Der neue Amnesty International Report 2017/18 stellt die Menschenrechtslage in 159 Ländern detailliert vor.

Amnesty International hat anlässlich der Veröffentlichung des Reports zur weltweiten Menschenrechtslage die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich verstärkt für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern einzusetzen.

Amnesty International appelliert an Regierungen weltweit, sich der Rhetorik der Ausgrenzung und den offenen Angriffen auf Menschenrechtsstandards entschlossen entgegenzustellen. „Amnesty International hat für das Jahr 2017 dokumentiert, wie in vielen Ländern spaltende Rhetorik und systematische Ausgrenzung in schwere Menschenrechtsverletzungen mündeten. Die gewaltsame Vertreibung der Rohingya in Myanmar zeigt uns, wohin die alltägliche Diskriminierung von Minderheiten führt“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, zur Vorstellung des neuen Amnesty International Reports 2017/18. „Im neuen Amnesty International Report finden sich neben Ungarn, den Philippinen, Ägypten und den USA viele weitere Beispiele, die zeigen, dass die gezielte Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in vielen Ländern zum Alltag geworden ist.“

Amnesty beobachtete im vorigen Jahr auch weitergehende Versuche vieler Staaten, die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzuschränken oder rechtstaatliche Garantien auszuhebeln. Doch diese Versuche stoßen auf Widerstand: In Russland, Simbabwe, Polen und vielen anderen Ländern gingen Menschen auf die Straße oder zogen vor Gericht, um ihre Rechte einzufordern.

Zu den entschiedensten Stimmen, die sich staatlicher Willkür und Unterdrückung entgegenstellen, zählen die von Menschenrechtsverteidigern. Wer Kritik an Regierungen übt oder über Menschenrechtsverletzungen berichtet, wird selbst zur Zielscheibe. „Amnesty International hat im vergangenen Jahr beobachten müssen, wie Journalisten, Gewerkschafter, Anwälte und andere, die sich für die Menschenrechte einsetzen, vermehrt bedroht, verfolgt und getötet wurden. Insgesamt wurden im Jahr 2017 weltweit mindestens 312 Menschen wegen ihres friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte getötet.“

Mit der Inhaftierung von zwei hochrangigen Amnesty-Vertretern saßen 2017 in der Türkei sogar Repräsentanten einer unabhängigen internationalen Menschenrechtsorganisation in Haft – in der 55-jährigen Geschichte von Amnesty ein Präzedenzfall. Amnesty-Vorstand Taner Kılıç befindet sich nun seit mehr als acht Monaten unter fadenscheinigen Anschuldigungen und ohne Beweise in Haft. „Die andauernde Inhaftierung des türkischen Amnesty-Vorstands und der vielen Journalisten und Rechtsanwälte belegt einmal mehr, wie weit die Türkei derzeit von einem Rechtstaat entfernt ist“, so Beeko.

Auch in Ägypten wird die Zivilgesellschaft systematisch unterdrückt. Der diesjährige Träger des Amnesty-Menschenrechtspreises, das Nadeem-Zentrum für die Rehabilitierung von Opfern von Gewalt und Folter, kann aufgrund staatlicher Repressionen seine wichtige Arbeit nicht fortsetzen.

„In Ungarn stigmatisiert die Regierung von Viktor Orbán zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich kritisch über sie äußern, als ‚ausländische Agenten‘ und als Spione und Staatsfeinde. In diesen Tagen wird im ungarischen Parlament ein Gesetz diskutiert, das die Arbeit der Organisationen noch weiter einschränken soll. Die Europäische Union und die künftige Bundesregierung sind hier gefragt, die ungarische Zivilgesellschaft zu unterstützen“, sagt Beeko.

„In dieser herausfordernden weltpolitischen Situation sind alle Regierungen gefordert, auf internationaler Ebene konsequent auf die Einhaltung völkerrechtlicher Abkommen  zu dringen. Auch Deutschland ist mit seiner besonderen politischen und wirtschaftlichen Rolle und seiner Kandidatur für den UN-Sicherheitsrat aufgerufen, klar für die Stärkung internationaler Menschenrechtsstandards einzutreten. Vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage greift der von CDU/CSU und SPD verhandelte Koalitionsvertrag zu kurz: Die neue Bundesregierung kann eine deutlich aktivere Rolle einnehmen und zu verhindern helfen, dass die Welt zurück in Zeiten fällt, in denen nur das Recht des Stärkeren zählt. Es gilt, außenpolitisch die Errungenschaften der internationalen Rechtsordnung mit Menschenrechten und internationalen Institutionen zu stabilisieren und zu verteidigen. Innenpolitisch gilt es, als rechtstaatliche Demokratie zu demonstrieren, wie sehr eine Gesellschaft von einer Politik profitieren kann, deren Basis die Menschenrechte sind.“

Der neue Amnesty International Report 2017/18 stellt die Menschenrechtslage in 159 Ländern detailliert vor. Die englische Ausgabe liegt ab dem 22. Februar vor, die deutsche Übersetzung erscheint Mitte Mai im Fischer-Verlag.

https://www.amnesty.de/der-amnesty-international-report-201718

Erklärungen zum Report:

Amnesty-Report 2017/18: Aktive Menschenrechtspolitik dringend notwendig.

Zum Jahresbericht von Amnesty International erklären Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, und Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Im 70. Jahr der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte fällt die Bilanz düster aus. Unterdrückung, Angst und Einschüchterung sind weltweit auf dem Vormarsch. Der Bericht von Amnesty International spricht mehrere ernüchternde Mahnungen aus: Es gibt keinerlei Anlass zu Selbstgefälligkeit, Menschenrechte müssen täglich neu erstritten werden, und auch in Europa sind sie bedroht.

In unzähligen Fällen finden Menschenrechtsverletzungen nicht weit weg und auch nicht losgelöst von uns statt. Wenn Kinder im Jemen verhungern oder Bomben zum Opfer fallen, dann liegt das auch daran, dass Saudi-Arabien das Land systematisch mit Angriffen überzieht – und auch mit deutschen Waffen beliefert wurde. In der Türkei lässt ein enthemmter Präsident zehntausende Unschuldige wegsperren – und Europa kritisiert Menschenrechtsverletzungen allenfalls leise, weil es Erdogan für einen schmutzigen Flüchtlingsdeal braucht. Ägyptens Sicherheitsapparat lässt Oppositionelle foltern, verschwinden und ermorden – die Bundesregierung aber schließt mit Kairo ein Sicherheitsabkommen ab und fädelt Milliardendeals für deutsche Unternehmen ein.

Donald Trump nimmt Menschen muslimischen Glaubens in Sippenhaft, verhöhnt Minderheiten und geht der freien Presse ans Leder. In der Rechtsgemeinschaft EU werden Flüchtlinge stigmatisiert, Sinti und Roma ausgegrenzt, in einigen Mitgliedsstaaten Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Religion diskriminiert, die Medien, Justiz, Wissenschaft und Kunst drangsaliert.

Wer von Anderen zu Recht die Einhaltung von Menschenrechten einfordert, muss ihnen auch im eigenen Land Geltung verschaffen. Wegschauen und Schweigen verbieten sich – auch und gerade für Regierungen. Dass man im Koalitionsvertrag von Union und SPD kein Wort zur Stärkung des Völkerstrafrechts in Deutschland findet und transnationale Unternehmen auch weiterhin nicht verbindlich verpflichtet werden, weltweit Menschenrechtsstandards einzuhalten, ist ein Armutszeugnis.“

Menschenrechtsverteidiger endlich wirksam schützen.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass engagierte Menschen von Regierungen und Konzernen unter Druck gesetzt und verfolgt werden, weil sie Verstöße gegen unsere grundlegenden Menschenrechte aufdecken oder verhindern wollen. Die Bundesregierung muss Menschenrechtsverteidiger endlich wirksam schützen“, erklärt Michel Brandt, Obmann der Linksfraktion im Menschenrechtsausschuss des Bundestages, zu dem heute veröffentlichten Bericht von Amnesty International über zunehmende Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger.

Brandt weiter:

„Das auffällig häufige Schweigen Deutschlands gegenüber Unrechtsregimen ist unverantwortlich. Allein im letzten Jahr sind laut Amnesty International mindestens 312 Menschenrechtsverteidiger getötet worden – und die Lage verschärft sich weiter. Die Bundesregierung muss deshalb dringend ihren bisherigen Kurs ändern und aktiv Schutzmaßnahmen ergreifen.

DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, klar Position zu beziehen und Verstöße gegen die Menschenrechte durch Regierungen oder Unternehmen öffentlich und unmissverständlich zu benennen und zu verurteilen. Die Botschaften Deutschlands im Ausland müssen mit ausreichenden Mitteln und Experten ausgestattet werden, um Menschenrechtsverteidiger beraten und im Notfall auch schützen zu können.“

ai-Jahresbericht – Ein schlechtes Jahr für die Menschenrechte.

Amnesty International beklagt die massive Aushöhlung der Menschenrechte. Im aktuellen Jahresbericht wird die Politik zu mehr Engagement zur Verteidigung der Menschenrechte und zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern aufgefordert.

Dazu Frank Schwabe, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion:

„Die menschenrechtliche Bilanz verdüstert sich nach Angaben von Amnesty von Jahr zu Jahr. Insbesondere die Zahl der getöteten und inhaftierten Menschenrechtsverteidiger wachse ständig an. In zahlreichen Staaten – etwa auch in Polen und Ungarn – beschränken neue Gesetze die Rechte der Zivilgesellschaft, religiöser oder ethnischer Minderheiten.

Der Jahresbericht 2017 weist insbesondere auf die schwierige Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in vielen Regionen der Welt und ihre Verfolgung hin. Amnesty berichtet, dass in 27 Staaten im vergangenen Jahr mindestens 312 Menschenrechtsverteidiger getötet worden seien. Allein in Kolumbien gehen die Vereinten Nationen von etwa 100 getöteten Menschenrechtlern aus.

Die SPD-Bundestagsfraktion würdigt den Einsatz der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die weltweit die Arbeit von Amnesty International tragen. Wir werden uns intensiv mit diesen Hinweisen auseinandersetzen und uns weiterhin für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger einsetzen, die in vielen Ländern verfolgt und bedroht werden.“

 

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