(es gilt das gesprochene Wort).
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
liebe Frau Büdenbender,
sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin,
sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
sehr geehrte stellvertretende Vereinigungsministerin der Republik Korea,
sehr geehrter Herr Doyen des Diplomatischen Korps,
Exzellenzen und internationale Gäste, ganz besonders aus dem Ostseeraum und
unseren Partnerregionen aus Polen, der Ukraine und der USA,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern,
sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
hohe Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirchen und
Religionsgemeinschaften,
Vertreter der Bundeswehr,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Mitglieder der Bürgerdelegationen,
liebe Gäste,
herzlich willkommen in Mecklenburg-Vorpommern. Herzlich willkommen in unserer schönen Landeshauptstadt Schwerin, herzlich willkommen in unserem wunderschönen mecklenburgischen Staatstheater! Ich begrüße auch alle, die diesen Festakt an der Leinwand vor dem Theater oder zuhause im Fernsehen oder im Livestream verfolgen.
Auf dem Platz vor diesem Theater, dem Alten Garten, versammelten sich vor 35 Jahren am 23. Oktober 1989 etwa 40.000 Menschen und forderten Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Pressefreiheit und freie Wahlen. Als im Westen kaum jemand an Veränderung im Osten glaubte, haben die Menschen in der DDR Freiheit und Demokratie gefordert. Sie haben mit ihrer friedlichen Revolution die Diktatur und die innerdeutsche Grenze zu Fall gebracht.
Ich war damals 15. Die Menschen, die demonstriert haben, haben auch für mich und meine Generation und auch für die nachfolgenden Generationen Demokratie und Freiheit erkämpft. Sie konnten sich nicht sicher sein, ob sie am Abend zu ihren Familien nach Hause kommen oder im Stasi-Knast landen. Ich danke allen von Herzen, die damals so aufrecht und so mutig waren. Ohne sie wären wir alle heute nicht hier.
Mit dem Sturz der Mauer am 9. November 1989 begann auch der Weg zur Deutschen Einheit. Es ist ein großes Glück, dass wir seit 34 Jahren in einem vereinten Land in Frieden, Freiheit und Demokratie leben. Das ist alles andere als selbstverständlich. Wir haben allen Grund, mit Stolz und Dankbarkeit unseren Nationalfeiertag gemeinsam zu feiern.
Seit der Vereinigung Deutschlands haben sich Mecklenburg-Vorpommern und die anderen ostdeutschen Länder enorm entwickelt. Unsere Städte und Dörfer sind schöner geworden. Zum Beispiel unsere Landeshauptstadt Schwerin: Das Schloss und das Residenzensemble sind gerade von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet worden. Darüber freuen wir uns sehr.
So hart der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel nach der Vereinigung auch war: Wir haben ihn bewältigt. Erfolgreiche Unternehmen sind entstanden. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich zurückgegangen. Die Abwanderung aus dem Osten ist gestoppt. Mecklenburg-Vorpommern war 2023 und auch im ersten Halbjahr 2024 das Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in Deutschland. Ost und West haben von der Deutschen Einheit profitiert. Die Westdeutschen haben unsere schöne Ostseeküste dazugewonnen – und wir Ostdeutschen die schönen Alpen. Und die ehemalige innerdeutsche Grenze ist jetzt unser grünes Band – ein Naturschutzgebiet, das uns verbindet. Wir haben seit der Vereinigung Deutschlands gemeinsam eine Menge geleistet und erreicht. Darauf können wir in Ost und West gemeinsam stolz sein.
Wir haben in die Deutsche Einheit viel mehr eingebracht als Rotkäppchen-Sekt und das Ampelmännchen. Ich bin mir sicher: Ohne den Osten mit seinem guten Kita-Angebot und ohne das Selbstbewusstsein der ostdeutschen Frauen gäbe es in ganz Deutschland noch immer keinen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Und die neuen medizinischen Versorgungszentren haben ein Vorbild auch in den Polikliniken im Osten. Der Osten kann mit seinen Erfahrungen und Lösungen ganz Deutschland bereichern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt 34 Jahre nach der Deutschen Einheit aber noch immer Benachteiligungen, mit denen wir uns nicht abfinden dürfen. Die unterschiedlichen Löhne. Das geringere Vermögen. Weniger große Unternehmen. Wir sind auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen weit vorangekommen. Aber wir haben unser Ziel noch nicht erreicht.
Andere Unterschiede resultieren aus verschiedenen Lebenserfahrungen. Erfahrungen aus dem Leben in einer Diktatur vor 1989. Aber auch Erfahrungen mit Umbrüchen, Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Abwertung nach 1989. Ich habe das selbst erlebt, als mein Vater damals arbeitslos wurde, weil sein Betrieb geschlossen wurde. Wir dürfen nicht vergessen: Für die meisten Menschen in den westdeutschen Ländern änderte sich durch die Deutsche Einheit nicht viel. Aber für uns Menschen in Ostdeutschland veränderte sich hingegen fast alles.
Es ist angesichts dieser Erfahrungen nachvollziehbar, dass die Sorge, das Erreichte könne wieder verloren gehen, in Ostdeutschland ausgeprägter ist.
Der Osten bleibt anders: mit seinen Erwartungen und Erfahrungen, mit seinen Einstellungen und Lebensentwürfen. Über diese Unterschiede sind wir in der Vergangenheit zu oft hinweggegangen. Das muss sich ändern. Wir müssen einander ernst nehmen, einander auf Augenhöhe begegnen. Und wir dürfen nicht nur dann nach Ostdeutschland schauen, wenn es Probleme gibt. Der Osten muss stärker wahrnehmbar sein. In Debatten genauso wie in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Meine Damen und Herren,
heute stehen wir vor neuen großen Herausforderungen: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die europäische Friedensordnung zerstört.
Wir alle wünschen den Menschen in der Ukraine ganz besonders an diesem Tag, was wir heute in Deutschland feiern: ein Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie.
Zum Krieg und seinen Folgen kommen mit der Migration, dem wirtschaftlichen Strukturwandel und dem Klimaschutz weitere große Herausforderungen.
Ich bin davon überzeugt: Wir müssen diese Herausforderungen gemeinsam anpacken. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass Politik nicht vom Dauerstreit, sondern vom gemeinsamen Bemühen um die beste Lösung geprägt ist.
Auch heute sind sich die Menschen in Deutschland in vielen Punkten einig: Marktwirtschaft ja, aber sozial abgefedert. Soziale Sicherheit ja, aber unter Einhaltung des Leistungsprinzips. Zuwanderung ja, aber geordnet und gekoppelt an Integrationsbereitschaft. Klima- und Umweltschutz ja, aber machbar für alle.
Die Welt besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß. Die harte Polarisierung, die wir in der politischen und gesellschaftlichen Debatte, auf den Straßen, im Netz bis hin zu Diskussionen am Abendbrotstisch erleben, tut unserem Land nicht gut. Wir müssen wieder stärker zusammenfinden. Und wir sollten nicht auf die hören, die am lautesten sind. Sondern auf diejenigen, die sich tagtäglich für unsere Gesellschaft einsetzen. Wie die vielen Frauen und Männer aus den Bürgerdelegationen aus den 16 Ländern das täglich im Ehrenamt tun.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Sinn steht unser Motto für den Tag der Deutschen Einheit „Vereint Segel setzen“. Bei uns im Norden sagt man: Egal, wie der Wind weht; wir müssen die Segel richtig setzen. Miteinander, nicht gegeneinander. Dabei ist unsere wichtigste Aufgabe, gemeinsam dafür zu sorgen, dass auch kommende Generationen in Frieden, Freiheit und Demokratie leben können.Lassen Sie uns vereint Segel setzen. Für ein geeintes Deutschland. Für die Menschen. Für eine gute Zukunft unseres Landes.
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin (Archivfoto)