Amtsgericht Mitte: erneute Räumungsklage gegen eine Mieterin der Habersaathstraße bleibt ohne Erfolg.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat mit seinem heutigen Urteil die auf eine erneute Verwertungskündigung gestützte Räumungsklage der Vermieterin gegen eine Mieterin des Wohngebäudekomplexes Habersaathstraße 40-48 abgewiesen und die Vermieterin auf die Widerklage der Mieterin hin verurteilt, die Funktionsfähigkeit der in der Wohnung der Mieterhin installierten Heizkörper wiederherzustellen.

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2018 Eigentümerin und Vermieterin des Wohngebäudekomplexes Habersaathstraße 40-48, das im Jahr 1984 errichtet wurde und zunächst als Schwesternwohnheim der Charité diente. Die Beklagte ist seit dem Jahr 1998 Mieterin einer in dem Gebäudekomplex gelegenen 2-Zimmer-Wohnung.

Die Klägerin plant nach Abriss des Bestandsgebäudes die Neuerrichtung eines Wohngebäudes u.a. mit einer voraussichtlichen Anzahl von 111 Wohnungen, 3 Ladeneinheiten und 45 Tiefgaragenplätzen. Die hierfür erforderliche Baugenehmigung ist der Klägerin erteilt worden. Die Klägerin verfügt ferner über eine zeitlich befristete Abrissgenehmigung u.a. für die von der Beklagten bewohnte Wohnung.

Nachdem eine frühere Räumungsklage der Klägerin gegen die Beklagte wegen einer im Jahr 2022 ausgesprochenen Verwertungskündigung in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben war, kündigte die Klägerin im Oktober 2024 das Mietverhältnis mit der Beklagten erneut. Zur Begründung führte die Klägerin aus, das Mietverhältnis stehe dem Abriss und Neubau nebst anschließendem Verkauf als einzig wirtschaftlich vertretbarer Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks entgegen. Zugleich bot sie der Beklagten den Abschluss eines unbefristeten Wohnungsmietvertrages in einem anderen Objekt an.

Die von der Beklagten bewohnte Wohnung wurde bis Anfang November 2025 mit Fernwärme versorgt. Seitdem werden die in der Wohnung installierten Heizkörper bei geöffnetem Thermostatventil nicht mehr warm. Der Vertrag zwischen der Klägerin und dem bisherigen Fernwärmeversorger war zum 31.10.2025 ausgelaufen. Die Klägerin stellte der Beklagten als Ersatz für die Versorgung mit Fernwärme elektrische Heizradiatoren zur Verfügung.

Nach Ansicht des Amtsgerichts ist die erneut ausgesprochene Verwertungskündigung nicht wirksam. Der Klägerin entstehe durch den Fortbestand des Mietverhältnisses kein erheblicher Nachteil. Bei der Abwägung zwischen dem Bestandinteresse der Beklagten und dem Verwertungsinteresse der Klägerin sei mit ganz erheblichem Gewicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Objekt in Kenntnis der Beklagten und der eingeschränkten Möglichkeiten zur Änderung oder gar Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse erworben habe. Die geplante Verwertung mit der weiterhin angestrebten Rendite sei von vorneherein ein hochriskantes und im Rahmen der Abwägung damit weniger schutzwürdiges Geschäfts gewesen. Der Klägerin hätte es oblegen, sich vor dem Erwerb – wie marktüblich – im Rahmen einer sachgerechten Due Diligence ein hinreichendes Bild von den baulichen Verhältnissen zu machen. Auch hätte es ihr oblegen die nicht fernliegende Möglichkeit des Fortbestandes der Mietverhältnisse wirtschaftlich sinnvoll zu kalkulieren. Dass sich der Erwerb nunmehr als Fehlkalkulation herausstelle, könne nicht zu Lasten der Mieter gehen.

Ein den Abriss rechtfertigender Erneuerungsbedarf des Gebäudes insgesamt sei – so das Amtsgericht weiter – nicht dargetan. Es sei der Klägerin auch unter Erhalt der Bausubstanz mit vertretbarem Aufwand möglich, die Wohnung in einen Zustand zu versetzen, der einer angemessen Wohnraumversorgung entspreche. Eine angemessene Wohnraumversorgung sei nicht gleichzusetzen mit dem heutigem Komfort und Stand der (Neubau-)Technik. Vielmehr meine der Begriff die Versorgung mit nach Größe, Ausstattung und Miete für breite Schichten der Bevölkerung geeigneten Wohnraum. Ausreichend sei ein mangelfreier Durchschnittszustand. Soweit hierfür Modernisierungsmaßnahmen erforderlich seien, könnten die dabei entstehenden Kosten in den gesetzlichen Grenzen auf die Mieter umgelegt werden.

Die Funktionslosigkeit der Heizkörper in der Wohnung stelle einen Mangel der Wohnung dar, weil die Wohnung mit funktionierenden Heizkörpern vermietet worden sei. Dies stelle den von der Klägerin geschuldeten Soll-Zustand dar. Die gestellten Elektroheizkörper würden keinen geeigneten Ersatz für eine ordnungsgemäße Fernwärmeversorgung darstellen. Der Dauerbetrieb von Elektroheizkörpern führe zu unverhältnismäßig hohen Stromkosten und verbrauche zusätzlichen Platz in der Wohnung. Ein unbilliger Kontrahierungszwang mit dem bisherigen Fernwärmeversorger treffe die Klägerin nicht. Es bleibe ihr überlassen, wie sie den Betrieb der in der streitgegenständlichen Wohnung befindlichen Heizkörper sicherstelle.

Beim Amtsgericht Mitte sind derzeit noch vier weitere Räumungsklagen anhängig, die denselben Gebäudekomplex und ebenfalls auf Verwertungskündigungen gestützt werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat hiergegen binnen eines Monats ab Zustellung des Urteils Berufung zum Landgericht Berlin II einlegen.

Maßgebliche Vorschriften

§ 573 BGB – Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

(…)

3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(…)

§ 535 – Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. (…)

Amtsgericht Mitte, Urteil vom 03. Dezember 2025, Aktenzeichen 9 C 5083/25

Pressemitteilung Nr. 40/2025 vom 3. Dezember 2025

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*