Der für das Verfassungsschutzrecht zuständige 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit heute bekanntgegebenen Beschlüssen vom 26. September 2025 die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14. November 2023 (6 L 1166/22.WI, 6 L 1174/22.WI sowie 6 L 1181/22.WI) im Zusammenhang mit der Einstufung des hessischen Landesverbandes der Partei „Alternative für Deutschland (‚AfD‘)“ als sog. Verdachtsfall bestätigt.
Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen (LfV) stufte am 5. September 2022 den hessischen Landesverband der „AfD“ als Beobachtungsobjekt im Sinne eines Verdachtsfalls einer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebung ein. Am gleichen Tag veröffentlichte es anlässlich der Vorstellung des Hessischen Verfassungsschutzberichts 2021 auf seiner Internetseite eine Pressemitteilung des Hessischen Innenministeriums, in der die Beobachtung des Landesverbandes als Verdachtsfall bekanntgegeben wurde. Die Veröffentlichung enthielt Zitate des damaligen Präsidenten des LfV, der zudem ebenfalls am 5. September 2022 in einem Fernsehinterview der „Hessenschau“ erklärte, er sehe verfassungsfeindliche Bestrebungen bei der „AfD“, weshalb diese nun der Beobachtung unterliege. Am 7. September 2022 äußerte sich Ministerpräsident Boris Rhein im Rahmen einer Pressekonferenz zu der Beobachtung. Seine Äußerungen wurden u. a. auf der Internetseite der Hessischen Staatskanzlei veröffentlicht.
Die gegen die Beobachtung durch das LfV sowie deren Bekanntgabe gerichteten Eilanträge der „AfD“ hatten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden teilweise Erfolg (vgl. Pressemitteilungen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden Nr. 15-17/2023).
Die hiergegen sowohl seitens der „AfD“ als auch des Landes Hessen eingelegten Beschwerden hat der 8. Senat nunmehr zurückgewiesen.
In dem Verfahren betreffend die Beobachtung der „AfD“ sowie die Bekanntgabe der Beobachtung (8 B 1714/23, vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden Nr. 15/2023) hat der Senat die Zurückweisung der Beschwerde der AfD im Wesentlichen damit begründet, das Hessische Verfassungsschutzgesetz sei auch auf politische Parteien anwendbar. Der besondere Schutz der Parteien durch Art. 21 GG schließe eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ebenso wenig aus wie europarechtliche Rechtsgewährungen. Die Voraussetzungen für die Einstufung als Verdachtsfall und damit als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, nämlich tatsächliche Anhaltspunkte für gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen, lägen bei der „AfD“ vor. Das Verwaltungsgericht habe unter Beachtung der Reichweite der Meinungsfreiheit der „AfD“ im Ergebnis etwa zutreffend angenommen, dass die „AfD“ für einen sog. ethnischen Volksbegriff eintrete. Es gebe hinreichende Aussagen, die sich gegen die Menschenwürde von Ausländern, insbesondere Asylsuchenden, als ethnisch „Fremde“ richteten. Weiterhin gebe es Anhaltspunkte für eine diskriminierende Ungleichbehandlung zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund. Entsprechende Äußerungen deuteten an, dass Deutsche mit Migrationshintergrund einen rechtlich abgewerteten Status hätten und der Remigration unterliegen sollten. Ferner sehe der Senat Anhaltspunkte dafür, dass Muslime pauschal herabgewürdigt würden. Es spräche auch einiges dafür, dass die „AfD“ das Vertrauen der Bevölkerung in die Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland von Grund auf erschüttern und damit zugleich die freiheitliche demokratische Grundordnung in ihrer Ausprägung als Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip fragwürdig erscheinen lassen wolle.
Die Zurückweisung der Beschwerde des Landes Hessen hat der Senat im Kern damit begründet, dass das Hessische Verfassungsschutzgesetz keine Ermächtigungsgrundlage für die öffentliche Bekanntgabe der Beobachtung der „AfD“ enthalte. Indes schränkten weder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch der Beschluss des Senats die Befugnis ein, über die „AfD“ innerhalb von Verfassungsschutzberichten die Öffentlichkeit aufzuklären.
Aus denselben Gründen hat der Senat auch die Beschwerde des Landes Hessen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts betreffend die Bekanntgabe der Einstufung der „AfD“ als Verdachtsfall durch das Hessische Innenministerium zurückgewiesen (8 B 1732/23, vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden Nr. 17/2023).
In dem Verfahren bezüglich der Veröffentlichung der Äußerungen des Ministerpräsidenten Boris Rhein (8 B 1713/23, vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden Nr. 16/2023) hat der Senat die Beschwerde der „AfD“ zurückgewiesen, weil das Verwaltungsgericht zutreffend die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs verneint habe. Die Aussagen des Ministerpräsidenten seien im Rahmen der ihm als Verfassungsorgan zustehenden Staatsleitungsfunktion erfolgt, welche die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit einschließe. Es handele sich daher um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, wofür der Hessische Staatsgerichtshof zuständig sei.
Die Beschlüsse sind im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar. Aktenzeichen: 8 B 1713/23, 8 B 1714/23, 8 B 1732/23