Die Vorschriften der nordrhein-westfälischen Ersatzschulverordnung (ESchVO), durch die mit Wirkung zum 1. August 2020 die Bestimmungen für die Feststellung der Eignung von Lehrkräften an den Ersatzschulen des Landes neu gefasst worden sind, sind in wesentlichen Teilen unwirksam. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entschieden.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes (SchulG NRW) ist die Ausübung der Tätigkeit als Lehrkraft an einer Ersatzschule genehmigungsbedürftig. Damit füllt das Landesrecht den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG enthaltenen Vorbehalt aus, dass die Ersatzschulen in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen dürfen. Die in diesem Zusammenhang erlassene Ersatzschulverordnung sieht in § 7 ESchVO ein Feststellungsverfahren vor, in dessen Verlauf die Lehrkraftbewerber ihre Eignung gegenüber der oberen Schulaufsichtsbehörde unter anderem durch schriftliche Arbeiten, unterrichtspraktische Prüfungen, Kolloquien und mündliche Prüfungen nachweisen müssen. § 9 ESchVO enthält Sonderregelungen für die Unterrichtsgenehmigung für Lehrkräfte in Waldorfschulen.
Den von zwei Trägern freier Waldorfschulen und zwei Lehrern an einer Privatschule mit waldorfpädagogischem Hintergrund gegen § 7 und einzelne Regelungen des § 9 ESchVO gerichteten Normenkontrollantrag hat das Oberverwaltungsgericht Münster abgelehnt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der von den Antragstellern gegen das Normenkontrollurteil eingelegten Revision größtenteils stattgegeben und § 7 ESchVO sowie § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 und § 9 Abs. 8 und 9 ESchVO wegen Verstoßes gegen Bundesrecht für unwirksam erklärt. Nicht zu beanstanden ist dagegen § 9 Abs. 7 ESchVO. Insoweit ist die Revision erfolglos geblieben.
Zwar verletzt § 7 ESchVO nicht das Grundrecht der Ersatzschulträger aus Art. 7 Abs. 4 GG. Mit dem Feststellungsverfahren überschreitet das Landesrecht nicht den Regelungsspielraum, der ihm zur konkretisierenden Ausfüllung des Vorbehalts aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zusteht. Jedoch handelt es sich bei dem Feststellungsverfahren – entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts – um ein berufseröffnendes Prüfungsverfahren, das an Art. 12 GG zu messen ist. Im Hinblick hierauf fehlen in § 7 ESchVO wesentliche Ausgestaltungsmerkmale, die auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG in einem solchen Prüfungsverfahren normativ geregelt sein müssten, insbesondere Regelungen über die Qualifikation, die Bestellung und die Anzahl der Prüfer. Die auf § 7 ESchVO bezogenen Regelungen in § 9 Abs. 8 und Abs. 9 ESchVO teilen das Schicksal der Unwirksamkeit mit ihrer Bezugsnorm.
Die die Ausbildung als Klassenlehrer bis Klasse 8 an waldorfeigenen Ausbildungsinstituten betreffenden Sätze 2 bis 6 in § 9 Abs. 2 ESchVO beschränken in ihrer Regelungsdichte in unzulässiger Weise die in Art. 7 Abs. 4 GG verankerte Freiheit der Privatschulen zur Auswahl ihres Lehrpersonals. Nicht verletzt wird die Privatschulfreiheit durch § 9 Abs. 7 ESchVO, der eine Unterrichtsgenehmigung für Waldorflehrkräfte in Fächern, die im entsprechenden öffentlichen Schulsystem nicht unterrichtet werden (sog. waldorfspezifische Fächer), an einleuchtende Mindestvoraussetzungen in pädagogischer Hinsicht knüpft.
BVerwG 6 CN 1.24 – Urteil vom 01. Oktober 2025
Vorinstanz:
OVG Münster, OVG 19 D 269/21.NE – Urteil vom 22. November 2023 –