Eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren im Falle der Markenfälschung kann sich als unverhältnismäßig herausstellen.

Ein Strafverfahren wegen Markenfälschung wurde in Bulgarien gegen eine Eigentümerin eines Unternehmens eingeleitet, das Bekleidung verkauft. Die bulgarischen Behörden führten in einem von diesem Unternehmen gemieteten Geschäftslokal eine Kontrolle durch. Sie stellten fest, dass die auf den Waren angebrachten Zeichen bereits eingetragenen Marken ähnlich waren. Die Händlerin wurde wegen Benutzung der Marken ohne Zustimmung ihrer Inhaber vor das zuständige bulgarische Gericht gestellt. Das bulgarische Recht sieht Vorschriften vor, die dasselbe Verhalten sowohl als Straftat als auch als Ordnungswidrigkeit definieren.

Das bulgarische Gericht ersucht den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung in Bezug auf die Vereinbarkeit des bulgarischen Rechts zur Ahndung der Markenfälschung mit dem Unionsrecht, da die vorgesehenen Sanktionen hoch seien und das Fehlen eines klaren und eindeutigen Kriteriums für die Einstufung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu einander widersprechenden Praktiken und zu einer Ungleichbehandlung von Einzelnen führe, die praktisch die gleichen Handlungen begangen hätten.

Erstens weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Markenfälschung vom nationalen Recht sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat eingestuft werden kann. Insoweit betont er, dass nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen Strafvorschriften hinsichtlich der Definition sowohl des Straftatbestands als auch des Strafmaßes zugänglich, vorhersehbar und klar sein müssen. So muss jeder Bürger erkennen, welches Verhalten seine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet. Dass Markenfälschung in Bulgarien auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann, bedeutet keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz.

Zweitens verstößt nach Ansicht des Gerichtshofs eine nationale Rechtsvorschrift, die im Fall der wiederholten oder mit schwerwiegenden schädigenden Folgen einhergehenden Benutzung einer Marke eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht, gegen das Unionsrecht. Der Gerichtshof erläutert, dass die Mitgliedstaaten, auch wenn die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums1 strafrechtlich nicht zur Anwendung kommt, aufgrund des TRIPS-Übereinkommens2, das sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten bindet, eine Haftstrafe für bestimmte Markenfälschungsstraftaten vorsehen können. In Ermangelung von Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene sind die Mitgliedstaaten zwar befugt, die Art und Höhe der anwendbaren Sanktionen zu wählen. Diese repressiven Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig sein. Wird aber für alle Fälle der ohne Zustimmung erfolgten Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vorgesehen, so ist diesem Gebot nicht Genüge getan. Eine solche Regelung berücksichtigt nämlich nicht die etwaigen spezifischen Umstände der Begehung dieser Straftaten.

HINWEIS: Mit einem Vorabentscheidungsersuchen haben die Gerichte der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union vorzulegen. Der Gerichtshof entscheidet dabei nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zugrundelegung der Entscheidung des Gerichtshofs vom nationalen Gericht zu entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Der Volltext und gegebenenfalls die Zusammenfassung des Urteils werden am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.

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