Anklage wegen Verdachts der Falschaussage im „Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss“.

Wegen des Verdachts der Falschaussage im sog. „Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss“ hat die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den ehemaligen Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Andreas Scheuer und den früheren parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerhard Schulz Anklage zum Landgericht Berlin I erhoben.

Am 18. Juni 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-591/17), dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen EU-Recht verstoßen habe, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen habe. Das Projekt konnte daher in der ursprünglich vorgesehenen Form nicht durchgeführt werden. Die bereits 2018 abgeschlossenen Verträge mit den Firmen CTS Eventim und Kapsch TrafficCom mit einer Laufzeit von zwölf Jahren und einem Gesamtvolumen von etwa zwei Milliarden Euro zur Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut kündigte das Bundesverkehrsministerium noch am selben Tag.

Dies führte zu Schadensersatzforderungen der Betreiber gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen eines späteren Vergleichs zur Beilegung dieser Rechtsstreitigkeiten verpflichtete sich die Bundesrepublik zur Zahlung von 243 Millionen Euro.

Die Frage, ob dies hätte vermieden werden können – beispielsweise dadurch, dass man vor einem verbindlichen Vertragsschluss zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewartet hätte – beschäftigte in der Folgezeit auch den „2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages“ (sog. „Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss“).

Zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 28. Januar 2021 sind die beiden Angeschuldigten daher mehrfach vor diesem Untersuchungsausschuss zu den Abläufen der Vertragsverhandlungen mit den Betreiberfirmen befragt worden. Als damals amtierender Bundesminister für Verkehr bzw. als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium waren beide Angeschuldigte in die Verhandlungen mit den Maut-Betreibern persönlich eingebunden.

Auf die im Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss gestellten Fragen Abgeordneter, ob seitens der Betreiber bei einem Treffen am 29. November 2018 angeboten worden sei, die Verträge erst nach der EuGH-Entscheidung zu unterzeichnen, sollen beide Angeschuldigte entgegen ihrer tatsächlichen Erinnerung angegeben haben, sich an ein solches Verschiebungsangebot nicht erinnern zu können. Laut Anklage soll es sich dabei um bewusste Falschaussagen handeln.

Die beiden Angeschuldigten bestreiten den Tatvorwurf.

Die Erhebung der Anklage zum Landgericht Berlin I erfolgte aufgrund der sich aus dem Verfahrensgegenstand und der Position der Angeschuldigten ergebenden besonderen Bedeutung der Sache.

§ 153 Strafgesetzbuch: Falsche uneidliche Aussage

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 162 Strafgesetzbuch: Internationale Gerichte; nationale Untersuchungsausschüsse

(1) Die §§ 153 bis 161 sind auch auf falsche Angaben in einem Verfahren vor einem internationalen Gericht, das durch einen für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Rechtsakt errichtet worden ist, anzuwenden.

(2) Die §§ 153 und 157 bis 160, soweit sie sich auf falsche uneidliche Aussagen beziehen, sind auch auf falsche Angaben vor einem Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes anzuwenden.

§ 74 Gerichtsverfassungsgesetz

  • 1Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören.
  •  2Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt.

(2)-(3) (…)

§ 24 Gerichtsverfassungsgesetz

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1. die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den

§§ 120 oder 120b begründet ist,

2. im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder

3. die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit nach Satz 1 Nummer 3 liegt insbesondere vor, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für den Verletzten mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, und deshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollten.

(2) (…)

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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