„Die Uneinigkeit der Ampel schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Justiz gleichermaßen.“

Wiesbaden – Hessens Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck hat heute Morgen mit den Bundestagsabgeordneten Dr. Thomas Lieb (FDP), Kaweh Mansoori, (SPD), und Awet Tesfaiesus (Bündnis 90/Die Grünen), sowie mit dem Vorstand der Verbraucherzentrale Hessen e.V. Philipp Wendt an einem „Verbraucherpolitischem Frühstück“ zur EU-Verbandsklage auf Einladung der Verbraucherzentrale Hessens e.V. teilgenommen.   

Minister Poseck führte heute Morgen in der digitalen Diskussionsrunde aus: „Es ist bedauerlich, dass es der Bundesrepublik nicht mehr gelingen wird, die Richtlinie zur Umsetzung der EU-Verbandsklage fristgerecht in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten läuft am 25. Dezember 2022 ab. Den Ländern liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf des Bundes zur Umsetzung vor. Der vom Bundesjustizministerium erstellte Referentenentwurf ist aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der Bundesregierung nach wie vor nicht offiziell frei gegeben. Bei der Umsetzung gibt es offensichtlich einen Dissens zwischen Bundesjustizminister Marco Buschmann und Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke. Deshalb liegt das Gesetzgebungsvorhaben nun seit Wochen auf Eis. Die Bundesregierung sollte sich schnellstmöglich auf eine Linie einigen. Die Uneinigkeit der Ampel schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Justiz gleichermaßen. Die EU-Richtlinie zur EU-Verbandsklage ist eine große Chance und ein gutes Fundament für nationale Regelungen im Zivilverfahrensrecht, die allen Beteiligten Vorteile bringen können. Die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher können dadurch gestärkt werden, dass individuelle Ansprüche im Rahmen eines Umsetzungsverfahren Berücksichtigung finden. Dieser Schritt wäre eine sinnvolle Weiterentwicklung der Musterfeststellungsklage, die gerade im Diesel-Komplex die an sie geknüpften Erwartungen nicht erfüllen konnte. Die Defizite der Musterfeststellungsklage liegen vor allem darin, dass Verbraucherinnen und Verbraucher etwaige Geldforderungen auch nach einem positiven Ausgang des Musterfeststellungsverfahren auch individuell durchsetzen müssen.

Verfahrensänderungen im Rahmen der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie sollten nun darauf ausgerichtet sein, dass die Menschen schneller und unkomplizierter zu ihrem Geld kommen und die Justiz gleichzeitig im Hinblick auf die unzähligen Individualverfahren entlastet wird. Die Justizministerien der Länder sind an der Umsetzung der EU-Richtlinie sehr interessiert; sie warten auf die Beteiligung durch das Bundesjustizministerium, um auch die justizpraktischen Belange in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Einmal mehr müssen die Länder und die Justizpraxis aber zuschauen, wie notwendige Reformen auf die lange Bank geschoben werden, weil die Ressorts in der Bundesregierung in unterschiedliche Richtungen ziehen.“

„Die Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie wäre im Übrigen hervorragend für die gleichzeitige Aufnahme neuer prozessualer Regelungen für das Phänomen der Massenverfahren geeignet. Der Regelungsbedarf ist dringend, weil Massenverfahren, zum Beispiel infolge des Diesel-Komplexes, in unverhältnismäßigem Maße personelle Ressourcen in der Justiz binden. Das geltende Prozessrecht ist für Massenverfahren nicht effizient genug. Verfahren ziehen sich dadurch in die Länge. Das läuft den Interessen der Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Verbraucherinnen und Verbraucher, zuwider. Die Justizpraxis und die Länder machen seit Monaten auf den dringenden Handlungsbedarf aufmerksam. Ich weise beispielhaft auf den hessischen Entschließungsantrag „Maßnahmen zur Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren und zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Justiz“ im Bundesrat hin, der im Oktober einstimmig verabschiedet wurde. Zuvor hatten bereits die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs sowie der Deutsche Richterbund mehrfach den Reformbedarf deutlich gemacht. Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch: Hierzu zählen beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren zum Bundesgerichtshof, damit dieser zu grundlegenden Rechtsfragen schneller Leitentscheidungen treffen kann. Weiterhin können Verfahren durch die Verwertbarkeit von Beweisaufnahmen in anderen Prozessen effizienter gestaltet werden. Darüber hinaus sind Strukturvorgaben für den Parteivortrag ein Ansatz. Auch das Thema der Massenverfahren gehört zu den inzwischen zahlreichen Anliegen der Justizpraxis, bei denen sich die 16 Landesministerinnen und Landesminister der Justiz unabhängig von ihrer parteipolitischen Richtung völlig einig sind, sich aber gleichwohl nichts bewegt. Die Länder stoßen mit ihren Anliegen bei Bundesjustizminister Marco Buschmann leider häufig auf Ablehnung oder Desinteresse. Ich hoffe sehr, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Justizpolitik im kommenden Jahr verbessert. Wir sollten viel häufiger mit- statt gegeneinander arbeiten.  Das sind wir der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern für einen handlungsfähigen Rechtsstaat und eine leistungsfähige Justiz gerade in unsicheren Zeiten schuldig“, sagte Roman Poseck abschließend.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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