„Gewalt an Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts gehört geächtet“.

Am heutigen 7. Februar 2024 jährt sich der Todestag von Hatun Aynur Sürücü zum neunzehnten Mal.

Die Berlinerin Hatun Aynur Sürücu wurde am 7. Februar 2005 durch ihren Bruder ermordet, weil sie sich nicht den patriarchalen Vorstellungen von Teilen ihrer Familie beugen und stattdessen ein selbstbestimmtes Leben führen wollte.

Als Zeichen der Anteilnahme und Erinnerung haben die Bezirksbürgermeister von Neukölln, Martin Hikel, und von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann, sowie die Bezirksverordnetenvorsteher Karsten Schulze und Stefan Böltes am Gedenkstein in der Oberlandstraße einen Kranz niedergelegt und gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie dem Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung der Ermordeten gedacht. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner sowie die Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung Cansel Kiziltepe hielten die Hauptreden.

Kai Wegner
Cansel Kiziltepe
Jörn Oltmann

Regierender Bürgermeister von Berlin Kai Wegner: „Wir erinnern heute an Hatun Aynur Sürücü, die im Alter von 23 Jahren ermordet wurde, weil sie sich dem Zwang und der Unterdrückung ihrer Familie nicht unterwarf, sondern ein eigenständiges Leben führen wollte. Femizide erwachsen aus archaischen Rollen- und Frauenbildern und finden heute leider immer noch statt. Mehr als 120 Femizide gab es im Jahr 2022 in Deutschland – das bedeutet: Etwa jeden dritten Tag wurde eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Auch in Deutschland gibt es immer noch Zwangsehen. Noch immer gibt es Familien, die Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu Bildung und Beruf erschweren. Wir leben in Berlin in einer offenen und toleranten Gesellschaft, wir werden nicht tolerieren, dass Mädchen und Frauen in Angst vor Gewalt leben müssen. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Das ist die Mahnung, die wir heute mit dem Gedenken an Hatun Aynur Sürücü und an die weiteren Opfer von Gewalt gegen Frauen in Berlin verbinden.“

Senatorin Cansel Kiziltepe: „Wir erinnern uns heute gemeinsam an Hatun Sürücü, die hier an dieser Stelle vor 19 Jahren ermordet wurde. Sie hat den Wunsch, nach ihren ganz eigenen Vorstellungen leben zu wollen, mit ihrem Leben bezahlt. […]

Hatuns Schicksal ist – nicht zuletzt durch die Debatte, die ihr Tod ausgelöst hat – zu einem Sinnbild für Zwangsverheiratung und sogenannte ‚Gewalt im Namen der Ehre‘ geworden. Ihre Ermordung war ein Femizid, die extremste Form von Gewalt gegen Frauen. Wenn wir heute ihres Todes gedenken, denken wir auch an die anderen Mädchen und Frauen, die getötet wurden oder Gewalt erfahren, weil sie Mädchen bzw. Frauen waren – überall auf der Welt, auch hier in Berlin. Das dürfen wir nicht als gegeben hinnehmen!

Mit der Istanbul Konvention haben wir ein mächtiges Instrument, dass uns alle im Kampf gegen Gewalt an Frauen stärkt und Wege aufzeigt, wie uns dies gelingen kann.

Ich bin froh, dass der Senat im Oktober 2023 den Landesaktionsplan zur Umsetzung dieser Konvention beschlossen hat – viele der hier Anwesenden waren an seiner Erarbeitung auch beteiligt. […]

Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der sogenannten Ehre sind komplexe Gewaltphänomene. Dieser Komplexität möchten wir bei der Umsetzung der Istanbul Konvention Rechnung tragen, und ich bin froh, dass so viele Expertinnen und Experten dabei mitwirken. Ein besonderes Anliegen ist mir die Prävention: wir brauchen Maßnahmen, die frühzeitig und zielgerichtet greifen, so dass Zwangsverheiratungen und Gewalttaten im Namen der Ehre verhindert werden und Schicksale wie das von Hatun Sürücü sich nicht wiederholen. […]

Unser Ziel ist es, jedem betroffenen Mädchen, jeder betroffenen Frau die Unterstützung zukommen zu lassen, die in ihrer individuellen Situation die passende ist und die ihr hilft, der Gewaltsituation zu entkommen.

Lassen Sie uns gemeinsam weiter alles dafür tun, dass alle Frauen und Mädchen – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer sexuellen Identität – in Berlin sicher und selbstbestimmt leben können.“

v.l. hinten: Jörn Oltmann, Martin Hikel; v.l. vorne: Cansel Kiziltepe, Kai Wegner,

Jörn Oltmann, Bezirksbürgermeister Tempelhof-Schöneberg: „Es ist traurige Realität, dass jeden dritten Tag in Deutschland ein Femizid geschieht. Frauen werden ermordet nur weil sie Frauen sind. Dies sind Umstände, die wir auf keinen Fall so hinnehmen können. Erstmals und künftig nur noch gemeinsam mit dem Bezirk Neukölln machen wir deutlich, dass Gewalt keinen Platz hat. Gewalt an Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts gehört geächtet. Wir werden unsere Kräfte bündeln, damit unsere Gesellschaft sensibilisiert bleibt und Gewalt nicht zulässt. Mein Dank geht an all diejenigen, die jeden Tag Betroffene beraten und unterstützen.“

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel: „Hatun Sürücü wollte nur eins: ihr gutes Recht auf ein freies Leben, in dem freien Land, in dem sie geboren wurde. Sie wagte den Schritt, aus dem ihr von der Familie vorgegebenen Rollenbild auszubrechen – und musste letztlich dafür mit dem Leben bezahlen. Dieser schreckliche Femizid ist auch nach 19 Jahren immer noch unfassbar und gleichzeitig Mahnung an uns alle. Wir dürfen es nicht tolerieren, dass auch heute noch Mädchen und Frauen Angst vor Gewalt oder sogar vor dem Tod haben müssen, weil sie ein freies, selbstbestimmtes Leben führen möchten.“

Mit der stetigen Erinnerung an Hatun Sürücü soll die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Thematik einer systematischen Gewalt an Frauen wachgehalten und ein Bewusstsein für problematische Rollenbilder der Geschlechter geschaffen werden.

Wegner mit Imamin Seyran Ateş
Hatun-Sürücü-Brücke in Neukölln

Neben der öffentlichen Kranzniederlegung finden heute in den Bezirken auch weitere Veranstaltungen statt, die sich mit dem Femizid an Hatun Sürücü und dem Rollenbild und einem selbstbestimmten, gewaltfreien Leben von Mädchen* und Frauen* in der heutigen Gesellschaft beschäftigen.

Fotoquellen/Video: TP Presseagentur Berlin

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