Auf dem Tempelhofer Feld – gilt die Straßenverkehrsordnung?

Das Tempelhofer Feld (ehemaliger Flughafen Tempelhof in Berlin, auf dem während der Berlin-Blockade die sog. Rosinenbomber landeten) ist ein beliebter Ort, um Freizeitaktivitäten zu entfalten. Das Gelände wird u.a. von Joggern, Inline-Skatern, Fahrradfahrern und Fußgängern genutzt. Der 22. Zivilsenat des Kammergerichts entschied nun durch Urteil vom 14. September 2017, dass auf dem Tempelhofer Feld einige Vorschriften der Straßenverkehrsordnung anzuwenden seien, ähnlich wie auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen.

Hintergrund des Urteils II. Instanz ist ein Unfall, der sich am 17. März 2015 auf dem Tempelhofer Feld zugetragen hat. Der Kläger fuhr an jenem Tag mit seinem Fahrrad auf einer etwa 10 – 15 Meter breiten Außenbahn des ehemaligen Flugplatzes, die um die ehemaligen Start- und Landebahnen herumführt. In der Mitte dieser Außenbahn fuhr auch eine Gruppe von Kindern im Alter von acht bis vierzehn Jahren mit Kettcars nebeneinander. Das ganz rechte Kettcar, das vier Personen Platz bot, wurde von einem Kind gelenkt; hinten rechts saß der Betreuer der Gruppe. In der Folge kam es zu einem Zusammenstoß dieses Kettcars mit dem von hinten herannahenden Kläger, der dadurch über den Lenker seines Fahrrads fiel. Die weiteren Umstände des Unfalls sind zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger erlitt bei dem Unfall Frakturen (Brüche) im linken Ellenbogen und an dem Mittelhandknochen einer Hand. Erstinstanzlich hat der Kläger vor dem Landgericht Berlin Klage gegen den Arbeitgeber des Betreuers der Gruppe erhoben. Der Kläger begehrte ein Schmerzensgeld, dessen Höhe er mit 7.000,00 € bis 13.000,00 € als angemessen ansah und dessen endgültige Höhe das Gericht festlegen sollte, und die Feststellung, dass die Beklagte für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 17. März einzustehen habe. Der Kläger hat behauptet, dass das Kettcar, mit dem er zusammengestoßen ist, wie auch die anderen Kettcars plötzlich und für ihn, den Kläger, unvorhersehbar, schräg nach rechts ausgeschert sei. Der von ihm eingehaltene Sicherheitsabstand von fünf bis sieben Metern sei dadurch aufgebraucht worden. Das Landgericht Berlin hat eine Beweisaufnahme durchgeführt und den Betreuer der Gruppe als Zeugen vernommen. Das Landgericht hat die Klage danach abgewiesen, da sich nicht habe feststellen lassen, dass ein Fehlverhalten des Betreuers und Mitarbeiters des Beklagten vorgelegen habe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ergänzend behauptet, der Betreuer habe den Kläger wahrgenommen und trotzdem das Kommando gegeben: „und jetzt alle nach rechts“, woraufhin der Fahrer das Kommando wiederholt habe und alle Kettcars ungefähr in einem Winkel von 45° nach rechts gefahren seien.

Das Kammergericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dem Betreuer sei nicht vorzuwerfen, dass er den Kindern gestattet habe, mit den Kettcars auf der Außenbahn des Tempelhofer Feldes zu fahren. Das Gelände sei für den öffentlichen Straßenverkehr geöffnet. Insoweit komme es weder auf die Eigentumsverhältnisse noch auf eine Straßenwidmung an. Maßgeblich sei vielmehr, dass das Tempelhofer Feld während der Öffnungszeiten allgemein zugänglich gemacht worden sei.

Kettcars müssten sich auf einer regulären Straße an die für Fußgänger geltenden Vorschriften der Straßenverkehrsordnung halten, d.h. innerhalb geschlossener Ortschaften den rechten Fahrbahnrand nutzen. Diese Vorschrift sei auf dem ehemaligen Flughafengelände jedoch nicht anzuwenden, denn es sei nicht jeder Verkehr zugelassen und die Fläche diene nicht dem fließenden Verkehr, sondern der Freizeitgestaltung. Die Verkehrsteilnehmer müssten allerdings die Grundregel der Straßenverkehrsordnung einhalten, nämlich stets Vorsicht und gegenseitige Rücksicht walten lassen und andere nicht gefährden.

Es sei nicht davon auszugehen, dass der Betreuer diese Grundregel verletzt habe. Der Zeuge habe den Verlauf des Unfalls so, wie vom Kläger behauptet, in seiner Vernehmung nicht bestätigt. Er habe ausgesagt, dass er nur den Lenker des Kettcars, das mit dem Kläger zusammengestoßen ist, angewiesen habe, nach rechts zu lenken, um einem links fahrenden Kettcar auszuweichen. Das sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe mit einer solchen Reaktion rechnen müssen, denn bei Gruppenfahrten sei zu erwarten, dass einzelne Fahrzeuge ihre Spur verändern.

Gegen das Urteil des Kammergerichts ist die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen worden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wäre nur zulässig, wenn der Wert der Beschwer über 20.000,00 EUR liegt. Ob diese Voraussetzung vorliegt, müsste für das Nichtzulassungsverfahren der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Kammergericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 19.000,00 EUR festgesetzt.

Kammergericht, Urteil vom 14. September 2017, Aktenzeichen  22 U 174/16

Landgericht Berlin, Urteil vom 18. August 2016, Aktenzeichen 43 O 297/15

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