Auslieferung zur Strafverfolgung nach Ruanda sei zulässig.

Die Auslieferung eines ruandischen Staatsangehörigen an die Republik Ruanda zur Strafverfolgung wegen Völkermordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist zulässig. Das hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.02.2017 beschlossen.

Der Verfolgte, 1973 in Ruanda geboren, ist ruandischer Staatsangehöriger. Er hielt sich zuletzt in Emsdetten auf. Dort wurde er im November 2016 aufgrund eines zuvor erlassenen Auslieferungshaftbefehls festgenommen und befand sich seitdem in Auslieferungshaft.

2015 ersuchten die ruandischen Behörden um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung wegen Völkermordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dem Ersuchen lagen ein internationaler Haftbefehl und eine Anklageschrift des Generalstaatsanwalts von Ruanda zu Grunde. In diesen Unterlagen wird dem Verfolgten vorgeworfen, er sei im Jahre 1994 im Distrikt Nyamagabe in Ruanda am Völkermord an den Tutsi beteiligt gewesen. Der Verfolgte soll seinerzeit Mitglied der sog. Interahamwe-Miliz gewesen sein. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Miliz soll er insbesondere im April 1994 an der Tötung von über 20 Tutsi mitgewirkt haben. Dabei sollen die Täter die Tutsi in Verstecken aufgespürt, gefangen genommen und dann getötet haben.

Die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe hat der Verfolgte im Auslieferungsverfahren bestritten. Er sei Hutu, so der Verfolgte, und werde von der jetzt durch Tutsi gebildeten Regierung Ruandas zu Unrecht beschuldigt und verfolgt. Seiner Auslieferung hat er unter Hinweis auf die aktuellen Verhältnisse im Land Ruanda, in dem es keine freie, unabhängige und menschenrechtskonforme Justiz gebe, widersprochen.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Ruanda zur Strafverfolgung für zulässig erklärt.

Die dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten rechtfertigten seine Auslieferung, so der Senat. Die in Frage stehenden Taten seien nach ruandischen Recht und auch nach deutschem Recht strafbar. Der von den ruandischen Behörden angenommene Tatverdacht sei im Auslieferungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Es gebe keine konkreten Anhaltspunkte, nach denen eine Überprüfung ausnahmsweise geboten sei. Vielmehr enthielten die eigenen Angaben des Verfolgten, die er in seinem Asylverfahren gemacht habe, Anhaltspunkte dafür, dass er 1994 am Genozid der Volksgruppe der Tutsi beteiligt gewesen sei. So hätten diese Angaben bereits den Generalbundesanwalt zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verfolgten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Völkermord veranlasst.

Hinreichende Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung des Verfolgten, die seiner Auslieferung entgegenstünden, lägen nicht vor. Derartige Anhaltspunkte seien dem vom Verfolgten erfolglos – auch gerichtlich – betriebenen Verfahren zur Anerkennung als Asylberechtigter nicht zu entnehmen.

Eine dem Verfolgten in Ruanda drohende Strafe sei kein Auslieferungshindernis. In Ruanda drohe ihm nicht die Todesstrafe. Nach ruandischen Recht sei die lebenslange Freiheitsstrafe die Höchststrafe für die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten.

Die Auslieferung verböten schließlich auch nicht unabdingbare Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung.

Angesichts der Schwere der dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sei eine nach ruandischem Recht verhängte lebenslange Freiheitsstrafe nicht als unerträglich hart oder unmenschlich anzusehen. Das ruandische Recht biete in diesem Fall die Möglichkeit, nach verbüßten 20 Jahren Freiheitsstrafe bedingt entlassen zu werden.

Dem Verfolgten drohe auch keine unfaire, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Prozessführung und keine den europäischen Mindeststandards widersprechende, menschenunwürdige Behandlung in der Haft. Hiervon könne der Senat nach ihm vom Auswärtigen Amt erteilten Auskünften zu den Haftbedingungen und zur Frage der Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren in Ruanda ausgehen. In den letzten Jahren hätten sich rechtsstaatliche Standards ruandischer Strafverfahren entscheidend verbessert. So sähen der internationale Strafgerichtshof für Ruanda und auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Entscheidungen aus dem Jahre 2011 Auslieferungen zur Strafverfolgung nach Ruanda nicht mehr als menschenrechtswidrig an. Nach der Auswertung dieser Entscheidungen und weiterer Gerichtsentscheidungen gehe auch der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm davon aus, dass die Mindestverteidigungsrechte in einem ein ruandischen Strafverfahren gewahrt sein.

Rechtskräftiger Beschluss des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.02.2017 (2 Ausl. 27/16)

 

Hinweis OLG Hamm:

Der ruandische Staatsangehörige ist im August 2017 den ruandischen Behörden übergeben worden.

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