Ausbildungsreport 2017: Ausbildungsqualität endlich verbessern!

Über ein Drittel der Auszubildenden leistet regelmäßig Überstunden. Fast genauso vielen (35,4 Prozent) liegt kein betrieblicher Ausbildungsplan vor, eine Überprüfung der Ausbildungsinhalte ist ihnen daher nur schwer möglich. Mehr als jeder zehnte Azubi (11,5 Prozent) übt regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten aus. Die Abstimmung zwischen Betrieben und Berufsschulen ist oft schlecht. Das sind einige Ergebnisse des Ausbildungsreports, den die DGB-Jugend nun zum zwölften Mal in Folge vorstellt.

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„Die duale Ausbildung sorgt für die Fachkräfte von morgen, Probleme bei der Qualität der Ausbildung bleiben aber ein Dauerthema“, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Deshalb müsse der Gesetzgeber einschreiten: „Die nächste Bundesregierung muss endlich das Berufsbildungsgesetz im Sinne der Auszubildenden reformieren. Jahr für Jahr klagen gerade die Branchen über Nachwuchssorgen, die für ihre schlechten Ausbildungsbedingungen bekannt sind – da darf die Politik nicht länger wegschauen. Bund und Länder sollten außerdem einen Pakt für Berufsschulen schließen, mit dem sie sich verpflichten, die Berufsschulen technisch zu modernisieren und für die notwendigen Lehrkräfte zu sorgen.“

Zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt sagte Hannack: „Die Lage ist nach wie vor angespannt, auch wenn es im letzten Jahr 43.000 unbesetzte Ausbildungsstellen gab. Ihnen gegenüber stehen 280.000 junge Menschen, die im letzten Jahr keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Insbesondere Hauptschulabsolventen haben es schwer auf dem Ausbildungsmarkt. Die Arbeitgeber müssen endlich ihre Bestenauslese beenden. Die assistierte Ausbildung muss über 2018 hinaus beibehalten und ausgebaut werden.“

Auf die Berufsschulen als diesjährigen Schwerpunkt des Ausbildungsreports ging DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte ein: „Nur die Hälfte der befragten Auszubildenden fühlt sich durch den Besuch der Berufsschule gut auf die theoretische Prüfung vorbereitet. Zwar bewerten 58 Prozent die fachliche Qualität der Berufsschule als „sehr gut“ oder „gut“, aber die Abstimmung zwischen Betrieb und Berufsschule lässt häufig zu wünschen übrig. Die bessere Verzahnung der beiden Lernorte muss deshalb im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben werden.“ Digitalisierung, Arbeit 4.0 und die gestiegenen Anforderungen an die Auszubildenden erforderten jetzt konkrete Maßnahmen, sagte Conte. „Wir brauchen einen modernen gesetzlichen Rahmen und Rechtssicherheit für Auszubildende, sichere Perspektiven nach der Ausbildung und einheitliche Qualitätsstandards für die Ausbildung.“

Conte verwies auch auf die mangelhafte Ausstattung der Berufsschulen: „Es gibt hier einen regelrechten Investitionsstau, sowohl was Gebäude und Lehrmittel, aber auch was die personelle Ausstattung betrifft. Auch darunter leidet letztlich die Qualität der Ausbildung. Die Kultusminister müssen endlich ihre Politik ändern und mehr Geld investieren. Dringend notwendig ist mehr qualifiziertes Lehrpersonal und zeitgemäß ausgestattete Berufsschulen.“

Zwar sind die meisten Auszubildenden (71,9 Prozent) mit ihrer Ausbildung zufrieden – es gibt aber erhebliche Branchenunterschiede: Mechatroniker, Industriekaufleute und Industriemechaniker sind über Durchschnitt zufrieden. Friseurinnen und Friseure, Auszubildende in Teilen des Hotel- und Gaststättenbereichs und Fachverkäufer des Lebensmittelhandwerks, bewerten ihre Betriebe hingegen mangelhaft. „In diesen Ausbildungsberufen bleiben in jedem Jahr viele Ausbildungsstellen unbesetzt und die Abbruchquoten während der Ausbildung sind hoch. Schlechte Ausbildungsqualität bleibt nicht folgenlos“, sagte Manuela Conte.

An der repräsentativen Befragung haben sich 12.191 Auszubildende aus den laut Bundesinstitut für Berufsbildung 25 häufigsten Ausbildungsberufen beteiligt.

Mehr Investitionen in berufliche Bildung

Zu den aktuellen Ausbildungsmarktzahlen der Bundesagentur für Arbeit und zur Veröffentlichung des Ausbildungsreports des Deutschen Gewerkschaftsbundes erklärt Beate Walter-Rosenheimer, Sprecherin für Jugendpolitik und Ausbildung von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die Bundesregierung selbst ist schuld daran, dass Jugendliche und Betriebe in Deutschland nicht mehr zusammenfinden. Während Betriebe im Süden und Osten der Republik händeringend nach Fachkräften suchen, gehen viele ausbildungsinteressierte Jugendliche im Norden und Westen der Republik bei ihrer Lehrstellensuche komplett leer aus. Was Noch-Bildungsministerin Wanka als Passungsprobleme kleinredet, ist in Wahrheit die tragische Konsequenz aus vier Jahren bildungspolitischem Blindflug.

Fest steht: Das duale System steckt in der Krise. Zum Start des Ausbildungsjahres suchen noch 98.000 Jugendliche eine Lehrstelle. Gleichzeitig sind 136.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Das ist nicht nur eine rechnerische Lücke von 38.000 Ausbildungsplätzen. Das sind fast 100.000 enttäuschte Jugendliche und tausende Betriebe mit ernsthaften Zukunftssorgen. Damit Jugendliche endlich wieder Chancen und Betriebe Nachwuchs bekommen, braucht Deutschland eine Ausbildungsgarantie, die allen jungen Menschen den Weg zum Berufsabschluss ermöglicht. Bund und Länder müssen den Übergang von der Schule in die Betriebe deutlich besser organisieren und unterstützen.

Auch die Mobilität der Auszubildenden muss erhöht werden. Kein Ausbildungswunsch darf an den Grenzen von Bundesländern scheitern. Ausbildungsinteressierte aus schwächeren Regionen müssen attraktive Angebote aus stärkeren Regionen auch annehmen können. Trotz hoher Lebenshaltungskosten muss es ihnen möglich gemacht werden, sich mit einer dualen Ausbildung in einer anderen Region gute Zukunftschancen zu erarbeiten. Schulische Ausbildungen müssen endlich kostenfrei und die Berufsausbildungsbeihilfe erhöht werden. Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft nach Erziehern, Pflegekräften und Gesundheitsfachleuten ruft, diese während ihrer Ausbildung aber im Regen stehen lässt.

Experten fordern seit Jahren mehr Investitionen in die berufliche Bildung. Im Bildungsetat für das kommende Jahr sucht man diese Investitionen vergeblich. Eine moderne Berufsbildung ist im digitalen Zeitalter nicht mit Schreibmaschine und Rechenschieber zu machen. Der Bund muss endlich kräftig in WLAN, Whiteboards und Weiterbildung investieren. Auch die vielen jungen Geflüchteten werden nicht von alleine zu den Facharbeitern von morgen. Damit die Berufsschulen fit für den digitalen Wandel und aus Flüchtlingen möglichst schnell Fachkräfte werden, ist ein Berufsschulprogramm über 2,5 Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren notwendig.“

Der Ausbildungsreport zum Download

Die wichtigsten Zahlen im Überblick

Statement von Elke Hannack

Statement von Manuela Conte

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