Fußfessel für Gefährder ist Placebo mit gefährlichen Nebenwirkungen.

„Wer handelt, ohne eine fundierte Analyse gemacht zu haben, betreibt reine Symbolpolitik. Ohne überhaupt ansatzweise die Untersuchungen im Fall Amri abzuwarten, beschließt die Bundesregierung eine gefährlich ineffektive und rechtsstaatlich höchst problematische Maßnahme. Seriöse Innenpolitik sieht anders aus. DIE LINKE lehnt den Einsatz der elektronischen Fußfessel für islamistische Gefährder als unverhältnismäßig und unbrauchbar ab. Entweder eine Person bietet so klare Anhaltspunkte für die baldige Begehung einer Straftat, dass sie ohnehin rund um die Uhr überwacht werden oder in Gewahrsam genommen werden muss, oder dies ist nicht der Fall, und dann ist auch das Anlegen einer elektronischen Fußfessel verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Alles andere wäre ein Verstoß gegen die gesetzliche Unschuldsvermutung“, erklärt Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zu der heutigen Kabinettsentscheidung, durch eine entsprechende Änderung des BKA-Gesetzes künftig islamistische Gefährder mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen.

Korte weiter:

„Die Regelung ist derart unbestimmt, dass sie einen solch massiven Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und Freiheitsrecht der Betroffenen nicht rechtfertigen kann. Voraussetzung soll unter anderem sein, dass die betroffene Person durch ihr ‚individuelles Verhalten eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet‘ eine terroristische Straftat zu begehen. Gerade das wäre im Fall Amri aber nicht der Fall gewesen, der nun als Begründung herhalten soll. Wenn die Bundesregierung an ihren Fußfesselplänen festhält, riskiert sie zudem, dass das neue BKA-Gesetz wieder vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen wird. So ein Risiko einzugehen ist ebenfalls unverhältnismäßig, berücksichtigt man den geringen Effekt, den man davon hat. Die Fußfessel kann einzig zur Überwachung kooperationswilliger Menschen eingesetzt werden. Aber sie hält niemanden vom Morden ab. Sie verhindert au  ch nicht das Untertauchen Verdächtiger. Die Fußfessel bringt also keinen zusätzlichen Nutzen. Sie mag das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhöhen, aber sie erhöht nicht ihre Sicherheit. Ein klassisches Placebo also, allerdings mit gefährlichen Nebenwirkungen für unseren Rechtsstaat.“

Eine Antwort

  1. „Placebo“ = völlig zutreffend! Gestriger Kabinettsbeschluss aus Berlin ist in der Sache bezüglich der BKA-Gesetzesänderung hinsichtlich der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (= elektronische Fußfessel – kurz: EF) vollkommen am Ziel vorbei „geschossen“. Die Sicherheit mit Mitteln (EF) im Lande versuchen herzustellen, zu denen seit Jahren beim Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerde auch von meinen Mandanten aus Ost- und Westdeutschland – aus dem Bereich der Führungsaufsicht, Weisung gemäß § 68b Ziffer 12 StGB) – zur Entscheidung liegen, grenzt schon an politischen Wunschvorstellungen, die die EF-Realität nicht kennen und auch nicht überblicken. Auch im Bereich der Terrorismusabwehr und / oder der Überwachung von potentiellen „Gefährdern“ ist die EF ein völlig ungeeignetes Mittel, wenn nicht sogar auch hier verfassungswidrig. Und: wo bleibt die – notwendige! – Willkommenskultur für Ausländer, legal einreisenden Flüchtlinge und Asylanten? Auch ich habe rund 20 Jahre in unterschiedlichen Überseeländern gelebt und weiß sehr wohl, was es heißt i Eem andere Kulturkreis ein „Ausländer“ zu sein. Jüngst erlebte Schilderungen in Deutschland von Schwarzafrikanern, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und ungerechtfertigte Gewalt, Beleidigungen bis hin zum Bespucken „erleiden“ müssen und auch von staatlichen Stellen nicht mit Seidenhandschuhen angefasst werden, bringen mich zum Erschaudern! Als EF-erfahrener Anwalt – Medien bezeichneten mich schon mal als den „Fußfessel-Anwalt“ – wäre ich grundsätzlich bereit, auch potentielle „Gefährder“ mit der EF gemäß BKA-Gesetz bis hin zum BVerfG in Karlsruhe rechtlich als Strafverteidiger zu vertreten.

    RA & Fachanwalt für Strafrecht Helfried Roubicek, http://www.strafverteidiger-ostsee.de

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