Freispruch für Graffiti-Sprayer.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat einen Graffiti-Künstler vom Vorwurf des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen und der Beleidigung zum Nachteil des Bayerischen Ministerpräsidenten freigesprochen.

Das Amtsgericht Nürnberg hatte den Angeklagten wegen eines von ihm an einer Feldscheune angebrachten Graffitis mit Nazi-Symbolik in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte die Verurteilung in zweiter Instanz bestätigt.

Auf die Revision des Angeklagten hob nun der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts die Verurteilung auf und sprach den Angeklagten frei.

Der Angeklagte hat an der Wand einer Feldscheune ein Graffiti ähnlich einer Postkarte gestaltet. Es zeigt verknüpft mit dem Schriftzug „Liebesgrüße aus Bayern“ in einem oberen Feld eine uniformierte Person, deren eine Gesichtshälfte als Totenschädel dargestellt ist und deren andere Gesichtshälfte dem Konterfei des Bayerischen Ministerpräsidenten ähnelt. Die zwei kleineren Bilder darunter zeigen Personen in Polizeiuniform bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs. Die Vorinstanzen sahen in dem Graffiti die Grenzen der Kunstfreiheit überschritten. Der Senat kam nun zu einem anderen Ergebnis und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Zwar sei die vom Angeklagten abgebildete Uniform aufgrund der verwendeten gestalterischen Elemente geeignet, Erinnerungen an eine SS-Uniform zu wecken. Sie enthalte aber keine Merkmale, die eine eindeutige Beurteilung als verfassungswidriges Kennzeichen rechtfertigen würden. Die schwarze Farbe, die Schirmmütze mit Kordel und das quadratische Rangabzeichen am Kragen machten das Abbild in der Gesamtschau nicht zu einer zum Verwechseln ähnlichen Original-Uniform einer nationalsozialistischen Organisation. Auch die dargestellte Schädelhälfte wecke zwar Assoziationen zum stilisierten Totenkopfabzeichen der SS-Verbände, enthalte aber zugleich deutliche Abweichungen hiervon. Abbildungen, die lediglich den Anschein eines verfassungswidrigen Kennzeichens erwecken, erfüllen jedoch nicht den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Angeklagte habe mittels eines auf der Krawatte abgebildeten Fragezeichens selbst seine Distanzierung hiervon deutlich zum Ausdruck gebracht.

Der Graffiti-Künstler kann sich nach Auffassung des Senats zudem – auch hinsichtlich des Tatvorwurfs der Beleidigung – auf die Kunstfreiheit berufen.

Das von ihm geschaffene Graffiti-Bild sei nach allen vom Bundesverfassungsgericht geprägten Begriffen Kunst. Dem stehe nicht entgegen, dass der Künstler mit dem Stilmittel der Satire undifferenziert und plakativ Kritik an dem von ihm empfundenen Missständen im Bereich polizeilicher Gewalt und deren politischer Billigung zum Ausdruck bringen wollte. Ein Künstler darf sich in seiner Kunst auch politisch, überspitzt oder polemisch äußern, denn Kunst und Meinungsäußerung schließen sich nicht aus. Dem Stilmittel der Satire seien zudem Verzerrungen, Verfremdungen und Übertreibungen immanent. Unabhängig davon, ob der Angeklagte die in dem Graffiti als Uniformträger nur durch eine Gesichtshälfte augenzwinkernd dargestellte Person als Symbol für die Staatsmacht im Allgemeinen oder als den Bayerischen Ministerpräsidenten als Repräsentanten der (vollziehenden) Staatsgewalt darstellen wollte, handle es sich um eine zulässige Kritik am System, die die Grenzen der Kunstfreiheit nicht überschreitet. Eine schwerwiegende Verunglimpfung des Staates oder einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person sah der Senat, der in der Abwägung neben der Kunstfreiheit des Angeklagten vor allem die Grundrechte der abgebildeten Person, insbesondere die Menschenwürde berücksichtigte, in der Gesamtschau aller in die Bewertung einzustellenden Umstände bei der gebotenen kunstfreiheitsfreundlichen Betrachtung unter dem Aspekt der satirischen Machtkritik nicht.

Rechtsmittel gegen diese Entscheidung gibt es nicht.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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