Konsequenzen aus dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt – Beschluss der SPD – Bundestagsfraktion vom 12. Januar 2017.

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Der furchtbare Anschlag am 19. Dezember 2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz war auch ein Angriff auf unsere Art zu leben, unsere Freiheit und unsere westlichen Werte. Er zielte auf das Fundament, auf dem unsere freiheitliche und offene Gesellschaft steht.

Terroristische Attentäter wollen ein Klima der Angst und Bedrohung schaffen und unsere Gesellschaft einschüchtern. Der Rechtsstaat muss diesen Bedrohungen entschlossen, aber besonnen entgegentreten. Dabei beginnen wir nicht bei null. Auch in dieser Wahlperiode haben wir wichtige Gesetzesänderungen und verschärfte Sicherheitsmaßnahmen beschlossen.

Der Fall Amri zeigt, dass weitere Konsequenzen notwendig sind.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist dagegen, auf die aktuelle Lage ausschließlich mit verschärften Sicherheitsgesetzen zu reagieren. Wir haben einen umfassenderen Ansatz: Sicherheit und Gerechtigkeit gehören zusammen. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Sicherheit. Und es gibt keine Sicherheit ohne Gerechtigkeit. Nur reiche Menschen können sich einen schwachen Staat leisten. Wir wollen einen starken Staat, der den Schutzanspruch für alle Bürger durchsetzt. Und wir wollen Gerechtigkeit für alle Bürger.

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt deshalb eine Querschnittsarbeitsgruppe „Öffentliche Sicherheit und Prävention“ ein. Wir wollen eine Offensive gegen den Islamismus und Salafismus mit mehr Prävention verbinden.

Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundesinnenminister de Maizière haben sich am 10. Januar 2017 auf einige Maßnahmen geeinigt. Diese begrüßen wir als SPD-Bundestagsfraktion ausdrücklich.

Folgende Maßnahmen wollen wir möglichst bald im parlamentarischen Verfahren umsetzen:

Konsequente Abschiebung ausreisepflichtiger Gefährder

1.

Vollziehbar ausreisepflichtige Gefährder müssen so schnell wie möglich abgeschoben werden.

Um die Abschiebung zu sichern, müssen sie gegebenenfalls in

Abschiebehaft genommen werden.

Wir stellen rechtlich klar, dass Abschiebehaft dann möglich ist, wenn von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr ausgeht.

2.

Abschiebungen dürfen künftig nicht mehr an rein bürokratischen Hindernissen wie der fehlenden Mitwirkung der Herkunftsländer scheitern.

Wir regeln die Gefährderhaft neu und erleichtern sie. Wir schärfen die Rechtsgrundlage und sorgen dafür, dass die Abschiebehaft – die bereits jetzt bis zu 18 Monaten verhängt werden kann – auch dann angeordnet werden kann, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, weil der Herkunftsstaat die Papiere für den Abzuschiebenden nicht beibringt.

Wenn wir dazu beitragen wollen, dass die Akzeptanz für Zuwanderung erhalten bleibt, müssen wir unser Aufenthaltsrecht durchsetzen.

3.

Die Bundesregierung muss zudem die Herkunftsländer stärker in die Pflicht nehmen, mit denen wirksame Rücknahmeabkommen geschlossen werden.

Hier ist vor allem der Bundesinnenminister am Zug.

Dazu muss auch politischer und wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden.

4.

Um den Vollzug der Abschiebung jenseits der Abschiebehaft zu sichern,

verlängern wir den Ausreisegewahrsam auf zehn Tage.

5.

Eine präzise gesetzliche Definition von Gefährdern halten wir für sinnvoll.

Behörden besser ausstatten

Wir brauchen personell deutlich stärker ausgestattete Sicherheitsbehörden, die in der Lage sind, das größtmögliche Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Eine gute Polizei braucht zudem die beste Ausbildung und moderne Ausrüstung. Nur so können die Sicherheitsbehörden optimal auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheits, den Ausländer- und den Sozialbehörden muss noch weiter verbessert werden.

Umgang mit nicht-ausreisepflichtigen Gefährdern

1.

Gefährder und bereits verurteilte Extremisten müssen besonders im Blick behalten werden. Wir werden die „elektronische Fußfessel“ nach der Haft grundsätzlich bei solchen extremistischen Straftätern einführen, die wegen schwerer Vergehen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Terrorismusfinanzierung oder der Unterstützung terroristischer Vereinigungen verurteilt wurden.

2.

Die Fußfessel soll auch für Gefährder, bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr gewichtiger Rechtsgüter vorliegen, auch vor einer möglichen Verurteilung zum Einsatz kommen. Dazu schaffen wir die notwendigen gesetzlichen Grundlagen.

3.

Neben einer Regelung zur Ausweitung der Videoüberwachung an privaten Orten wie Fußballstadien und Einkaufszentren, die demnächst ins parlamentarische Verfahren kommen wird, werden wir zudem die Überwachung mit Kameras auch von besonders gefährdeten öffentlichen Plätzen verstärken.

Diese können für ein höheres Sicherheitsgefühl sorgen und bei der Aufklärung helfen.

Keine Toleranz für Identitätsverschleierungen im Asylverfahren

Bereits jetzt können im Rahmen eines beschleunigten Asylverfahrens

Flüchtlinge, die bei der Klärung über ihre Identität nicht mitwirken, verpflichtet werden, bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag bzw. in bestimmten Fällen bis zur Ausreise in einer besonderen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.

Künftig müssen die Behörden in Fällen der Identitätstäuschung eine Residenzpflicht anordnen können, bis die Identität festgestellt ist.

Prävention

Wir setzen auf eine Kombination aus vorbeugenden Maßnahmen,

gesellschaftlichem Zusammenhalt und Stärkung von Polizei, Nachrichtendiensten und Justiz – und konsequenter Ahndung von Gesetzesverstößen.

Besonders wichtig ist es, Radikalisierungen präventiv im Vorfeld

zu verhindern. Wir müssen extremistische islamistische Moscheen schließen und ihre Finanzierung von vornherein unterbinden.

Die Zusammenarbeit mit friedlichen Moscheegemeinden wollen wir deutlich ausbauen.

Wir wollen mehr Jugendarbeit in Flüchtlingsunterkünften ermöglichen und in den sozialen Netzwerken gegen ideologische Propaganda europaweit eine Gegenoffensive starten.

Die Prävention wollen wir ausweiten und verstetigen. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir die Mittel im Bundesprogramm Demokratie leben! auf über 100 Mio. Euro mehr als verdreifacht.

Dieses Präventionsprogramm des Bundes fördert besonders kommunale, regionale aber auch überregionale Projekte, die sich in der Demokratieförderung und der Extremismusprävention engagieren, und bildet einen wichtigen Beitrag gegen Extremismus und für mehr Integration der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in unserem Land.

Diesen Weg der aktiven Prävention werden wir weiter verfolgen. Bestehende Projekte müssen bundesweit besser koordiniert und verzahnt werden. Darum werden wir mit einem Demokratiefördergesetz des Bundes die Strukturen der Präventionsarbeit langfristig sichern und damit Nachhaltigkeit in der wichtigen Arbeit gegen Extremismus und Radikalisierung sichern.

Zusätzlich sind auch die Maßnahmen und Angebote, zur Berufsausbildung und zur beruflichen Integration einer großen Zahl junger Migrantinnen und Migranten im engen Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen mit der Wirtschaft auszubauen.

Wir brauchen hierzu über die bisherigen Anstrengungen hinaus ein umfassendes erweitertes Konzept für das nächste Jahrzehnt, um einen Einstieg und Brücken in die Verhaltens-, Lern- und Arbeitskultur in unserem Land zu schaffen. Dabei ist klar: Bildung und Arbeit und geregeltes Einkommen können keine Garantie gegen Frustration, politische Radikalität und Kriminalität sein. Sie geben aber ohne Zweifel vielen jungen Migrantinnen und Migranten eine Perspektive, die sie für ihre Leben dringen brauchen.

Bessere Zusammenarbeit der Behörden in Europa

Auch innerhalb der Europäischen Union müssen wir die Zusammenarbeit der Sicherheits-, Ausländer- und Justizbehörden weiter intensivieren.

Zu diesem Zweck sollte nach dem Vorbild des „Gemeinsamen

Terrorismusabwehrzentrums“ in Deutschland ein Anti-Terrorzentrum auf europäischer Ebene errichtet werden, in dem ein koordinierter und regelmäßiger Austausch der Sicherheitsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten stattfindet. Die vorhandenen Datenbanken wie EuroDac müssen zwingend von allen genutzt, gepflegt und sinnvoll mit einander vernetzt werden. Hier gilt es, relevante Informationen zusammenzutragen, auszutauschen und gemeinsam zu analysieren.

Zudem muss auch zur besseren Identifizierung zum Zweck der Rückführung auf EuroDac zugegriffen werden können.

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