Ein Unrechtsstaat war nicht hochverratsfähig.

Widerstand – Freiheit – Demokratie.

80 Jahre Hitler-Attentat.

Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, 20. Juli 2024.

Wir erinnern uns – 80 Jahre zurück: Es ist der 20. Juli 1944.

Bis in die 1950er-Jahre wurden die Mitglieder des versuchten Staatsstreichs infolge der NS-Propaganda als „Verräter“ beschimpft. Erst durch den von Fritz Bauer als Ankläger im Jahre 1952 vor der großen Strafkammer in Braunschweig geführten Remer-Prozess änderte sich der Blick auf den militärischen Widerstand. Fritz Bauer sah es als die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Widerstandsgruppe um den 20. Juli 1944 zu rehabilitieren.

Was war passiert …?

Der Widerstand plante einen Staatsstreich; das NS-Regime sollte gestürzt und unter Ludwig Beck eine Übergangsregierung geschaffen werden. Aufgrund des „Führereids“ – die Mitglieder der Wehrmacht hatten einen Eid auf Hitler schwören müssen – wurde der Tod Hitlers hierfür als Grundvoraussetzung gesehen. Ab Juli 1944 bot sich hierzu aus Sicht der Widerstandskämpfer eine Gelegenheit: Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde dem Befehlshaber des Ersatzheeres, General Fromm, als dessen Chef des Stabes zugeteilt. Als solcher hatte er auch Zugang zu Lagebesprechungen in der „Wolfsschanze“.

Am 20. Juli 1944 waren einige Besprechungen anberaumt. Am frühen Morgen flog Stauffenberg vom Berliner Flugplatz Rangsdorf zu dem Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in dem damaligen Ost-Preußen, heute Polen. Trotz einiger Hindernisse gelang es Stauffenberg wie geplant, eine Kofferbombe in dem Besprechungsraum in Anwesenheit Hitlers zu zünden. Hitler überlebte das Attentat jedoch mit nur leichten Verletzungen.

Stauffenberg allerdings wusste zunächst nichts von seinem Scheitern und flog – in der festen Überzeugung, erfolgreich gewesen zu sein – zurück nach Berlin. Als Nächstes sollte der eigentliche Kern des von langer Hand vorbereiteten Staatsstreichs umgesetzt werden – die Operation „Walküre“. Diese wurde aber bereits in ihren Anfängen wieder abgebrochen. Schon am späten Nachmittag meldete der Rundfunk, Hitler habe überlebt – in derselben Nacht fiel der Umsturzversuch gänzlich in sich zusammen.

Der Remer-Prozess

Der ehemalige Generalmajor Otto Ernst Remer verunglimpfte die Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 u.a. in einer Wahlkampfrede in Braunschweig als Hoch- und Landesverräter und wurde deshalb vom damaligen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Braunschweig wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener angeklagt.

Bereits hier ließ sich Bauers Ziel erkennen: Die Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts. Eine Anklage wegen übler Nachrede setzt voraus, dass eine unwahre Tatsache („nicht erweislich wahr“) behauptet wird. Durch den Anklagevorwurf auf der Grundlage dieses Straftatbestands konnte Bauer sicherstellen, dass sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzen musste, ob Remers Aussage, die Widerstandskämpfer seien Verräter, sachlich wahr oder unwahr gewesen ist. Fritz Bauer wollte durch ein demokratisches, unabhängiges Gericht festgestellt wissen, dass die Männer des 20. Juli 1944 keine Hoch- und Landesverräter waren, sondern das Recht auf Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime hatten.

Die zentrale Aussage in Fritz Bauers Plädoyer lautete, dass ein „Unrechtsstaat wie das Dritte Reich […] überhaupt nicht hochverratsfähig“ sei. Die „gesamte Gesetzgebung des Dritten Reiches“ – so Bauer – habe „den Grundsatz der Gleichheit grundsätzlich abgelehnt“ und sei überhaupt kein Recht.

„Ein Unrechtsstaat, der täglich zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr.“ (Fritz Bauer)

Das Landgericht Braunschweig unter dem Vorsitz des damaligen Landgerichtsdirektors Heppe bestätigte daraufhin mit seinem Urteil, „dass der nationalsozialistische Staat kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat war, der nicht dem Wohle des deutschen Volkes diente.“ Otto Ernst Remer wurde am 15. März 1952 wegen übler Nachrede in Tateinheit mit der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Damit wurde zum ersten Mal das Handeln der Widerstandskämpfer von einem deutschen Gericht als rechtmäßiger Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime anerkannt. Eine historische Wende und zugleich ein richtungsweisendes Ereignis für die Bewertung des Widerstands.


Damals und heute. Erinnerungskultur gegen Geschichtsvergessenheit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*