Kultur und Medien/Ausschuss.
Berlin: (hib/DOCK). „Dem Filmstandort Deutschland geht es miserabel.“ So schätzte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer die Lage zu Beginn des öffentlichen Fachgesprächs im Kulturausschuss zum „Filmstandort Deutschland“ am Mittwoch ein. Obwohl er so erfolgreich ist wie lange nicht, wie Weimer selbst einräumte. Mascha Schilinskis Film „In die Sonne schauen“ etwa überzeugte die Jury bei den Filmfestspielen in Cannes, und momentan sind vier deutsche Produktionen unter den Top Five an der Kinokasse.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Produktion und Auswertung müssen im Rahmen der weiteren Reform der Filmförderung verbessert werden, waren sich die geladenen Sachverständigen und der Kulturstaatsminister einig. Nach der grundlegenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) im vergangenen Jahr wird weiter über die besten Wege gestritten, einerseits Investoren aus aller Welt nach Deutschland zu locken, und andererseits einen Anreiz zu schaffen, damit deutsche Unternehmen auch hier drehen. Strittig war unter den Experten jedoch der Weg, um dieses Ziel zu erreichen.
Weltweit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Steueranreizmodell für die Förderung der Produktion von Filmen und Serien durchgesetzt, bei dem automatisch ein Teil der Kosten bei der Entstehung eines Films vom Staat erstattet wird. Für dieses Modell sprachen sich vehement Michelle Müntefering von der Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten, Peter Schauerte von der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (SPIO), Daniela Beaujean vom Verband Privater Medien (VAUNET) und Matthias von Fintel von der Vereinten Dienstleistungsgesellschaft (ver.di) aus.
Wolfram Weimer setzt dagegen auf den Ausbau der bewährten Förderinstrumente Deutscher Filmförderfond (DFFF) 1 und 2 für die Filmproduktion sowie des German Motion Picture Funds (GMPF) für die Serienproduktion, da das Finanzministerium einem Steueranreizmodell niemals zustimmen werde und es auch bei der Mehrheit der Bundesländer auf Ablehnung stoße. Die geplante Erhöhung der Etats der drei Fördersäulen von 133 auf 250 Millionen Euro hat er an die Bedingung geknüpft, dass sich auch das Engagement von Streamingdiensten und Fernsehsendern durch eine Investitionsverpflichtung erhöht. Dies kann über ein Gesetz erfolgen oder über eine freiwillige Verpflichtung der Nutzer. Dann könnten die 130 Millionen Euro, die im Moment mit einem Sperrvermerk im Bundesetat 2026 versehen sind, freigegeben werden.
Bei den Experten gehen die Meinungen auseinander, ob eine gesetzliche oder eine freiwillige Investitionsverpflichtung zu bevorzugen ist. Michelle Müntefering beschwor die Wirkungsmacht von Gesetzen als Gestaltungsmittel in einer Demokratie. Ein Gesetz schaffe den Rahmen für die Vielfalt des Angebots, während es bei einer Selbstverpflichtung zu einer Konzentration auf dem Markt komme. Deutschland drohe dann zu einer verlängerten Werkbank der Amerikaner zu werden.
Matthias von Fintel machte deutlich, dass bei einer gesetzlichen Regelung die sozialen Belange der Crews und Ensemble einschließlich der Alterssicherungsmodelle besser geschützt seien. Er mahnte zudem wie auch andere Experten eine schnelle Entscheidung an. Seit Sommer 2024 herrsche eine Flaute auf dem Markt. Etliche Fachleute seien ins Ausland gegangen oder hätten in andere Branchen gewechselt.
Die potentiell Betroffenen sehen dies erwartungsgemäß anders. Jens-Ole Schröder, Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF), bezweifelte grundsätzlich die Kompetenz der Bundesregierung, eine gesetzliche Regelung zu beschließen. Sie widerspräche dem Auftrag durch die Bundesländer und schränke die Programmhoheit ein. Außerdem erinnerte er daran, dass die beiden Sender mehr als 1,7 Milliarden Euro in fiktionale Programme investierten.
Wolf Osthaus vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITCOM) beschwor die Risiken bei der Verabschiedung eines Gesetzes und ließ eine mögliche Klage beim Bundesverfassungsgericht durchklingen. Er stellte dagegen in Aussicht, dass sich die Streamingdienste freiwillig über viele Jahre in einem hochdynamischen Markt auf Investitionen festlegen werden. So sei die notwendige Planungssicherheit für die Produktionswirtschaft geschaffen. Es gäbe aber in keiner Branche eine Abnahmegarantie für alle Produkte.
Peter Schauerte mahnte an, dass die geplante Reform zu sehr auf die Produktion ausgerichtet sei. Der Verleih müsse daher ebenso wie die Kinos besser als bisher unterstützt werden. „Filme ohne Publikum existieren nicht,“ stimmte Christian Bräuer (AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater) zu. Er erinnerte wie Carolin Lindenmaier vom Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF KINO) daran, dass Kinos wichtige Orte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf dem Land oft der einzige kulturelle Treffpunkt seien.
Christian Bräuer sprach sich dafür aus, die Kinoprogrammprämie als Belohnungsmodell für die Gestaltung eines abwechslungsreichen und vielfältigen Programms zu erhalten. Carolin Lindenmaier wünscht sich einige Änderungen in deren Richtlinien, damit mehr Kinos in die Auswahl kommen können. Dazu gehört, dass nicht nur das Abspielen von majoritär deutscher Produktionen, sondern auch von minoritären Koproduktionen berücksichtigt wird.
Beide Kinoverbände appellierten, dass im Bundeshaushalt 2026 das bewährte Zukunftsprogramm Kino als wirtschaftliche Förderung der Filmtheater noch aufgenommen wird und es von Wolfram Weimer im Bundeshaushalt 2027 von vornherein eingestellt wird. Nur so könnten die Kinos modernisiert werden und wettbewerbsfähig bleiben. Sie bräuchten dringend Planungssicherheit, nicht zuletzt, weil jetzt bei vielen mittelständigen Kinos die nächste Eigentümergeneration vor der Frage stehe, ob sie sich weiter engagiert. Ohne die Förderung drohe ein Kinosterben wie in den 2000er-Jahren.
Zum Erhalt des Filmerbes war kein Experte geladen. Heleen Gerritsen, Vorsitzende des Kinemathekenverbunds, forderte in ihrer schriftlichen Stellungnahme Planungssicherheit bei der Sicherung der Filmschätze. Im Kern geht es um die Wiederherstellung und Verstetigung des Förderprogramms Filmerbe (FFE), das 2019 zwischen den Bundesländern, der Bundesregierung und der Filmwirtschaft geschlossen wurde. Sechs Bundesländer sind ausgestiegen, die Bundesregierung und die Filmförderungsanstalt haben bereits oder werden ihre finanzielle Beteiligung zurückfahren.
