Antrag stellt Verbrechen der Colonia Dignidad in den Mittelpunkt.

Die Verbrechen der Colonia Dignidad in Chile sollen aufgearbeitet werden, das fordern Abgeordnete der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen Antrag (18/12943), über den der Bundestag am Donnerstag, 29. Juni 2017, ab 23.35 Uhr debattiert und anschließend entscheidet. Das gilt auch für einen zweiten überfraktionellen Antrag (18/11805), in dem 92 Abgeordnete von Linksfraktion, Bündnis 90/Die Grünen sowie die SPD-Abgeordnete Ulli Nissen „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer“ fordern. Für die Debatte ist ein halbe Stunde eingeplant.

Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.

Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen 

Die Koalition und die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, mit dem chilenischen Staat bei der umfassenden Aufklärung der Geschehnisse
auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad sowie der von deren Führungsriege verübten Verbrechen zusammenzuarbeiten und die ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die strafrechtlichen
Ermittlungen in Deutschland und in Chile voranzutreibe.

Im Wege der deutsch-chilenischen Zusammenarbeit und im Rahmen einer
gemeinsam zu erarbeitenden, verbindlichen und institutionalisierten Kooperationsstrategie solle auf Regierungs- und Parlamentsebene die historische
Aufarbeitung der Vergangenheit der Colonia Dignidad vorangebracht werden. Eine gemeinsam einzusetzende Expertenkommission solle den Sachstand erheben und konkrete Aufarbeitungsmaßnahmen erarbeiten.
erarbeiten;

Überfraktioneller Antrag

Bei der Colonia Dignidad handelte es sich um das geschlossene Lager einer deutschen Sekte in Chile, in dem es jahrzehntelang zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen war. Die Unterzeichner des zweiten Antrags wollen einen Bundestagsbeschluss herbeiführen, der sich zu einer deutschen Mitschuld an den dort begangenen Verbrechen bekennt und mehr deutsches Engagement bei der Aufarbeitung der Geschehnisse und der Hilfe für die Opfer fordert. „Pflichtverstöße, Versäumnisse und mangelnde Gewissenhaftigkeit von Verwaltungsbeamten und Diplomaten, Staatsanwälten und Richtern sowie die fehlende Entschlossenheit von deutschen und chilenischen Parlamentariern“ hätten dazu beigetragen, heißt es darin, dass in der Colonia Dignidad „Frauen und Männer, Kinder und Erwachsene, Chilenen und Deutsche gefoltert, ermordet, missbraucht, vergiftet, gequält und ausgebeutet wurden“.

Die von der Bundesregierung bis 2013 geleisteten Hilfsmaßnahmen für die Bewohner der Colonia Dignidad seien „nicht immer ausreichend oder bedarfsgerecht“ gewesen, schreiben die Antragsteller weiter, und hätten auch „nicht alle, die einen moralischen Anspruch auf Hilfe haben“, erfasst. Sie fordern daher die „rückhaltlose Aufklärung der Geschehnisse“ in Zusammenarbeit mit dem chilenischen Staat und die gemeinsame Errichtung und Unterhaltung einer Begegnungs- und Gedenkstätte auf dem Gelände. Die früheren Mitgliedern der Colonia Dignidad und die Angehörigen der Verschwundenen sollten bei der Aufarbeitung unterstützt werden, „Unterstützung bei der Klärung ihrer rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Situation“ bekommen und weitere Hilfen, darunter auch für die Rückkehr nach Deutschland, erhalten. (sas/28.06.2017)

Menschenrechtsverletzungen in der früheren „Colonia Dignidad“ in Chile umfassend aufarbeiten.

Erklärung des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand:

„Die Aufarbeitung der von der Sekte um den Deutschen Paul Schäfer in der Colonia Dignidad in Chile verübten Verbrechen ist das Ziel des interfraktionellen Antrages, den wir auf der Zielgeraden der 18. Wahlperiode am Donnerstag im Plenum des Deutschen Bundestages beraten werden.

‚Colonia Dignidad – Kolonie der Würde‘ – dieser zynische Name, den die Täter für diesen brutalen Ort wählten, steht für die Verhöhnung des unermesslichen Leids, das den Opfern dort seit Beginn der 1960er Jahre über Jahrzehnte hinweg zugefügt wurde.

Der interfraktionelle Antrag fordert einen ‚Dreiklang an Maßnahmen‘: konkrete Hilfe und Unterstützung für die Opfer sowie die entschlossene historische und juristische Aufarbeitung der Verbrechen. Dabei steht die konkrete Hilfe für die Opfer der Sekte für uns eindeutig im Vordergrund der dringend notwendigen einzuleitenden Schritte. Deshalb fordern wir die Bundesregierung unter anderem dazu auf, bis zum 30. Juni 2018 ein Konzept für Hilfsleistungen vorzulegen.“

Hintergrund: In der „Sociedad Benefactora y Educacional Dignidad“, der Colonia Dignidad (CD), 350 km südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile, wurden über Jahrzehnte hinweg systematisch schwerste Menschenrechtsverletzungen – wie Kindesmissbrauch, Freiheitsberaubung, Verschwindenlassen, Zwangsarbeit und Sklaverei, Folter und medizinische Zwangsmedikation – durch die vom Deutschen Paul Schäfer gegründete Sekte während der Militärdiktatur Pinochets (1973 – 1990) zum Teil zusammen mit dem chilenischen Geheimdienst Dirección Nacional de Inteligencia (DINA) begangen.

Der Bundesaußenminister hat in seiner Rede am 26. April 2016 betont, dass sich das Auswärtige Amt zu einer moralischen Mitverantwortung gegenüber den Opfern der Verbrechen der sogenannten „Colonia Dignidad“ bekennt. Die Bundesregierung hat im Jahr 2016 die Akten des Auswärtigen Amtes in dieser Angelegenheit statt nach 30 bereits nach 20 Jahren zugänglich gemacht und damit selbstkritisch der Öffentlichkeit in umfassender Weise Einblick ermöglicht. Die Aufarbeitung wurde danach auf hoher politischer Ebene vorangetrieben. U.a. wurde der chilenischen Regierung die Einsetzung einer chilenisch-deutschen Kommission zur Aufarbeitung der „Colonia Dignidad“ und Integration der Opfer in die chilenische Gesellschaft vorgeschlagen.

Ich habe solche Straftaten nicht vollbracht

Was geschah wirklich in der „Colonia Dignidad“ in Chile?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*