Haftungsrisiken für Freie Journalisten: Augen zu und durch?

Bernhard Jodeleit

Von Bernhard Jodeleit

Journalist – für viele Menschen ein Beruf, der Abwechslung verspricht. Und in der Tat: Wer als Journalist in einem Segment arbeitet, das seinen eigenen Interessen und Kompetenzen entspricht, kann mehr als nur einen spannenden Arbeitsalltag haben. Freie Journalisten können – wenn gut vernetzt und spezialisiert – auch heute noch gut verdienen. Ganz entgegen der weit verbreiteten Meinung, sie verfolgten eine brotlose Kunst, was leider für eine große Gruppe tatsächlich gilt.

Allerdings sind die Risiken für Freie Journalisten in den vergangenen Jahren nicht geringer geworden. Diese Risiken wachsen u.a. aufgrund der Digitalisierung. Schnell berichten, beurteilen, einschätzen, publizieren – das spielte im Journalismus schon immer eine große Rolle. Doch heute hat der Druck zu immer mehr Geschwindigkeit auch Medien erfasst, die sich noch vor einigen Jahren etwas mehr Zeit nehmen konnten (und mussten, wie man damals dachte).

Ob Technologie, Medizin, Wirtschaft oder Umweltschutz: Journalisten müssen selbst komplexe Recherchen, Analysen, Tests (etwa neuer Produkte) und vieles mehr unter immer größerem Zeitdruck und Wettbewerb auf den Punkt bringen und publizieren.

Freie Journalisten sind besonderen Risiken ausgesetzt

Logische Konsequenz: Das Risiko, dass Fehler passieren, wächst. Journalismus ohne Fehler gibt es nicht. Doch das sollte nicht betriebsblind machen, nicht darüber hinwegsehen lassen, dass Risiken gesehen, eingeschätzt und möglichst abgewendet werden müssen. Freie Journalisten sind hier einer besonderen Qualität von Risiko ausgesetzt. Denn Schadenersatzansprüche Dritter, die von Fehlern in der Berichterstattung betroffen sind, können sich sowohl gegen das veröffentlichende Medium als auch gegen den freiberuflichen Autor richten. Geht der Geschädigte gegen den Verlag vor, so kann dieser den Freiberufler im Anschluss in Regress nehmen.

Arbeitnehmerhaftung für Freie Journalisten? Kein sicherer Hafen.

Während angestellte Journalisten sich im Fall des Falles auf die stark begrenzte Arbeitnehmerhaftung berufen können – und damit einen besonderen Schutz genießen – können sich Freiberufler hier nicht so sicher sein. Inwiefern die autorenfreundlichere Arbeitnehmerhaftung auch für Freie Journalisten gilt, das entscheiden im Einzelfall die Gerichte.

Auf der Website des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV geht Hausjurist Michael Hirschler explizit auf diese Problematik ein und rät Freien Journalisten dringend zu einer entsprechenden Absicherung. Diese solle unbedingt nicht nur Anwalts- und Gerichtskosten umfassen, sondern auch potentielle Vermögensschäden. Explizit weist der DJV darauf hin, dass die Rechtsschutzversicherung des Verbandes „maximal die Kosten des Anwalts (und das auch nur bei Erfolgsaussicht)“ übernehme, aber „nicht den Schaden selbst“ (Anmerkung: wofür eine Rechtsschutzversicherung auch generell nicht zuständig ist).

Schadenersatz kann große Summen erreichen

Wer regelmäßig journalistisch arbeitet, der kann sich ausmalen, wie schnell bei fehlerhafter Berichterstattung die Schadenersatzansprüche sehr große Höhen erreichen können. Etwa, weil sich eine Tatsachenbehauptung, die für den Betroffenen negative geschäftliche Auswirkungen hat, nach Veröffentlichung als falsch herausstellt. Dabei kann es sich um Rechercheergebnisse zu Geschäftspraktiken handeln, zu Unternehmenszahlen, Inhaltsstoffen oder Mängeln von Produkten, zu Funktionen technischer Geräte (welche Funktion hat das neue iPhone, welche nicht) und vieles mehr.

Nicht auf die Beißhemmung vertrauen

Die Tatsache, dass betroffene Unternehmen und Personen relativ selten gegen Recherche- oder Formulierungsfehler in den Medien vorgehen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen extrem schwerwiegend sein können, wenn sie es dann eben doch tun. Oft werden Fehler toleriert und nicht juristisch verfolgt. Doch verlassen sollten sich Journalisten darauf nicht. Die Beißhemmung der Betroffenen basiert oft nur auf einer Interessenabwägung: „Möchten wir uns diesen Journalisten im Moment zum Feind machen?“ – Und diese Abwägung kann morgen völlig anders ausfallen als heute. Prinzipiell haften Medien und Journalisten unbegrenzt für Vermögensschäden, die sie durch fehlerhafte Berichterstattung bei den Betroffenen verursachen.

Recherchefehler und Qualitätsmängel sind aber nur ein Haftungsrisiko, dem Journalisten regelmäßig ausgesetzt sind.

Weitere Risiken für Journalisten, die es zu beachten gilt:

Urheberrechte

Sowohl bei der Bildauswahl als auch bei der Motivauswahl für selbst angefertigte Fotos können rasch Urheberrechte verletzt werden. Wer aus Texten Dritter zitiert, läuft ebenfalls Gefahr, in die Urheberrechtsfalle zu tappen. Wer als Journalist auch die Inhalte Dritter teilt, etwa über Facebook, läuft regelmäßig Gefahr, Urheberrechtsverletzungen durch die dabei generierten Vorschaubilder zu begehen. Gut möglich, dass – wenn man ab und zu auch unliebsam berichtet – Dritte darauf lauern (zwecks Revanche).

Persönlichkeitsrechte

Insbesondere für Journalisten, die nicht nur Texte, sondern auch Bilder an Redaktionen liefern, ist das Feld der Persönlichkeitsrechte und insbesondere das Recht am eigenen Bild ein potentielles Risiko. Viel zu häufig wird in Grenzfällen nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ verfahren – und Journalisten damit ein viel zu hohes Rechtsrisiko auferlegt.

Geheimhaltungspflichten

Journalisten führen regelmäßig vertrauliche Hintergrundgespräche. Nicht immer wird die Vertraulichkeit ausreichend schriftlich dokumentiert – nicht immer stimmt die Erinnerung beider Parteien an das mündlich getroffene Agreement hinterher überein. Auch Fahrlässigkeit kommt vor: Vertrauliche Informationen werden mitunter veröffentlicht, weil der Status der Vertraulichkeit schlicht übersehen wurde oder nicht klar kommuniziert war.

Zudem ist die Herausgabe vertraulicher Informationen unter Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung bis zu einem gewissen Zeitpunkt (Sperrfrist) gängige Praxis. Diese Sperrfristen werden dann gern von einzelnen Medien oder Publikationen verletzt – was wiederum Druck auf die Gruppe der Wettbewerbsmedien auslöst, die ebenfalls Sperrfristvereinbarungen unterzeichnet, aber eingehalten haben. Denn diese Sperrfristvereinbarungen haben in der Regel eine Hintertür. Sie sind sofort hinfällig, wenn sich die geheim zu haltende Information plötzlich anderweitig aus öffentlichen Quellen recherchieren lässt. In solchen Situationen entstehen rasch riskante Entscheidungszwickmühlen: Das Konkurrenzmedium hat die Sperrfrist gebrochen. Veröffentlichen wir jetzt auch? Je nach Entscheidung drohen wiederum Rechtsrisiken und Schadenersatzforderungen.

Fazit: Journalisten und insbesondere Freie Journalisten sind einer Reihe signifikanter Vermögensrisiken ausgesetzt – und viele Autoren und Publizisten sind nicht optimal dagegen abgesichert.

Autor dieses Beitrags:
Bernhard Jodeleit berät Unternehmen in Sachen Digitalstrategie, Online Marketing und Krisenkommunikation. Von 1993 bis 2008 war er freiberuflich und angestellt Journalist bei Tageszeitungen und Magazinen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Hiscox Business Blog erschienen.

Die TP Presseagentur Berlin dankt Bernhard Jodeleit für die Verwendung dieses Beitrags.

Foto: Bernhard Jodeleit

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