„Dammbruch bei europäischem Vorsorgeprinzip droht“.
Hannover. Auf eine gemeinsame Position zur Neuregulierung Neuer Gentechnik (NGT) haben sich jetzt der Ministerrat, das Europaparlament und die EU-Kommission in einer Trilog-Runde in Brüssel geeinigt. Bisher vom Parlament vorgesehene Änderungen bei Kennzeichnung und Patenten wurden aufgegeben.
Die Ergebnisse des Trilogs kommentiert die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte:
„Mit dem Verhandlungsergebnis droht ein Dammbruch beim europäischen Vorsorgeprinzip. Dies schadet der europäischen Landwirtschaft insgesamt und untergräbt das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die hohen Standards bei unserer Lebensmittelsicherheit. Das proklamierte Ziel der Verfechter, mit neuen Formen der Gentechnik Klimaanpassungen zu beschleunigen, ist vorgeschoben und unrealistisch. Hier geht es vielmehr darum, mit Patenten die Interessen von nicht-europäischen Konzernen zu stärken.
Wenn die Beschlüsse so umgesetzt werden, landen künftig Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen im Supermarktregal, die nicht gekennzeichnet sind. Doch ohne eine klare Deklarierung – und zwar vom Acker bis zum Teller – gibt es keine Wahlfreiheit mehr.
Ein großes Problem zeichnet sich auch beim künftigen Umgang mit Patenten ab. Wenn die Patentierung der genveränderten Organismen nun ermöglicht wird, gibt es das große Risiko der Monopolbildung und der Reduzierung des Saatgutangebots. Hier muss es doch in unserem Interesse sein, dass nicht wenige große Konzerne über die Patente verfügen, sondern die vielen kleinen und mittelständischen Züchtungsunternehmen in Niedersachsen weiterhin den freien Zugang zum Saatgut haben.
Mein Fazit: Aus Umwelt- und Verbraucherschutzsicht ist eine strenge Regulierung des Umgangs mit der Neuen Gentechnik in der Landwirtschaft unbedingt notwendig. Sich nun für das Gegenteil – also eine Deregulierung – zu entscheiden, ist unverantwortlich!“
Hintergrund:
Das Vorsorgeprinzip fördert eine vorausschauende, risikomindernde Politik, bei der Schutz und Sicherheit Vorrang vor kurzfristigen wirtschaftlichen oder technologischen Interessen haben. Im Gegensatz dazu steht z. B. der US-amerikanische Ansatz, der Schäden nach Eintritt mit hohen Entschädigungszahlungen versucht zu reglementieren.
Die Europäische Kommission hat am 5. Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung über mit bestimmten neuen genomischen Techniken (NGT) gewonnene Pflanzen und daraus hergestellten Lebens- und Futtermitteln vorgestellt [COM(2023) 411 final]. Das EU-Parlament hatte bislang den Kommissionsvorschlag abgeändert und Kennzeichnungspflicht und Schutz vor Patenten vorgesehen. In Trilog-Verhandlungen haben sich nun Ministerrat, Europaparlament und EU-Kommission in Brüssel auf eine gemeinsame Position geeinigt, die vorsieht, die bisherigen Vorbehalte des Parlaments aufzuheben. Die Entscheidung muss anschließend vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat bestätigt werden.
