Die 800 qm-Grenze für den sächsischen Einzelhandel nach der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung gilt vorläufig nicht mehr.

Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht heute in vier Parallelverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden und § 8 Abs. 1 Satz 1 sowie § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der aktuellen Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung – SächsCoronaSchVO) vom 30. April 2020 (SächsGVBl. S. 186) insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Antragsteller in den vier Verfahren waren großflächige Elektronikfachmärkte, die mit ähnlichen Anträgen gegen die vorherige Corona-Schutz-Verordnung vor dem Oberverwaltungsgericht noch gescheitert waren (siehe die Medieninformation 5/2020 des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. April 2020). Jetzt waren sie erfolgreich.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat ihren Anträgen stattgegeben, weil der Begriff der „für die Grundversorgung notwendigen Geschäfte“, deren Öffnung ohne flächenmäßige Begrenzung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 SächsCoronaSchVO erlaubt ist, nicht hinreichend bestimmt ist. Der Verordnungsgeber hat bei den Ausnahmen von der Verkaufsflächenbegrenzung nach dem Kriterium des Bedarfs, nämlich nach Geschäften für den täglichen Bedarf und solchen für die Grundversorgung unterschieden. Er hat aber in der Verordnung selbst nicht zum Ausdruck gebracht, dass er daneben auch nach der Relevanz der jeweiligen Geschäftsöffnung für den Infektionsschutz differenzieren wollte, so dass darauf bei der Auslegung der Vorschrift nicht zurückgegriffen werden kann. Allein anhand des Begriffs der „Grundversorgung“ lässt sich aber nach der Neufassung der Corona-Schutz-Verordnung nicht mehr feststellen, welche Einzelhandelsgeschäfte damit gemeint sind, weil der Verordnungsgeber darunter nun beispielhaft auch Sonnenstudios und Möbelhäuser fast.

Zwar kann es auch innerhalb des Geltungszeitraums der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung – etwa im Falle eines Umzugs – für Personen erforderlich sein, Möbel zu kaufen. Dies gilt aber auch für Teile des Sortiments, das von vielen anderen großflächigen Ladengeschäften, beispielsweise von Elektronikfachgeschäften vertrieben wird. Insoweit sind Möbelgeschäfte und Elektronikgeschäfte vergleichbar, zumal auch in Möbelhäusern in der Regel nicht nur Möbel, sondern meistens ein breit gefächertes Angebot an sonstigen Haushaltsgegenständen und Accessoires, mitunter einschließlich von Elektronikartikeln zum Kauf angeboten werden. Aus der Sicht des Normunterworfenen können folglich alle Einzelhandelsgeschäfte unbegrenzt öffnen, die zumindest auch ein Warensortiment für die Grundversorgung zum Verkauf anbieten. Erst recht jedoch wird der Begriff der Grundversorgung in seinen Konturen durch die Nennung von Sonnenstudios verwischt, die dem Bereich der „Wellness“ zuzuordnen sind und als solche bei objektiver Betrachtung – aus der Sicht eines verständigen Normunterworfenen – nicht mehr zur Grundversorgung gehören. Auch die vom Verordnungsgeber gegebene Begründung enthält keinerlei Hinweis darauf, weshalb Möbelhäuser und Sonnenstudios der Grundversorgung zuzurechnen sein sollen.

Da § 8 Abs. 2 Nr. 2 SächsCoronaSchVO in untrennbarem Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 1 SächsCoronaSchVO steht, sind diese beiden Vorschriften ebenfalls vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

SächsOVG, Beschlüsse vom 12. Mai 2020 – 3 B 177/20, 3 B 178/20, 3 B179/20 und 3 B180/20 –

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