Der Vorsitzende des Schöffengerichts Bad Iburg hat am Montag (14.10.2024) einen Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung des Richteramts in einem Strafverfahren gegen einen 52-jährigen rumänischen Staatsbürger wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Computerbetrugs ausgeschlossen (vergl. hierzu Terminsvorschau vom 10.10.2024).
Der Schöffe hatte zuvor auf seinem öffentlichen Account der Social Media Plattform X wiederholt ausländer-, insbesondere islamkritische Nachrichten eingestellt, auch als sog. Memes, dabei härtere Strafen und Abschiebungen gefordert und den deutschen Rechtsstaat („Gespött der Nation“) kritisiert. Nachdem die Neue Osnabrücker Zeitung darüber berichtet hatte, zeigte der Schöffe den Sachverhalt vor Beginn des Prozesses dem Vorsitzenden an.
Dieser schloss den Schöffen sodann von der Ausübung des Richteramts in diesem konkreten Fall aus. Die Selbstanzeige sei begründet, weil die von ihm angezeigten Umstände geeignet seien, einen Ablehnungsantrag gegen den Schöffen zu rechtfertigen.
Ein Richter oder Schöffe kann gemäß §§ 24 Absatz 2, 31 Strafprozessordnung abgelehnt werden, wenn der Antragsteller berechtigten Grund zur Annahme hat, dass der Richter oder Schöffe voreingenommen ist. Dabei geht es nicht darum, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder sich selbst so sieht. Entscheidend ist, ob ein vernünftiger Angeklagter in der konkreten Situation den Eindruck haben könnte, dass der Richter nicht mehr neutral und unparteiisch handeln kann.
Die sei hier, so der Vorsitzende, der Fall. Aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten wäre im konkreten Strafverfahren ein Ablehnungsgrund zu bejahen. Zwar sei es Richtern und auch Schöffen grundsätzlich nicht verwehrt, sich politisch zu äußern. Dies gelte auch, wenn die geäußerte politische Ansicht anderen nicht gefalle und sich zum Beispiel kritisch zu Migrationsthemen verhalte. Die fraglichen Social-Media-Nachrichten des Schöffen gingen aber deutlich über eine sachliche Kritik hinaus. Bei verständiger Betrachtung ließen sie eine innere Haltung des Schöffen besorgen, die befürchten lasse, er verhalte sich bei einem Angeklagten mit Migrationshintergrund und/oder mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit nicht objektiv, sondern
voreingenommen und verfolge möglicherweise das Ziel, losgelöst vom konkreten Strafverfahren, solche Angeklagten zu den höchst möglichen Strafen zu verurteilten.
Nach der Entscheidung des Vorsitzenden fand die Strafverhandlung unter Beteiligung eines Ersatzschöffen statt.
Die Entscheidung des Vorsitzenden betrifft nur das konkrete, jetzt verhandelte Strafverfahren gegen den 52-jährigen Angeklagten. Ob der Schöffe in Zukunft weiter als Schöffe tätig sein kann, ist damit nicht entschieden. Schöffen, die als ehrenamtliche Richter in Strafprozessen tätig sind, genießen ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Sie während einer laufenden Wahlperiode ihres Amtes zu entheben oder sie von der Schöffenliste zu streichen, ist deshalb nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 51, 52 Gerichtsverfassungsgesetz oder des § 44b Deutsches Richtergesetz möglich. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird derzeit geprüft.
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Strafprozessordnung (StPO)
§ 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.
§ 31 Schöffen, Urkundsbeamte
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.
(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei der großen Strafkammer und beim Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung.
Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
§ 51
(1) Ein Schöffe ist seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat.
(2) Die Entscheidung trifft ein Strafsenat des Oberlandesgerichts auf Antrag des Richters beim Amtsgericht durch Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
3) Der nach Absatz 2 Satz 1 zuständige Senat kann anordnen, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen ist. Die Anordnung ist nicht anfechtbar.
§ 52
(1) Ein Schöffe ist von der Schöffenliste zu streichen, wenn
1.
seine Unfähigkeit zum Amt eines Schöffen eintritt oder bekannt wird, oder
2.
Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorhandensein eine Berufung zum Schöffenamt nicht erfolgen soll.
(2) – (6) […]
Deutsches Richtergesetz (DRiG)
§ 44b Abberufung von ehrenamtlichen Richtern
(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt abzuberufen, wenn nachträglich in § 44a Abs. 1 bezeichnete Umstände bekannt werden.
(2) – (4) […]
§ 44a Hindernisse für Berufungen als ehrenamtliche Richter
(1) Zu dem Amt eines ehrenamtlichen Richters soll nicht berufen werden, wer
1.
gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder
2.
wegen einer Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Sinne des § 6 Abs. 4 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272) oder als diesen Mitarbeitern nach § 6 Abs. 5 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes gleichgestellte Person für das Amt eines ehrenamtlichen Richters nicht geeignet ist.
(2) […]
Stand: 16.10.2024 |