BVerfG-Beschluss vom 2. September 2025 – 2 BvR 1279/25.
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Verabschiedung eines Zustimmungsgesetzes zu den geplanten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2005 richtet.
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer machen geltend, dass die WHO aufgrund der Änderungen legislative und exekutive Gewalt erhalten solle und hierdurch die Souveränität der Mitgliedstaaten aufgehoben werde.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes ist kein tauglicher Beschwerdegegenstand. Im Übrigen ist eine Verletzung von Grundrechten nicht substantiiert dargetan.
Beim Bundesverfassungsgericht sind derzeit zahlreiche weitere, nahezu identische Verfassungsbeschwerden anhängig.
Sachverhalt:
Im Dezember 2021 einigten sich die Mitgliedstaaten der WHO auf den Beginn des Prozesses der Ausarbeitung und Aushandlung eines Übereinkommens, einer Vereinbarung oder eines anderen internationalen Instruments zur Stärkung der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion. In diesem Zusammenhang sollten auch die Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005 überarbeitet werden. Die 77. Weltgesundheitsversammlung der WHO nahm am 1. Juni 2024 Änderungsvorschläge zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften an. Die Änderungsvorschläge sollen es der WHO und den Mitgliedstaaten ermöglichen, schneller und effizienter auf Gefahren für die öffentliche Gesundheit zu reagieren und hierdurch die Bevölkerung zu schützen. Die Änderungen werden am 19. September 2025 in Kraft treten.
Mit Schreiben vom 15. August 2025 übersandte der Bundeskanzler dem Bundesrat den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass die WHO und ihr Generaldirektor legislative und exekutive Gewalt erhalten solle. Die Bundesrepublik Deutschland würde dadurch ihre Souveränität aufgeben.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, sie richtet sich nicht gegen einen tauglichen Beschwerdegegenstand.
1. Zwar können Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen angesichts der völkerrechtlichen Bindung, die mit der Ratifikation eintritt, schon vor ihrem Inkrafttreten vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden. Die zu überprüfende Norm muss jedoch bereits erlassen sein. Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde erst ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung angegriffen werden. Dies setzt voraus, dass sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befasst haben. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde war dies nicht der Fall.
2. Überdies genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Substantiierungsanforderungen. Insbesondere soweit die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer eine Verletzung der Verfassungsidentität und ihres Wahlrechts infolge einer beabsichtigten Hoheitsrechtsübertragung rügen, zeigen sie nicht auf, dass das Zustimmungsgesetz auf eine mit den Vorgaben des Grundgesetzes unvereinbare Hoheitsrechtsübertragung abzielt.
Quelle: BVerfG-Pressemitteilung Nr. 80/2025 vom 5. September 2025