„Der Einsatz hätte in dieser Form nicht stattfinden dürfen und er hätte zu einem frühen Zeitpunkt abgebrochen werden müssen“.

Tod von Medard Mutombo: LADG-Ombudsstelle beanstandet Polizeieinsatz.

Kupa Ilunga Medard Mutombo verstarb am 6. Oktober 2022 infolge eines Polizeieinsatzes in Berlin-Spandau am 14. September 2022. Auf Beschwerde seines Bruders wurde ein Ombudsverfahren nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) eingeleitet.

Die fachliche unabhängige LADG-Ombudsstelle der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung untersuchte fast drei Jahre die Umstände des Einsatzes. Zum dritten Todestag von Herrn Mutombo veröffentlicht die Ombudsstelle ihre Ermittlungsergebnisse und spricht eine formelle Beanstandung gegenüber der Polizei Berlin nach § 14 Abs. 4 LADG aus.

Medard Mutombo war Schwarz, er lebte mit einer paranoiden Schizophrenie in einem betreuten Wohnheim für wohnungslose Menschen in Berlin Spandau. Seine Herkunftssprache war Französisch, er sprach kein Deutsch. Das Amtsgericht Spandau beschloss am 24. August 2022 die vorläufige Unterbringung von Medard Mutombo in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung. Zur Durchsetzung des Beschlusses ersuchte die zuständige Betreuungsbehörde im Bezirksamt Spandau die Polizei Berlin um Vollzugshilfe. Medard Mutombo verlor während des Einsatzes das Bewusstsein und verstarb wenige Wochen später im Krankenhaus.

Die LADG-Ombudsstelle kommt zu dem Ergebnis: Die Durchführung des Einsatzes verstieß gegen das Diskriminierungsverbot des LADG – wegen einer Behinderung und wegen der Sprache. Sie beruft sich dabei auch auf die UN-Behindertenrechts-Konvention und die Europäische Menschenrechtskonvention.

Die Ombudsstelle stellt schwerwiegende Pflichtverletzungen in der Planung und Durchführung des Einsatzes fest. Es fehlte an einer ausreichenden Einsatzvorbereitung und an der Einbindung von geschultem Personal. Auch das Hinzuziehen eines Dolmetschers, sowie externer psychiatrischer oder medizinischer Hilfe wurde nicht in Betracht gezogen. Das Unterlassen dieser Vorkehrungen und die Art und Weise des Einsatzes eskalierten die Situation. Die Ombudsstelle beanstandet weiter, dass die Dienstkräfte den Einsatz nicht abgebrochen haben, obwohl dies möglich und geboten gewesen wäre.

Für die Ombudsstelle steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die im Bericht dargestellten Pflichtverletzungen (mit)ursächlich für den Tod von Medard Mutombo waren. Darin sieht die Ombudsstelle einen Diskriminierungsverstoß. 

Die Ombudsstelle empfiehlt, dass die Polizei Berlin bei der Familie von Medard Mutombo um Entschuldigung bittet und die Verantwortung des Landes Berlin für den Tod anerkennt. Sie empfiehlt auch, dass das Land Berlin dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von mindestens 45.000 Euro zahlt.

Die Höhe der Entschädigung orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte in ähnlichen Fällen.

Über den Einzelfall hinaus macht die Beanstandung deutlich, dass es grundlegende Defizite im Umgang der Polizei Berlin mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen gibt. Die Ombudsstelle empfiehlt daher u. a. verbindliche Richtlinien für solche Einsätze, eine Anpassung von Aus- und Fortbildungsinhalten, die Vergabe einer unabhängigen Studie, das Aufgreifen von positiv evaluierten Pilotprogrammen zu polizeilichen Maßnahmen gegenüber Menschen in psychischen Ausnahmesituationen sowie die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Empfehlungen.

Dr. Doris Liebscher, Leiterin der LADG-Ombudsstelle: „Unser Verfahren richtet sich nicht gegen einzelne Dienstkräfte der Polizei. Hierzu führt die Staatsanwaltschaft ein Strafermittlungsverfahren. Aus antidiskriminierungsrechtlicher Sicht ist klar: Der Einsatz hätte in dieser Form nicht stattfinden dürfen und er hätte zu einem frühen Zeitpunkt abgebrochen werden müssen. Jenseits individueller Verantwortung fordern wir das Land Berlin auf, die institutionelle Verantwortung für den Tod von Medard Mutombo anzuerkennen und zu übernehmen. Damit so etwas nicht wieder passiert, brauchen wir neue Konzepte und einen professionellen Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen.“

Informationen zur Ombusstelle finden Sie hier www.berlin.de/sen/lads/recht/ladg/ombudsstelle/

Die Beanstandung können Sie hier nachlesen

Langfassung: https://berlin.de/sen/asgiva/presse/downloads/250915_beanstandung_medard_mutombo.pdf

Kurzfassung: https://berlin.de/sen/asgiva/presse/downloads/250915_kurzfassung_beanstandung_mutombo.pdf

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