Grundgesetz 75: Wehrhaft für die Zukunft der Demokratie.

Anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes hat die Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, Dr. Felor Badenberg, zu einer Diskussionsveranstaltung „Grundgesetz 75: Wehrhaft für die Zukunft der Demokratie“ ins Kammergericht in Berlin eingeladen.

Natürlich wurde dabei auch das gestrige Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW über die Einstufung der „AfD“ als rechtsextremistischer Verdachtsfall erörtert und ob es Sinn macht, diese Vereinigung zu verbieten.

Felor Badenberg

Nachdem Senatorin Badenberg die Veranstaltung mit einer Rede zum Thema „Wehrhafte Demokratie“ eröffnet hatte, gab der ehemalige Bundestagsabgeordnete  Wolfgang Bosbach einen weiteren inhaltlichen Impuls. Auf dem Podium diskutierten dann die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Bundestagsabgeordnete Dr. Irene Mihalic, Bundesminister a.D. Dr.jur.h.c. Gerhart Baum, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang und die stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des Tagesspiegel, Stefanie Witte, anstelle dessen angekündigten Herausgebers Stephan-Andreas Casdorff, der nicht erschienen war. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kerstin Anabah, Leiterin der Pressestelle bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.

Dabei wurde auf die Herausforderungen und Gefahren der Demokratie eingegangen. Doch auch ein optimistischer Blick in die Zukunft sei gerechtfertigt, beispielsweise durch das große zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland. Einigkeit bestand darin, dass die Demokratie und die verfassungsmäßige Ordnung geschützt werden müssten – sowohl auf Bundesebene als auch auf Länderebene.

Wolfgang Bosbach
Gerhart Baum
Thomas Haldenwang
Irene Mihalic

Irene Mihalic und Wolfgang Bosbach äußerten sich nach der Veranstaltung gegenüber der TP Presseagentur Berlin zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW über die Einstufung der „AfD“ als Verdachtsfall einer rechtsextremistischen Bestrebung vom 13. Mai 2024.

Mihalic: Das Oberverwaltungsgericht NRW hat als unabhängiges Gericht jetzt die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigt. Damit kann das Bundesamt jetzt in Ruhe seine Arbeit machen und die AfD weiter beobachten. Ich würde jetzt aktuell nicht sehen, dass sich daraus eine Verbotsdebatte abzeichnet; wichtig ist natürlich, dass wir als Demokratinnen und Demokraten die AfD politisch stellen; das ist das Eine, und dass wir auf der anderen Seite die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden immer sorgfältig gegeneinander abwägen.

Frage: Wie wollen Sie nun die Wähler ansprechen, damit sie noch weniger „AfD“ wählen und sie in den Meinungsumfragen noch tiefer sinkt?

Mihalic: Die AfD dokumentiert jeden Tag wo sie politisch steht. Wenn Sie zum Beispiel an Europa denken: Sie will aus der EU raus, sie will irgendwie aus allem raus, sie paktiert mit autokratischen Machthabern wie zum Beispiel in China und Russland. Wir müssen den Leuten das erzählen und auch erklären, wie im Gegensatz dazu demokratische Parteien in unserem Land Politik machen, und natürlich müssen wir die Probleme lösen, die da sind. Ich glaube, das gelingt uns manchmal besser, mal schlechter; aber wir müssen den Leuten natürlich auch zeigen, dass der Wesenskern der Demokratie immer der Kompromiss ist und wir als Demokraten in der Lage sind, Kompromisse zu finden.

Frage: Okay, „AfD“-Verbot hin oder her, sehen Sie da wenig Chancen oder Sinn?

Mihalic: Es geht nicht um Chancen oder Sinn, es geht jetzt darum, dass ein AfD-Verbot oder Parteienverbot an sich zu Recht sehr voraussetzungsvoll ist. Dabei müssen wir die Informationen, die vorliegen, sorgfältig gegen die Chancen und Risiken, die in einem Verbotsverfahren liegen, abwägen, und dann daraus die Konsequenzen ziehen.

Ich warne jedoch davor, jetzt ein Verbot ins Schaufenster zu stellen, wo weder Chancen noch Risiken sorgfältig abgewogen wurden. Deswegen steht natürlich an erster Stelle die politische Auseinandersetzung.

Frage: Herr Bosbach, Ihr Statement zu dem gestrigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW?

Bosbach: Ich freue mich über die Entscheidung, weil damit zwei Dinge deutlich werden: Erstens gibt es verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD, die wir sehr ernst nehmen müssen. Da wird zwar immer das Parteiprogramm vorgelegt und gesagt: Zeig mir doch die Stelle, die verfassungsfeindlich ist. Das ist natürlich eine unsinnige Argumentation. Das gesamte öffentliche Auftreten und Wirken der AfD wird verfassungsrechtlich geprüft und auch Äußerungen, soweit man es der AfD zurechnen kann.

Und der zweite Punkt: Jetzt kann das Bundesamt für Verfassungsschutz auf sicherer Rechtsgrundlage auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln die AfD weiterhin beobachten und Erkenntnisse sammeln.

Frage: Mach es wenig Sinn, die „AfD“ zu verbieten?

Bosbach: Also neben den hohen prozessualen Risiken haben wir auch in zwei NPD-Verbotsverfahren nicht obsiegt als Antragsteller…

Frage: … weil die NPD zu klein war…

Bosbach: … ja, das ist das schlechteste Argument, zu sagen: wenn die AfD mehr Zustimmung bekommt, dann müssen wir sie verbieten. Es gibt ja noch ein politisches Argument, und dieses politische Argument wird mit Sicherheit sein: den etablierten Parteien fällt nichts mehr ein, außer einem Verbot der AfD oder einem Verbotsantrag – sie werden mit uns politisch nicht fertig, deswegen wollen sie uns verbieten.

Ich glaube nicht, dass das der AfD schaden würde. Und selbst wenn ein AfD-Verbot Erfolg hätte, das extremistische Gedankengut ihrer Mitglieder, Anhänger, Fans ist ja nach wie vor vorhanden. Dann werden sich neue politische Strömungen bilden, die dann auch Zulauf haben.

Ria R. Halbritter, 1. Vorsitzende der Berliner Strafverteidigervereinigung e.V.
Joe Chialo, Berlins Kultursenator
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG

Fotoquellen: TP Presseagentur Berlin

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