Berlin hat einen wirklich großen Beitrag geleistet.

Interview mit dem ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle gestern Abend am Flughafen Tegel in Berlin zum letzten Tag von Air Berlin.

Als wir gestern spät am Abend das Interview mit Christine Behle von ver.di führten, stand noch nicht fest, dass die britische Fluggesellschaft Easyjet Teile von Air Berlin übernehmen wird. Das wurde erst heute bekannt.

TP: Frau Behle, die „kleine Lösung“ wurde vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, zugesagt. Das betrifft circa 1000 Arbeitsplätze von Air Berlin, die nun gesichert sind. Was soll mit dem Rest geschehen?

Behle: Das betrifft die Arbeitsplätze in der Verwaltung von Air Berlin. Das ist wirklich gut, dass diese Mitarbeiter eine Chance haben, sich auf einen neuen Arbeitsplatz vorzubereiten. Die anderen Beschäftigten wissen heute noch nicht wo es für sie weitergeht. Das ist das eigentlich Unmögliche, was die Kollegen neben der Trauer einfach heute auch erleiden müssen. Sie wissen nicht: Kriegen sie einen neuen Job, werden sie erstmal weiter beschäftigt, müssen sie morgen die Kündigung erwarten? Das ist alles noch ein bisschen unsicher. Keine gute Situation für die Menschen.

TP: Betreffen die Arbeitsplätze, deren Aufrechterhaltung nun durch das Engagement des Regierenden Bürgermeisters gesichert sind, nur Berliner Beschäftigte?

Behle: Ja. Eine große Lösung der Transfergesellschaft ist daran gescheitert, dass nicht ausreichend Geld vorhanden war. Air Berlin ist, wie wir wissen, insolvent, hat nicht ausreichend Geld, kann nur 10 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Für eine Transfergesellschaft wird aber – je nachdem wieviel Beschäftigte da reingehen – mehr gebraucht. Und deswegen war es notwendig, dass es vom Staat Zuschüsse gibt. Dafür haben wir gekämpft, das heißt, es gab mehrere Runden mit dem Bund und den Bundesländern. Da ist versucht worden, diese zu bewegen, das notwendige Geld zu geben. Am Ende ist es daran gescheitert, dass Bayern gar kein Geld geben wollte. Nordrhein-Westfalen und der Bund haben etwas zugesagt, das aber so gering war, dass damit schlicht keine Transfergesellschaft finanziert werden konnte. Die Einzigen, die wirklich einen Beitrag zur Verfügung gestellt haben, war das Land Berlin.

TP: Was gedenkt ver.di nun zu tun, dass diejenigen, die Teile von Air Berlin übernommen haben, ihren sozialen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen?

Behle: ver.di appelliert an die Unternehmen schon von Anfang an. Wir haben von der ersten Minute an gesagt: Wer Maschinen kauft, wer Teile von Air Berlin wie Start- und Landerechte übernimmt, der hat auch eine soziale Verantwortung und muss dieser auch nachkommen. Da drängen wir natürlich mit Nachdruck, dass das getan wird.

Wir haben an der Stelle eigentlich immer Druck gemacht, auch über die Öffentlichkeit. Und ich höre auch, dass es gewirkt, aber am Ende nicht dazu geführt hat, dass die Menschen wirklich übernommen werden.

TP: Welche Möglichkeit hätten Sie, hier weiter Druck auszuüben?

Behle: Gar keine. Wir können appellieren, wir können in der Öffentlichkeit darstellen, dass das ein unmögliches Verhalten ist. Ich glaube, dass die Öffentlichkeit da sehr auf unserer Seite steht, aber eine Druckmöglichkeit besteht natürlich nicht.

TP: Könnten Sie streiken oder sog. „aktive Mittagspausen“ einlegen?

Behle: Streik ist in Deutschland sehr reglementiert und gesetzlich geregelt. In solchen Fragen ist ein Streik überhaupt nicht möglich.

TP: Letzten Endes müssten die Leute alle zum Arbeitsamt?

Behle: Entweder gehen sie zum Arbeitsamt oder in eine Transfergesellschaft, oder die einen oder anderen haben schon einen neuen Job. Leider zu anderen Bedingungen.

TP: Die Transfergesellschaften müssten ja auch finanziert werden.

Behle: Die Mitarbeiter in Berlin haben diese Möglichkeit in eine Transfergesellschaft zu wechseln, weil das Land Berlin das Geld dafür in die Hand genommen hat.

TP: Könnte Berlin mehr Geld in die Hand nehmen – das Unternehmen heißt ja schließlich „Air Berlin“?

Behle: Diese Frage müssten sie bitte dem Regierenden Bürgermeister stellen. Da bin ich die falsche Ansprechpartnerin.

TP: Wir werden ihn sicher fragen.

Behle: Ja, fragen Sie ihn mal. Ich kann das natürlich nicht beurteilen, ob Berlin hier mehr tun könnte. Aber gerade Berlin – das muss man, glaube ich, noch einmal besonders herausstellen -, hat als einzige Beteiligte einen wirklich großen Beitrag geleistet.

Wir waren mit den Betriebsräten und der Personalversammlung relativ am Anfang bereits beim Regierenden Bürgermeister. Er hat uns Türen geöffnet, auch zu anderen Bundesländern, Treffen arrangiert, hat Druck auf Erwerber gemacht, am Ende dann wirklich noch einen großen Beitrag geleistet, was das Entgelt für die Transfergesellschaft angeht.

Von ihm abzuverlangen, dass er jetzt für alle anderen die Verantwortung übernimmt, das wäre eine Überforderung, glaube ich.

TP: Was sagen Sie eigentlich dazu, dass der Chef von Air Berlin bis zum Jahre 2021 über 4 Millionen Euro erhalten soll?

Behle: Da können Sie sich meinen Kommentar sicherlich denken.

TP: Wir wollen ihn für die Leser hören.

Behle: Dass hier keiner von uns begeistert darüber ist, dass viele jetzt zum Arbeitsamt müssen, dass kann sich doch jeder ausrechnen.

TP: Da wäre doch gerade ver.di gefragt, hier richtig Druck zu machen.

Behle: Wir haben uns an dieser Stelle klar geäußert und das auch kritisiert.

TP/dj

Foto (links): Christine Behle, ver.di

Fotoquellen/Collage: TP Presseagentur

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Air Berlin Abschied in München

Traurige Stewardess: Beim letzten Flug mit Air Berlin flossen Tränen. http://bit.ly/2gQjFVL

Publié par Merkur.de sur samedi 28 octobre 2017

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