Diskussion im Berliner Abgeordnetenhaus über Pinochet und Colonia Dignidad.

In Berlin feierten Überlebende und Betroffene der Diktatur von Augusto Pinochet dessen Verhaftung am 17. Oktober 1998 in London. Und im selben Jahr verfolgten Berliner Jurist_innen, Politiker_innen und zivilgesellschaftliche Akteur_innen auch die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs.

Anlässlich der Jahrestage dieser vielfältigen historischen Ereignisse haben die Fraktionen von Die Linke und Bündnis90 / Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL) zur Diskussion eingeladen.

Überlebende, Aktivist_innen und Jurist_innen aus Chile und Deutschland diskutierten, wie transnationale Gerechtigkeit gelingen kann und was noch zu tun bleibe.

Eigentlich war ursprünglich eine Begrüßungsrede des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) vorgesehen. Da dieser jedoch parallel im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses ständig anwesend sein musste, übernahm der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Sebastian Schlüsselburg, diese Aufgabe.

Schlüsselberg im Einzelnen (Auszüge):

„Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Sie im Abgeordnetenhaus Berlin zu begrüßen. Ich will dieses Privileg nicht missbrauchen und werde versuchen, meine Rede kurz zu halten … eine harte Sache für einen Politiker.

Ich finde es passend, dass Sie Ihr Treffen hier in diesem Haus haben, das den Untergang und die Wiedergeburt der Demokratie in Deutschland gesehen hat. Nach 1933 nutzten die Nationalsozialisten es für einige Zeit für den Volksgerichtshof und Hermann Göring verwandelte den Plenarsaal, in dem sich das preußische Parlament zuvor getroffen hatte, in einen Ballsaal, weil er Demokratie und Parlament verachtete.

Aber seit 1993 trifft sich hier das Parlament des Bundeslandes Berlin und das Gebäude ist zum pulsierenden Herzen der Demokratie in Berlin geworden. Dieses Gebäude und dieser Raum, in dem Sie sich heute treffen, sind Symbole für die Zerbrechlichkeit der Demokratie, aber auch für den Willen der Menschen, frei zu sein und sich selbst zu regieren.

Im Jahre 1770 sagte Pitt der Ältere: „Unbegrenzte Macht ist geeignet, die Gemüter derer, die sie besitzen, zu verderben.“, Aber es mag auch wahr sein, dass nur verdorbene Geister überhaupt nach absoluter Macht streben. Denn jedes Mal, wenn – normalerweise – Männer absolute Macht hatten, waren Würde und Menschlichkeit ihre ersten Opfer. Nirgendwo und niemals gab es eine erleuchtete Autokratie. Das ist die Lehre der blutigen Geschichte des 20. Jahrhunderts in unseren beiden Ländern und auf der ganzen Welt. Eine andere Lehre ist, dass Diktatoren und ihre Lakaien und diejenigen, die sich in ihren Schatten verstecken, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, niemals vergeben werden sollte. Sie sollen wissen, dass sie sich nirgendwo auf der Welt vor dem Gesetz verstecken können.

Leider scheint diese Lektion von zu vielen Menschen bereits vergessen zu sein. Daher ist Ihre Arbeit, die Erinnerung an die Diktatur von Pinochet und seinen Lakaien und die abscheulichen Verbrechen der Colonia Dignidad wach zu halten, heute wichtiger denn je.

Lassen Sie mich damit abschließen, indem ich Ihnen heute eine aufgeschlossene und aufschlussreiche Diskussion wünsche. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

In der anschließenden Diskussion ging es in erster Linie um die Verbrechen der Colonia Dignidad, die Pinochet als Folterlager gedient haben soll, und den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf

20180920-Beschluss-III-3-AR-158-17-

der hinsichtlich des Lagerarztes der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, ein Vollstreckungshindernis erkannte.

Colonia Dignidad: In Deutschland weiterhin keine Gerechtigkeit in Sicht.

Chilenisches Urteil gegen ehemaligen Arzt der Colonia Dignidad nicht vollstreckbar.

Dieser Beitrag wird in Kürze weiter ergänzt.

Hier geht’s vorerst zur Diskussion:

Videovorschau (v.l.n.r.): Wolfgang Kaleck, Generalsekretär und Legal Director des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, Naomi Roht-Arriaza, Professorin, University of California, Hastings College of the Law, Lena Kampf, Journalistin (Moderatorin der Diskussion), Angela Mudukuti, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Völkerstrafrecht, Wayamo Foundation, Berlin

20 YEARS AFTER PINOCHET'S ARREST: THE PAST AND PRESENT OF TRANSNATIONAL JUSTICE

Livestream: 20 years after Pinochet's arrest: the past and present of transnational justice.Note the first discussion starts at minute 11 and the second discussion at 2 hours and 4 minutes.Vielen Dank an die Rosa-Luxemburg-Stiftung für die Unterstützung der Events in Krefeld und in Berlin!

Publiée par ECCHR – European Center for Constitutional and Human Rights sur Mercredi 17 octobre 2018

Foto links: Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Foto rechts (v.l.n.r.): Andreas Schüller, ECCHR, Petra Schlagenhauf, Vertrags- und Kooperationsanwältin des ECCHR, Ute Löhning, Journalistin (Moderation), Winfried Hempel, Rechtsanwalt in Krefeld, Jahn Stehle, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika.

Fotoquelle und Collage: TP Presseagentur Berlin

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