Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamten wegen tödlicher Schüsse eingestellt.

Eine Strafbarkeit des Beamten, welcher bei dem Polizeieinsatz am 28.10.2018 in der Gabelsbergerstraße tödliche Schüsse mit seiner Dienstwaffe abgegeben hat, sei nach abschließender Prüfung der Staatsanwaltschaft Braunschweig nicht gegeben.

Der später Angeschossene habe nach Auswertung der Zeugenaussagen den eingesetzten Beamten mit ausgestreckter Waffe gegenübergestanden und auf diese gezielt. Er habe, so das Ergebnis der Ermittlungen, darüber hinaus den Schlitten der Waffe wie zum Durchladen zurückgezogen und gegenüber den Beamten sinngemäß geäußert, er werde sie „fertig machen“. Für den Beamten sei demnach der Eindruck entstanden, der später Angeschossene werde unverzüglich einen oder mehrere Schüsse in seine Richtung abgeben.

Da es sich um eine ungeladene Schreckschusswaffe handelte, bestand zwar keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben des Beamten; dies sei jedoch für ihn und seine Kollegen vor Ort nicht erkennbar gewesen. Wegen der Beschaffenheit der Waffe lag eine echte Notwehrlage im Sinne des Strafgesetzbuches nicht vor, allerdings hätte der Beamte eine solche wegen der Gesamtumstände angenommen. In derartigen Irrtumsfällen über das Vorliegen einer Notwehrlage (so genannte „Putativnotwehr“) lässt dieser Irrtum nach den hierzu vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen die Vorsatzschuld entfallen.

Auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung kommt nach dem Ermittlungsergebnis nicht in Betracht. Es sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen für den Beamten nicht möglich, vor Ort zu erkennen, dass der später Angeschossene lediglich eine ungeladene Schreckschusswaffe in der Hand hielt, denn diese sah einer echten Waffe täuschend ähnlich. Im Hinblick auf die akute Angriffssituation durch den Geschädigten konnte es dem Beamten auch nicht zugemutet werden, sich direkt in die Gefahrensituation zu begeben, um die Waffe möglicherweise aus der Nähe weiter untersuchen zu können.

Der Beamte habe auch die Grenzen des ihm nach seiner Auffassung in dieser Situation zustehenden Notwehrrechts nicht überschritten. Nach dem allgemeinen notwehrrechtlichen Grundsatz ist der Verteidiger berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist er auf die für den Angreifer weniger einschneidende Abwehrmöglichkeit nur dann verwiesen, wenn ihm genug Zeit zur Auswahl sowie zur Abschätzung der Gefährlichkeit zur Verfügung steht und die für den Angreifer weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei und sofort auszuräumen. Ein nicht bloß geringes Risiko, dass das mildere Mittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit mehr für den Einsatz des stärkeren bleibt, braucht der Verteidiger zur Schonung des rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen.

Zwar kann der lebensgefährliche Einsatz einer Schusswaffe nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. Allerdings seien vorliegend mildere Mittel zur Abwendung der Gefahr als der Gebrauch der Schusswaffe nicht ersichtlich gewesen. Der Beamte habe nach Auswertung aller Zeugenaussagen den später Angeschossenen zunächst darauf hingewiesen, dass er Polizeibeamte vor sich habe und ihn zudem mehrfach lautstark aufgefordert, die Waffe wegzulegen. Erst dann hat er mehrere Schüsse abgegeben, wobei der später Angeschossene auch nach den ersten Schüssen des Beamten seine Waffe nicht sinken ließ. Dabei ist davon auszugehen, dass die abgegebenen Schüsse nicht dazu dienen sollten, den Geschädigten zu töten, sondern nur dazu, ihn kampfunfähig zu machen.

Nach den Bekundungen einer Beamtin wird davon ausgegangen, dass erst der letzte Schuss den Angeschossenen traf und zu den todesursächlichen Verletzungen führte. Dies ergibt sich auch aus den rechtsmedizinischen Feststellungen, wonach die erlittenen Verletzungen derart schwer waren, dass von einem unmittelbaren Kreislaufversagen auszugehen ist.

Das Ermittlungsverfahren ist daher gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Gegen die Einstellung des Verfahrens wurde von Angehörigen Beschwerde eingelegt. Die Akten befinden sich derzeit bei der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig zur Entscheidung über die Beschwerde.

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