Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsreform der Großen Koalition von 2020 erklärt Till Steffen, Mitglied im Rechtsausschuss von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag :
„Das Bundesverfassungsgericht
hat die Klage von 216 Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Der
Linken verworfen und festgestellt, dass das Wahlrecht der Großen Koalition aus
der letzten Wahlperiode sich im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt. Aber die
Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen knapp ausgefallen. Vizepräsidentin König und
die Richter Müller und Maidowski haben ein Sondervotum abgegeben. Sie sind der
Ansicht, dass die Normen den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen
an die Klarheit wahlrechtlicher Regelungen nicht gerecht werden und daher
verfassungswidrig sind. Wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger seien allein auf
Grundlage des Gesetzestextes ohne Zuhilfenahme weiterer Informationsquellen
beziehungsweise juristischer Expertise im Wahlrecht nicht in der Lage, den
Inhalt der Regelung zu verstehen. Gesetze sollten aber verständlich, klar und
bestimmt sein.
Die knappe Entscheidung
und die abweichenden Meinungen von drei Richtern sind für uns ein klares
Signal, dass wir es mit dem neuen Wahlrecht, das wir als Ampelkoalition
verabschiedet haben, richtig gemacht haben: Es ist einfach, vorhersehbar und
gerecht. Überhangmandate haben wir abgeschafft und die Größe des Bundestages
steht unveränderlich fest. Blähbundestage wird es nicht mehr geben. Die
Stimmenverhältnisse bei einer Bundestagswahl werden im Bundestag proportional
widergespiegelt. Wir haben geschafft, was unionsgeführte Regierungen in
mehreren Wahlperioden nicht vermocht haben: Ein Wahlrecht, das keine Partei
bevorzugt und den Bundestag verkleinert.
Bei der Wahlrechtsreform der Großen Koalition war die Regelung zu drei unausgeglichenen Überhangmandaten unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen eine gezielte Verzerrung des Zweitstimmenproporzes zugunsten der Union, insbesondere der CSU. Es war auch von Anfang an klar, dass die Reform der Großen Koalition nur einen geringen Einfluss auf die angestrebte Verkleinerung des Bundestages haben würde. Zudem war die Größe des Bundestages weiterhin nicht voraussehbar. Letztlich hat die Reform der Großen Koalition dazu geführt, dass der jetzige Bundestag 736 statt der vorgesehenen 598 Mitglieder hat.“
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin