Sondervermögen gelten. Bei notlagenkreditfinanzierten Sondervermögen gilt dies in strikter Form, so dass Notlagen-Kreditermächtigungen lediglich für das Notlagenjahr zur Verfügung stehen und anschließend verfallen.

Das Urteil betrifft unmittelbar den Klima- und Transformationsfonds. Bei Übertragung der festgelegten Grundsätze auf die übrigen Sondervermögen sind mittelbar auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie und der Fonds Aufbauhilfe 2021 zur Bewältigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe von 2021 betroffen.

Mit dem heute beschlossenen Nachtragshaushalt zieht die Bundesregierung die Konsequenzen aus dem Urteil und schafft Rechtssicherheit. Dabei steht außer Frage, dass alle eingegangenen Rechtsverpflichtungen von der Bundesregierung erfüllt werden.

„Mit dem Nachtragshaushalt 2023 ziehen wir die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir nehmen in diesem Jahr keine zusätzlichen Schulden auf, sondern im Ergebnis sogar weniger. Aber die Verteilung der Kreditaufnahme auf die Haushaltsjahre 2022 und 2023 muss aus verfassungsrechtlichen Gründen verändert werden. Dazu vollziehen wir den Beschluss einer Notlage, die angesichts der Energiekrise im vergangenen Winter festgestellt wurde, auch im Haushalt 2023 nach.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner

Klima- und Transformationsfonds (KTF)

Die mit dem 2. Nachtragshauhalt 2021 vorgesehene Zuführung von 60 Mrd. Euro ist nach dem Urteil des BVerfG nichtig. Die Rücklage des KTF verringert sich entsprechend um 60 Mrd. Euro. Diese Anpassungen sind in der Neufassung des Wirtschaftsplans des KTF abgebildet.

Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie (WSF Energie)

Zudem hat das Bundeskabinett heute einen Änderungsantrag zum Entwurf des Haushaltsfinanzierungsgesetzes beschlossen. Damit werden die beim Stabilisierungsfonds- und Energiewirtschaftsgesetz notwendigen Anpassungen zum WSF Energie beschlossen. Der WSF Energie wurde zur Bewältigung der durch den Krieg gegen die Ukraine ausgelösten Energiepreisschocks im Jahr 2022 mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 200 Mrd. Euro ausgestattet. Diese Mittel wurden bis zum 30. Juni 2024 zur Verfügung gestellt. Nach dem vom BVerfG erklärten Grundsatz, dass Notlagenkredite nur für das Notlagenjahr zur Verfügung stehen, können die noch nicht verausgabten und der Rücklage zugeführten Mittel nicht mehr in 2023 genutzt werden. Mit dem Nachtragshaushalt 2023 wird daher eine Einnahme aus Krediten in Höhe von 43,2 Mrd. Euro veranschlagt. Das Gesamtvolumen der am Kapitalmarkt durch den Bund beschaffbaren Mittel in Höhe von 200 Mrd. Euro wird dadurch aber insgesamt nicht erhöht. Die neuen Kredite sind vielmehr die Teilmenge, die aus den ursprünglichen 200 Mrd. Euro für Programme und Maßnahmen in 2023 bereitstehen. Der Wirtschaftsplan wird entsprechend angepasst.

WSF Energie wird zum Jahresende aufgelöst

Das Sondervermögen WSF Energie wird zum Ende des Jahre 2023 aufgelöst. Die Rechte und Pflichten des WSF Energie gehen auf den Bund über.

Aufbauhilfe 2021

Zudem sind Anpassungen beim Sondervermögen „Aufbauhilfe 2021“ notwendig. Mit der Aufbauhilfe 2021 werden die von der Hochwasserkatastrophe des Sommers 2021 betroffenen Menschen unterstützt. Das Sondervermögen wurde im Jahr 2021 aus Einsparungen bei den etatisierten Hilfen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie finanziert. Diese Mittel können nach der Rechtsprechung des BVerfG in 2023 nicht mehr in Anspruch genommen werden. Der Nachtragshaushalt 2023 sieht daher eine Zuweisung in Höhe von 1,6 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt vor.

Formulierungshilfe für einen Notlagenbeschluss

Das Bundeskabinett schlägt dem Bundestag vor, eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, auch für das Jahr 2023 zu beschließen. Es hat eine Formulierungshilfe für einen Notlagenbeschluss nach Art. 115 Abs. 2 S. 6 und 7 des Grundgesetzes heute beschlossen. Dies wird nicht zu der Aufnahme neuer Schulden führen, sondern lediglich die bereits abgeflossenen Mittel zur Krisenbewältigung auf eine sichere Rechtsgrundlage stellen.

Unbestritten sind der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Energiepreisschock auch noch im Jahr 2023 deutlich spürbar. Auf einen Notlagenbeschluss für das Jahr 2023 hatte die Bundesregierung bislang deswegen verzichtet, weil die Rechtsprechung des BVerfG noch nicht vorlag. Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hat in 2022 zu massiven Preissteigerungen bei Gas und Strom geführt. Die Menschen und Betriebe waren in der Folge erheblichen und teilweise existenzbedrohenden Belastungen ausgesetzt. Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2022 daher eine außergewöhnliche Notsituation festgestellt und Maßnahmen, wie insbesondere die Energiepreisbremsen zur Bewältigung der Energiekrise, im WSF umgesetzt. Diese haben einen signifikanten Beitrag zur Dämpfung der Energiekrise durch Reduzierung von Unsicherheit und Stabilisierung von Kaufkraft und Erwartungen geleistet. Ein drastischer Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung konnte verhindert werden.

Die Energiekrise hat im Jahr 2023 fortgewirkt. Mit den Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Energiekrise, insbesondere der Gas- und Strompreisbremse, konnten in diesem Jahr die Folgen der Energiekrise abgemildert werden. Mit der nun geschaffenen Kreditermächtigung für den WSF Energie wird die Finanzierung dieser Maßnahmen im Jahr 2023 haushaltsrechtlich abgesichert.

Auch durch die Hochwasserkatastrophe 2021 ergibt sich insbesondere in den schwer betroffenen Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine außergewöhnliche Notsituation. Die Schadensbeseitigung in den stark betroffenen Regionen wie dem Ahrtal stellen eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage dar, die einer Finanzierung durch Umschichtung entgegenstehen.

Mit den Notlagenkrediten für den WSF Energie und für den Aufbauhilfefonds 2021 wird die reguläre Kreditobergrenze der Schuldenregel im Jahr 2023 insgesamt um 44,8 Mrd. Euro überschritten. Davon entfallen 1,6 Mrd. Euro, die Höhe der Zuführung an den Aufbauhilfefonds 2021, auf den Kernhaushalt und 43,2 Mrd. Euro auf den WSF Energie. Die Nettokreditaufnahme des Kernhaushalts beträgt 27,4 Mrd. Euro.

Weitere Änderungen Bundeshaushalt 2023

Weiterhin werden mit dem Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 2023 aktuelle einnahme- und ausgabeseitige Entwicklungen abgebildet:

  • Steuermindereinnahmen auf Basis der Steuerschätzung vom 26. Oktober 2023 (1,8 Mrd. Euro)
  • Mehreinnahmen (rd. 1,8 Mrd. Euro) und Minderausgaben (rd. 1,7 Mrd. Euro) bei Zinsen und Gewährleistungen Einzelplan 32
  • Schuldenregelneutrale Minderausgaben durch Wegfall des Darlehens an das Generationenkapital im Jahr 2023 (10 Mrd. Euro)
  • Weitere absehbare Minderausgaben als Globalposition im Einzelplan 60 (rd. 5 Mrd. Euro)
  • Zusätzliche Entnahme aus der Rücklage (rd. 3,3 Mrd. Euro)

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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