Vor dem Hintergrund der Annahme des Entwurfs eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) durch den Bundestag am 23. Februar 2024 und dessen voraussichtlicher Beratung in der Bundesratssitzung am 22. März 2024 hat sich der Hamburgische Richterverein als Interessenvertretung der hamburgischen Berufsrichterinnen und Berufsrichter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an die Frau Präses der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, Senatorin Anna Gallina, in einem offenen Brief folgenden Inhalts gewandt:
„Sehr geehrte Frau Senatorin Gallina,
das Cannabisgesetz wurde am 23. Februar 2024 vom Bundestag beschlossen. Der Deutsche Richterbund hat bereits im Gesetzgebungsverfahren erhebliche Bedenken gegen dieses Vorhaben vorgebracht. Leider blieben diese Argumente bislang ungehört.
Es ist dabei eine Sache, wenn der Gesetzgeber aus gesundheitspolitischen Gründen beschließt, einen gefährlichen Stoff wie Cannabis freizugeben, weil er der Ansicht ist, so den Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft in bessere Bahnen lenken zu können, als es bei dem gegenwärtigen Verbot von Cannabis der Fall ist.
Zu dem Für und Wider unter medizinischen und gesundheitlichen Aspekten haben sich Ärzteschaft und Suchtwissenschaft bereits verhalten.
Eine andere Sache ist es aber, wenn das dazu beschlossene Gesetz handwerklich derart schlecht ist, dass dieses Ziel mit den getroffenen Maßnahmen nicht erreicht werden wird. Auf diese rechtlichen Punkte möchte der Hamburgische Richterverein noch einmal eindringlich hinweisen.
Der illegale Schwarzmarkt wird durch die Erlaubnis, dass Erwachsene künftig Cannabis zu Hause oder in sog. Cannabis-Clubs anbauen dürfen, nicht verschwinden. Für viele Konsumenten, insbesondere Gelegenheitskonsumenten, ist beides derart hochschwellig, dass sie weiterhin auf den Schwarzmarkt zurückgreifen werden. Dies zeigt auch den grundsätzlichen Webfehler im Cannabisgesetz: Der Erwerb und Besitz von 25g bzw. 50g Cannabis wird zukünftig straffrei sein, unabhängig davon, ob das Cannabis aus einer legalen Quelle stammt oder nicht. Die Ermittlungsmöglichkeiten hingegen werden erheblich eingeschränkt.
Das Cannabisgesetz in seiner jetzigen Form ist ein Konjunkturprogramm für die organisierte Betäubungsmittelkriminalität!
Die geplante Rückwirkung der teilweisen Straffreiheit für Besitz und Anbau von Cannabis gefährdet die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz. Bereits abgeschlossene Strafverfahren müssten gesichtet werden. Hier sei daran erinnert, dass Cannabis nur deshalb zum Konsum freigegeben werden soll, weil die Freigabe in ein umfassendes Schutzkonzept (so zweifelhaft dieses auch ist) eingebettet ist. Zum Zeitpunkt der früheren Verurteilungen gab es ein solches Schutzkonzept noch nicht; dies sollte Grund genug sein, die früheren Verurteilungen aufrecht zu erhalten.
Aus diesem Grund bitten wir Sie dringlich, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Bundesrat den ganzen Einfluss unseres Bundeslandes geltend zu machen, um doch noch substantielle Änderungen zu erwirken.“
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin