Heute bekannt gegebene Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm.

Im Folgenden 10 Entscheidungen, die beim Jahrespressegespräch des Oberlandesgerichts Hamm und der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 31.01.2018 zu der letztjährigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts vorgestellt wurden.

Sechs betreffen aktuelle Fälle aus dem Erbrecht, die der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden hat, u. a. zu Fragen der Testierfähigkeit, eines Verschaffungsvermächtnisses, des Pflichtteilsrechts, der Testamentsvollstreckung, der Vorerbschaft sowie der Schenkungen bei bereits testamentarisch gebundenen Erblassern.

Zwei Fälle befassen sich mit Entscheidungen des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Bereich des Haftungsrechts bei unklar gestalteten Verkehrsflächen und einer bei einem „Benzinbrennbarkeitstest“ abgebrannten Werkstatt.

Zwei Entscheidungen  gehen auf praktisch relevante Fragestellungen aus dem Recht der Energielieferung ein. Sie thematisieren Entscheidungen, die der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm im Dezember 2017 und Januar 2018 getroffen hat.

Konkludenter Energielieferungsvertrag durch Realofferte bei vermeintlichem Kundenwechsel?

Geht ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses irrtümlich von einem Kundenwechsel aus, kommt kein konkludenter Energielieferungsvertrag mit dem neuen Kunden zu Stande. Eine Realofferte richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den mit Energie belieferten Versorgungsanschluss ausübt. Ausgehend von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.01.2018 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Detmold vom 26.05.2017 (Az. 1 O 79/16) abgeändert.

Die Klägerin ist ein in Herford ansässiges Energieversorgungsunternehmen. Sie verlangt vom Beklagten, einem heute in Lemgo wohnhaften Familienvater, die Bezahlung von Gas. Dieses wurde in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 20.03.2012 für eine Verbrauchsstelle am Minden-Weseler-Weg in Enger geliefert.

Bei der Verbrauchsstelle handelt es sich um ein im Eigentum einer Frau aus Enger stehendes Hausgrundstück mit einem einzigen Gaszähler und zentraler Heizungs- und Warmwasseranlage. Die Eigentümerin ist als Streithelferin der Klägerin am Rechtsstreit beteiligt.

Für diese Verbrauchsstelle hatte die Klägerin zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin begründet und war im Verbrauchszeitraum aufgrund einer übermittelten, auf dem Beklagten lautenden Kundenanmeldung von einem Kundenwechsel auf dem Beklagten ausgegangen. Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich heraus, dass diese Kundenanmeldung nicht vom Beklagten unterzeichnet worden war. Zur Begründung des von ihr angenommenen Kundenwechsels bezog sich die Klägerin zudem auf die Gewerbeanmeldung einer auf den Namen des Beklagten lautenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ausweislich eines von der Streithelferin vorgelegten Mietvertrages Keller und Erdgeschoss des Hauses im Verbrauchszeitraum angemietet hatte. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich nach der Darstellung des Beklagten um eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft.

Die von der Klägerin für den Verbrauchszeitraum abgerechneten Gaskosten von ca. 6.600 Euro bezahlte der Beklagte nicht.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Dabei hat es aufgrund der Gewerbeanmeldung des Beklagten angenommen, zwischen der GbR und der Klägerin sei ein Versorgungsvertrag über die Lieferung des streitgegenständlichen Gases zustande gekommen. Den Vertragsschluss habe die Klägerin mit ihrer Realofferte, dem Bereitstellen des Gases, angeboten. Als Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Anschluss habe die GbR das Angebot mit die Entnahme des Gases angenommen. Als Gesellschafter der GbR hafte der Beklagte für deren Verbindlichkeiten.

Die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil war erfolgreich. In Abänderung dieses Urteils hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder mit dem Beklagten noch mit der auf seinen Namen lautenden GbR einen Kaufvertrag über die Lieferung von Gas abgeschlossen, so der Senat.

Nach eigenem Vortrag der Klägerin habe für die infrage stehende Verbrauchsstelle zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin, der Eigentümerin des Grundstücks, bestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Vertragsverhältnis wirksam beendet worden sei und ein Kundenwechsel stattgefunden habe. Der von der Klägerin vorgelegten Kundenanmeldung komme insoweit keine Bedeutung bei. Sie sei gefälscht und enthalte keine Willenserklärung des Beklagten. Deswegen habe das Vertragsverhältnis mit der Streithelferin auch nach dieser Anmeldung fortbestanden. Neben diesem fortbestehenden Vertragsverhältnis komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses mit dem Beklagten oder der GbR nicht in Betracht.

Der Annahme eines durch eine Realofferte konkludent abgeschlossenen Energielieferungsvertrages stehe zudem entgegen, dass weder dem Beklagten noch der GbR die tatsächliche Verfügungsgewalt über den infrage stehenden Versorgungsanschluss zugestanden habe. Empfänger einer Realofferte des Versorgungsunternehmens sei typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das grundsätzlich der Eigentümer, was im vorliegenden Fall umso mehr gelte, weil das gesamte Hausgrundstück nur über einen einzigen Gaszähler und eine zentrale Heizungs- und Warmwasseranlage verfüge. Einem Mieter – nur als solcher kämen der Beklagte oder die GbR infrage – stehe die tatsächliche Verfügungsgewalt über einen derartigen Versorgungsanschluss nur dann zu, wenn er diese für das gesamte Objekt ausgeübt habe. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Weder dem Beklagten noch der GbR habe das gesamte Hausgrundstück zur Verfügung gestanden. Deswegen bedürfe es auch keiner weiteren Aufklärung, ob die GbR nur eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft gewesen sei, wie der Beklagte vorgetragen habe.

Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.01.2018 (Az. 2 U 127/17)

Enkel kann Pflichtteil zustehen, nachdem der Großvater den Sohn enterbt hat

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.10.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hagen vom 08.02.2017 (Az. 3 O 171/14 LG Hagen) bestätigt.

Im Oktober 2011 verstarb der seinerzeit 72 Jahre Erblasser aus Hagen. Er hinterließ einen Nachlass und eine Lebensversicherung im – gerichtlich festgestellten – Wert von zusammen ca. 1.854.000 Euro.

Der Erblasser hatte zwei Söhne. Der Ältere verstarb kinderlos im Jahre 1990 im Alter von 28 Jahren. Der Jüngere, heute 53 Jahre alt, ist – nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde – der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers aus Hagen. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem im Jahre 1989 errichteten Testament enterbt und zur Begründung auf ihre Rauschgiftsucht und begangene Straftaten hingewiesen, u.a. eine vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körperverletzung. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten aus Münster.

Nach dem Tode des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Im Jahre 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von zuletzt ca. 927.000 Euro gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, so dass ihm als – allein verbliebenen – gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben haben u.a. die Vaterschaft des enterbten Sohnes bestritten und allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis gehalten. Außerdem haben sie geltend gemacht, dass sie den Nachlass verbraucht bzw. weitergegeben hätten.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Lebensgefährtin des Erblassers sowie den Beklagten dazu verurteilt, an den Kläger auf den ihm zustehenden Pflichtteil nebst Pflichtteilsergänzung insgesamt ca. 927.000 Euro zu zahlen. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat ihre Verurteilung nicht angefochten.

Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat seine erstinstanzliche Verurteilung bestätigt.

Der Kläger sei pflichtteilsberechtigt, so der Senat. Er habe nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei. Grundlage der Pflichtteilsberechtigung sei, wie beim gesetzlichen Erbrecht, die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Diese habe der Kläger im vorliegenden Fall mit einer Geburtsurkunde nachweisen können und durch die im Original vorgelegte Geburtsurkunde auch nachgewiesen. Nach dem Inhalt dieser Urkunde sei der Kläger das Kind des jüngeren Sohns des Erblassers. Dass der Kläger ein nichteheliches Kind sei, sei rechtlich unerheblich. Eine Unrichtigkeit dieser Geburtsurkunde habe der Beklagte zu beweisen, was ihm nicht gelungen sei. Ob der Kläger auch biologisch vom Sohn des Erblassers abstamme, sei aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft nicht von Bedeutung.

Das vom Erblasser errichtete Testament habe den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.

Als entfernterer Abkömmling des Erblassers sei der Kläger nunmehr pflichtteilsberechtigt. Eine dem Kläger vorgehende Pflichtteilsberechtigung seines Vaters sei nicht gegeben. Diesem habe der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Das folge aus der testamentarisch verfügten Enterbung, die aufgrund der seinerzeit vorliegenden Entziehungsgründe auch wirksam sei.

Im Gegensatz zu seinem Vater habe der Kläger sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Der Erblasser habe in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Bezogen auf die Person des Klägers sei zudem kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich und vom Erblasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch testamentarisch nicht verfügt worden.

Da der Beklagte – neben der Lebensgefährtin des Erblassers – dem Kläger gegenüber den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch als Gesamtschuldner schulde, sei er in Höhe des gesamten Anspruchs zur Zahlung zu verurteilen.

Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden sei, könne sich der Beklagte nicht berufen. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft habe er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26.10.2017 (Az. 10 U 31/17 OLG Hamm).

Fortgeschrittene Alzheimerdemenz – Erblasserin testierunfähig – notarielles Testament nichtig

Eine Erblasserin ist testierunfähig, wenn sie aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung vom Alzheimertyp nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und die Tragweite einer erklärten letztwilligen Verfügung einzusehen und nach einer solchen Einsicht zu handeln. Ein in diesem Zustand errichtetes notarielles Testament ist nichtig. Diese Rechtslage hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.07.2017 festgestellt und die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 06.09.2016 (Az. 12 O 141/13 LG Dortmund) abgeändert.

Die im Prozess durch ihre Mutter vertretene, heute 15 Jahre alte Klägerin aus Nottuln und der heute 70 Jahre alte Beklagte aus Unna streiten um die Erbfolge der im Jahre 2013 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Erblasserin aus Kamen. Diese und ihr im Jahre 1972 vorverstorbener Ehemann waren die Eltern des Beklagten und eines im Jahre 2007 im Alter von 61 Jahren verstorbenen Bruders des Beklagten. Der Bruder des Beklagten hatte die Mutter der Klägerin geheiratet und die Klägerin im Jahre 2005 adoptiert.

Im Jahre 1967 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten, ohne – dies hat der vorliegende Rechtsstreit geklärt – einen Schlusserben zu bestimmen. Im Jahre 2004 zog die Erblasserin in ein Altenheim in Kamen, indem sie bis zu ihrem Versterben lebte. Ebenfalls in diesem Jahre ordnete das zuständige Betreuungsgericht wegen fortgeschrittener Alzheimerdemenz der Erblasserin eine Betreuung für ihre Vermögensangelegenheiten an und bestimmte ihre beiden Söhne zu Betreuern. Nach dem Tode seines Bruders wurde der Beklagte im März 2007 zum alleinigen Betreuer für seine Mutter bestellt.

Kurz darauf errichtete die Erblasserin im Pflegeheim ein notarielles Testament, in dem sie den Beklagten zu ihrem Alleinerben einsetzte. Mit weiteren notariellen Verträgen, errichtet im März 2007 und August 2008, schenkte die Erblasserin ihren Sohn eine Forderung und Geldbeträge in Höhe von insgesamt 160.000 Euro. Eine fachärztliche Begutachtung der Erblasserin im Betreuungsverfahren aus dem Jahre 2010 stellte eine so weit fortgeschrittenen Demenzerkrankung der Erblasserin fest, das aus ärztlicher Sicht Geschäftsunfähigkeit bestand. Nach dem Tode der Erblasserin ließ der Beklagte ein zum Nachlass gehörendes Mehrfamilienhaus in Unna auf sich als Alleineigentümer umschreiben.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das im Jahre 2007 errichtete Testament der Erblasserin und die von ihr in diesem Jahr und im Jahr 2008 abgeschlossenen Schenkungsverträge unwirksam sind. Insoweit behauptet die Klägerin, die Erblasserin sei im März 2007 bereits an einer weit fortgeschrittenen Demenz erkrankt und deshalb testier- und geschäftsunfähig gewesen. Dem ist der Beklagte entgegengetreten und hat vorgetragen, die Erblasserin sei bis in das Jahr 2009 noch in der Lage gewesen, ihren Willen frei und realistisch zu bestimmen. Geschäftsunfähigkeit sei entsprechend dem Gutachten im Betreuungsverfahren erst im Jahre 2010 eingetreten.

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung eines medizinischen Sachverständigen über die Testier- und Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei der Errichtung des infrage stehenden Testaments und der infrage stehenden Schenkungsverträge Beweis erhoben.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat der Klage stattgegeben.

Das von der Erblasserin im März 2007 errichtete Testament und die von ihr abgeschlossenen Schenkungsverträge aus den Jahren 2007 und 2008 seien unwirksam, so der Senat, weil die Erblasserin bei der Errichtung dieser Urkunden testier- und geschäftsunfähig gewesen sei.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Erblasserin aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung vom Alzheimertyp seinerzeit nicht mehr in der Lage gewesen, die Bedeutung und die Tragweite der von ihr erklärten letztwilligen Verfügung sowie ihrer Erklärungen zum Verschenken von Vermögenswerten einzusehen und nach einer solchen Einsicht zu handeln.

Der medizinische Sachverständige sei bereits in seinem in erster Instanz erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erblasserin schon im Mai 2006 in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand der Geistestätigkeit befunden und zu den maßgeblichen Zeitpunkten in den Jahren 2007 und 2008 testier- und geschäftsunfähig gewesen sei. Bei seiner erneuten Anhörung durch den Senat habe er das Ergebnis seiner erstinstanzlichen Begutachtung bestätigt. Dieses Ergebnis werde durch die Aussage des früheren Chefarztes eines Krankenhauses in Unna gestützt, in dem die Erblasserin in den Jahren 2003 und 2004 in stationärer Behandlung gewesen sei. Der Chefarzt habe anhand seinerzeit erstellter Krankenberichte eine sich bei der Erblasserin in den Jahren deutlich verschlechternde Demenzerkrankung bestätigt, nach welcher die Erblasserin bereits im August 2004 nicht mehr testier- und geschäftsfähig gewesen sei. Seine Diagnosen stünden im Einklang mit Dokumentationen des Pflegeheims, in dem die Erblasserin seinerzeit gelebt habe.

Das dargestellte Beweisergebnis werde durch die weiteren, bereits vom Landgericht zum damaligen Gesundheitszustand der Erblasserin vernommenen Zeugen, einen als Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt sowie die beiden beurkundenden Notare, und auch durch den weiteren Akteninhalt nicht widerlegt. Sofern ihnen als medizinischen Laien keine Demenz der Erblasserin aufgefallen sei, sei zu berücksichtigen, dass Demenzerkrankte auch im fortgeschrittenen Stadium für einen Laien noch geistig klar und orientiert wirken und eine nach außen intakte Fassade aufweisen könnten.

Schließlich bestätige das Verhalten des Beklagten selbst eine bereits im Jahre 2004 vorliegende, fortgeschrittene Demenzerkrankung der Erblasserin. Seinerzeit habe der Beklagte mit seinem Bruder gegenüber dem Betreuungsgericht eine Betreuung für seine Mutter beantragt, obwohl diese den Brüdern zuvor eine Vorsorgevollmacht erteilt hatte. Dabei habe er die Anordnung der Betreuung für seine Mutter damit begründet, dass diese mit dem Verkauf oder einer Belastung einer ihrer Immobilien zur Deckung ihrer monatlichen Pflege- und Unterbringungskosten nicht einverstanden sei, obwohl ihre anderweitigen monatlichen Einnahmen insoweit nicht ausreichend gewesen seien. Zudem sei die Erblasserin noch im Jahre 2006 gegen einen Verkauf ihres früheren Hauses gewesen, was sie damit begründet habe, dass sie in dieses zurückkehren und auch dort sterben wolle. Das zeige, dass ihre Willensäußerungen Bedeutung und Tragweite ihrer Situation nicht mehr realistisch einschätzen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte dann im März 2007 geglaubt haben wolle, seine Mutter sei bei der Errichtung des notariellen Testaments noch testierfähig, weil der Inhalt des Testaments – seine Alleinerbenstellung – ihrem damals geäußerten Willen entsprochen habe.

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.07.2017 (Az. 10 U 76/16 OLG Hamm).

Die zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. BGH IV ZR 14/17) ist zurückgenommen worden, nachdem der Bundesgerichtshof die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.

Testamentsvollstrecker haftet nicht für unerfüllbares Verschaffungsvermächtnis

Ein Testamentsvollstrecker haftet nicht, wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen ein Verschaffungsvermächtnis nicht erfüllen kann. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.04.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 06.01.2016 (Az. 12 O 164/14 LG Münster) bestätigt.

Die heute 55 Jahre alte Klägerin aus Mönchengladbach war die zweite Ehefrau des im April 2011 im Alter von 52 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser hatte den Beklagten aus Laer als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Die erste Ehe des Erblassers wurde Ende des Jahres 2010 geschieden. Im Vorfeld hatte der Erblasser ein Testament errichtet und seine beiden Töchter aus erster Ehe zu gleichen Teilen als Erbinnen eingesetzt. Der Klägerin als seiner damaligen Lebensgefährtin hatte er ein befristetes Wohnrecht und ein Geldvermächtnis ausgesetzt. Der Testamentsvollstrecker sollte, so die Anordnung des Erblassers, u.a. den Nachlass bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres der jüngsten Tochter im Jahre 2014 verwalten, aus den Erträgnissen die Kosten der Ausbildung der Töchter bestreiten und die angeordneten Vermächtnisse erfüllen.

In einem zur Regelung der Scheidungsfolgen abgeschlossenen Vertrag vereinbarten der Erblasser und seine erste Ehefrau im Dezember 2010, dass der Erblasser gemeinsam angeschaffte, vermietete Immobilien übernehmen sollte. Da erhebliche Verbindlichkeiten aus der gemeinsamen Finanzierung der Immobilien bestanden, konnte die Eigentumsumschreibung auf den Erblasser erst erfolgen, nachdem die erste Ehefrau von der Mithaft befreit war.

Nachdem der Erblasser die Klägerin zu Beginn des Jahres 2011 geheiratet hatte, änderte er kurz darauf sein Testament und wandte der Klägerin im Wege des Vermächtnisses eine der Immobilien zu, die er von seiner ersten Ehefrau übernehmen wollte. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus in Münster mit erheblichen Mieteinnahmen.

Nach dem Tode des Erblassers übernahm der Beklagte als Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses. Den beiden Erbinnen zahlte er in den nächsten Jahren insgesamt ca. 30.000 Euro zur Finanzierung ihres Studiums aus, der Klägerin ca. 62.000 Euro Mietüberschüsse. Durch den Verkauf einer Immobilie reduzierte er Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von ca. 1,43 Mio. Euro. Da er weitere Verbindlichkeiten nicht ablöste, kam es zu keiner weiteren Haftentlassung der ersten Ehefrau aus eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten und zu keiner Umschreibung von Eigentum an den Erblasser im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung.

Im Jahre 2013 forderte die Klägerin den Beklagten gerichtlich auf, ihr das mit dem Vermächtnis zugewandte Grundstück zu übertragen. Der Beklagte verwies in dem Verfahren darauf, dass ihm die Übereignung des Grundstücks nicht möglich sei, da liquide Mittel zur Ablösung der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten fehlten und in absehbarer Zeit auch nicht zu erlangen seien.

Anfang des Jahres 2014 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass mit der Begründung, fällige Nachlassverbindlichkeiten mangels ausreichender Liquidität nicht erfüllen zu können. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kam es zur Verwertung der der Klägerin als Vermächtnis ausgesetzten Immobilie durch den Insolvenzverwalter. Diese Immobilie konnte für ca. 1,45 Mio. Euro veräußert werden. Die von der Klägerin gegen den Beklagten zur Erfüllung des Vermächtnisses angestrengte Klage ist seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte als Testamentsvollstrecker verpflichtet sei, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die daraus resultierten, dass er ihr das vermachte Grundstück vor der Eröffnung der Nachlassinsolvenz nicht übertragen habe. Der Beklagte habe, so die Klägerin, es schuldhaft unterlassen, rechtzeitig die Voraussetzungen für eine Übertragung des Grundstücks zu schaffen, dabei den Nachlass nicht sachgemäß verwaltet und zudem die Nachlassinsolvenz schuldhaft herbeigeführt.

Die Feststellungsklage der Klägerin ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das Landgericht hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm den geltend gemachten Schadensersatzanspruch für unbegründet erachtet.

Die Klägerin sei zwar Begünstigte eines wirksamen Vermächtnisses, so der Senat. Dieses resultiere aus dem vom Erblasser zu Beginn des Jahres 2011 errichteten Testament. Es handle sich um ein Verschaffungsvermächtnis, da der vermachte Grundbesitz im Zeitpunkt des Erbfalls nicht im Alleineigentum des Erblassers gestanden habe, sondern nach wie vor im hälftigen Miteigentum seiner ersten Ehefrau.

Der Beklagte habe jedoch keine ihm als Testamentsvollstrecker der Klägerin als Vermächtnisnehmerin gegenüber obliegende Pflicht verletzt. Die Nichterfüllung des Vermächtnisses habe er nicht zu vertreten.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten folge nicht bereits aus dem Umstand, dass er das der Klägerin ausgesetzte Vermächtnis nicht umgehend nach Eintritt des Erbfalls und insbesondere nicht vor der Nachlassinsolvenz erfüllt habe. Das Vermächtnis sei auf die Verschaffung eines zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass gehörenden Gegenstandes von einem Dritten, hier der ersten Ehefrau des Erblassers, gerichtet gewesen. Insoweit habe der Beklagte keine Pflicht verletzt, weil ihm die Verschaffung des Grundstücks mit Mitteln des Nachlasses nicht möglich gewesen sei. Durch die Veräußerung einer weiteren Immobilie des Nachlasses habe der Beklagte lediglich andere Darlehen tilgen und keine Mittel zur Enthaftung des der Klägerin vermachten Grundstücks erlangen können.

Die Klägerin könne dem Beklagten auch keine fehlerhafte Liquiditätsplanung vorhalten. Bis Ende des Jahres 2013 hätten die regelmäßigen Einnahmen des Nachlasses zum Bedienen aller fälligen Nachlassforderungen einschließlich der Zahlungen an die Erbinnen und die Klägerin ausgereicht. Dass der Nachlass dann nicht mehr liquide gewesen sei, habe der Beklagte nicht zu vertreten. Mit dem vollständigen Wegfall von Pachtzahlungen eines zum Nachlass gehörenden Hotelbetriebes ab Januar 2014 – der Pächter habe wegen bestehender Mängel die Pacht zuvor nur gemindert – habe er nicht rechnen müssen. Insoweit habe sich eine vom Erblasser kurz vor seinem Tode vorgenommene Vermögensdisposition ausgewirkt, deren Problematik erst später bekannt geworden sei.

Dem Beklagten sei auch nicht vorzuhalten, eine ordnungsgemäße Nutzung der zum Nachlass gehörenden Immobilien oder eine Erweiterung des Kreditrahmens versäumt zu haben. Ebenso lasse sich nicht feststellen, dass er den Insolvenzantrag ohne Not verfrüht gestellt und dann trotz erfolgversprechender Sanierungsbemühungen aufrechterhalten habe.

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.04.2017 (Az. 10 U 15/16 OLG Hamm).

Die zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. BGH IV ZR 8/17) ist zurückgenommen worden, nachdem der Bundesgerichtshof die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.

Brennbarkeit von Benzin „getestet“, Werkstatt abgebrannt – OLG Hamm klärt die Haftung

Der Betreiber einer Kfz- Mietwerkstatt, ein Kunde, der die Werkhalle zur Reparatur eines Fahrzeugs gemietet hatte, sowie zwei ihn bei der Reparatur unterstützende Bekannte haften für einen Werkstattbrand, der durch unsachgemäßes Ablassen von Benzin aus einem Fahrzeugtank und einem dabei von den Bekannten durchgeführten „Brennbarkeitstest“ verursacht wurde. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.04.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 15.05.2015 (Az. 2 O 365/13 LG Arnsberg) bestätigt.

Der klagende Versicherer aus Münster macht gegen die vier Beklagten aus Meschede und Schmallenberg auf ihn übergegangene Ersatzansprüche nach der Regulierung eines Brandschadens geltend. Der Versicherungsnehmer des Klägers ist Eigentümer eines Gebäudekomplexes in Schmallenberg, in dem sich eine Kraftfahrzeugwerkstatt mit Hebebühnen befindet. Diese hatte der Versicherungsnehmer dem Beklagten zu 3) zur Nutzung überlassen. Der Beklagte zu 3) wiederum vermietete die Kraftfahrzeugwerkstatt nebst Werkzeug und Hebebühnen an Kunden, die dort Fahrzeuge reparieren wollten.

Zwecks Reparatur eines Opel Corsa mietete der Beklagte zu 4) die Werkstatt Ende Januar 2013 an. Gemeinsam mit zwei Bekannten, den Beklagten zu 1) und zu 2), beabsichtigte der Beklagte zu 4) den Tank des Fahrzeugs auszutauschen. Bei den Arbeiten ließen die Beteiligten Benzin aus einer Höhe von ca. 1,5m aus dem auszubauenden Tank in einen offenen Eimer auslaufen, den ihnen der Beklagte zu 3) zur Verfügung gestellt hatte. Um das Ablassen des Benzins zu beschleunigen, schlug der Beklagte zu 4) zudem ein Loch in den Tank, welches der Beklagte zu 1) noch vergrößerte. Benzin gelangte so auch auf den Boden der Werkstatt und an die Hand des Beklagten zu 1). Um dessen Brennbarkeit zu „testen“, zündete der Beklagte zu 2) die Hand des Beklagten zu 1) an, die der Beklagte zu 1) sodann auszuschlagen versuchte. Bei diesem Geschehen entzündete sich das auslaufende Benzin. Es entstand ein Werkstattbrand, durch den das gesamte Gebäude abbrannte. Die hierdurch entstandenen Schäden am Gebäude, weitere Schäden am Inventar, einem anderen Fahrzeug sowie Fahrzeugreifen anderer Eigentümer beziffert der Kläger mit insgesamt ca. 409.000 Euro, die er nach der Regulierung von den Beklagten ersetzt verlangt.

In einem gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) wegen fahrlässiger Brandstiftung geführten Strafverfahren sind die Beklagten vom Amtsgericht – Schöffengericht – Meschede mangels Nachweises des Tatvorwurfs aus tatsächlichen Gründen im Dezember 2013 freigesprochen worden.

Im vorliegenden Zivilprozess hat das Landgericht Arnsberg unter Auswertung der Akten des Strafprozesses und nach der Vernehmung von Zeugen die Schadensersatzpflicht aller vier Beklagten festgestellt und der Klage dem Grunde nach stattgegeben.

Die Berufung der vier Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist erfolglos geblieben. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung nach ergänzender Beweisaufnahme und dem Einholen eines Sachverständigengutachtens bestätigt.

Alle Beklagten hätten den Brand grob fahrlässig verursacht, so der Senat. Bereits das Ablassen des Benzins aus dem auszutauschenden Tank des Opel Corsa in einen offenen Eimer stelle eine grob fahrlässige Schadensverursachung durch alle Beklagten dar. Für die Beklagten zu 1), 2) und 4) bereits deswegen, weil sie am Ablassvorgang selbst beteiligt gewesen seien. Der Beklagte zu 3) habe ihnen hierfür die Eimer zur Verfügung gestellt und sei gegen das erkennbar unsachgemäße Vorgehen nicht eingeschritten.

Das Ablassen des Benzins in offene Eimer sei grob unsachgemäß und widerspräche jeglichen Sicherheitsvorschriften, wie der Sachverständige bestätigt habe. Das gelte auch für Benzin, das auf den Boden gelange und nicht sofort beseitigt werde. Der Kraftstoff setze Benzindämpfe frei und führe zu einer explosionsfähigen Atmosphäre, bei der schon ein Funke zu einem Brand führen könne. Bereits die durch das Benzinablassen begründete Gefahrenlage habe sich in dem späteren Brand realisiert. Wenn in dieser Situation im Nahbereich noch mit einer offenen Flamme hantiert und eine angezündete Hand dann heruntergeschlagen werde, sei das extrem gefährlich, auch für die beteiligten Personen. Dass im vorliegenden Fall nur Sach- und kein Personenschaden entstanden sei, könne man mit dem Sachverständigen, so der Senat, nur als großes Glück bezeichnen.

Konkret sei der Brand, auch das habe die Beweisaufnahme ergeben, durch das einvernehmliche „Zündeln“ der Beklagten zu 1) und 2) ausgelöst worden. Von der heruntergeschlagenen, angezündeten Hand sei eine Feuerperle auf den spritbedeckten Boden gefallen, der dadurch in Brand geraten sei. Durch dieses „Zündeln“ sei allerdings der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang der Tatbeiträge der Beklagten zu 3) und 4) nicht unterbrochen worden. Das „Zündeln“ als solches sei zwar ungewöhnlich, mit einem solchen Verhalten die Beklagten zu 3) und 4) kaum rechnen müssen. Allerdings hätten sie – und das stehe eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs entgegen – das unsachgemäße Ablassen des Benzins maßgeblich mit zu verantworten und hierdurch eine gesteigerte Gefahrenlage geschaffen, die sich dann auch im Schaden ausgewirkt habe.

Rechtskräftiges Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.04.2017 (Az. 9 U 120/15 OLG Hamm), die zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. BGH VI ZR 187/17) ist zurückgenommen worden.

Hinweis: Nach der jetzt rechtskräftigen Feststellung des Haftungsgrundes ist die konkrete Schadenshöhe im beim Landgericht Arnsberg anhängigen Betragsverfahren zu klären.

Grundversorgung ersetzt Sondervertragsverhältnis – Dreijahreslösung „regelt“ Preisanpassung beim Energielieferungsvertrag

Bedeutsames aus dem Recht der Energielieferung:

  • Bietet ein Energielieferer seinem Kunden nach der Kündigung eines Sondervertrages weitere Energielieferungen zu den Bedingungen der Grundversorgung an, die der Kunde dann auch entgegennimmt, kommt zwischen dem Kunden und dem Energielieferer ein Grundversorgungsvertrag zu Stande.
  • Der Kunde eines Energielieferers kann sowohl im Grundversorgungsverhältnis als auch im Sondervertragsverhältnis die vermeintliche Unwirksamkeit einer Preiserhöhung nicht mehr geltend machen, wenn er die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.

In Anwendung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.12.2017 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20.05.2014 (Az. 9 O 86/13/LG Bielefeld bestätigt.

Das klagende Energielieferungsunternehmen aus Essen verlangt vom Beklagten aus Rheda-Wiedenbrück die Bezahlung von Strom und Gas. Die Energielieferungen bezog der Beklagte in den Jahren 2008-2013 für sein privates Wohnhaus. Die Klägerin rechnete diese jährlich ab. Mit Schreiben vom 30.08.2007 hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass er die Preise für Strom und Gas für unbillig erachte. In der Folgezeit leistete er sodann keine weiteren Zahlungen. Ein Sondervertragsverhältnis der Parteien über Gaslieferungen kündigte die Klägerin zum 30.11.2007 mit dem Hinweis, dem Beklagten weiter Gas zu den Bedingungen der Grundversorgung zu liefern. Das gesamte Vertragsverhältnis der Parteien endete im Sommer 2013, als der Beklagte zu einem anderen Energieanbieter wechselte.

Für ihre unbezahlten Gas- und Stromlieferungen hat die Klägerin vom Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit ca. 27.700 Euro verlangt, von denen ihr das Landgericht nach Abzug einer im Verlauf des Rechtsstreits nicht mehr streitigen Gegenforderung des Beklagten ca. 26.700 Euro zugesprochen hat.

Die erstinstanzliche Verurteilung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm bestätigt. Der Klägerin stehe die vom Landgericht ausgeurteilte Kaufpreisforderung für die Lieferung von Gas und Strom zu, so der Senat.

  1. Die in der Zeit von Juni 2008 bis Juli 2013 vom Beklagten bezogenen Gaslieferungen habe die Klägerin zu Recht nach einem Grundversorgungstarif abgerechnet.

Den in den Jahren zuvor mit dem Beklagten bestehenden Sonderkundenvertrag habe die Klägerin zum 30.11.2007 wirksam gekündigt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob in den Vertrag – wie der Beklagte behaupte – keine allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin einbezogen gewesen seien, die ihr das Recht zur ordentlichen Kündigung zugestanden hätten. Als unbefristetes Dauerschuldverhältnis sei der Gaslieferungsvertrag auch ohne vertragliche Regelung ordentlich kündbar gewesen, wenn die Parteien – wie vorliegend – das ordentliche Kündigungsrecht nicht vertraglich ausgeschlossen hätten. Im Hinblick auf die langjährige Vertragsdauer habe dann eine Kündigungsfrist von sechs Monaten gegolten, die aber ausgehend von der zum 30.11.2007 ausgesprochenen Kündigung vor Beginn des Abrechnungszeitraums im Juni 2008 abgelaufen gewesen sei.

In der Folgezeit sei zwischen den Parteien ein Grundversorgungsvertrag zustande gekommen. Die Klägerin habe den Beklagten in dem Kündigungsschreiben darauf hingewiesen, dass – wenn der Beklagte nichts unternehme – die weitere Gaslieferung nahtlos zu den Bedingungen der Grundversorgung erfolge. Dadurch, dass der Beklagte nach der Beendigung des bisherigen Versorgungsvertrags weiterhin Gas bezogen habe, habe er – so die auf den Fall anzuwendende höchstrichterliche Rechtsprechung – das Angebot der Klägerin konkludent angenommen. Der zu Beginn dieses neuen Vertrages geltende Preis sei damit zum vereinbarten Ausgangspreis geworden. Aufgrund dieses Preises könne die Klägerin für ihre Lieferungen im Abrechnungszeitraum ca. 19.000 Euro verlangen.

  1. Für die in der Zeit von Juni 2008 bis Juli 2013 vom Beklagten bezogenen Stromlieferungen könne die Klägerin – nach Abzug der Gegenforderung des Beklagten – ca. 7.700 Euro beanspruchen, so die weitere Entscheidung des Senats.

In Bezug auf den Strom habe zwischen den Parteien seit dem Jahre 2000 ein Sondervertragsverhältnis bestanden. In diesem dürfe die Klägerin ihre Leistungen mit ihrem Preis per 01.01.2004 abrechnen, den sie in der Jahresabrechnung vom 07.07.2004 ausgewiesen habe. Diese Jahresabrechnung habe der Beklagte vor dem 30.08.2004 erhalten. Den Preis habe er dann auch in der Folgezeit bis zu seinem Preiswiderspruch mit Schreiben vom 30.08.2007 vorbehaltlos bezahlt.

Der Preis sei damit maßgeblich, weil der Beklagte ihm nicht innerhalb von drei Jahren widersprochen habe. Unerheblich sei insoweit, ob ihm ein wirksames Preiserhöhungsverlangen der Klägerin vorausgegangen sei.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne ein Kunde sowohl im Grundversorgungsverhältnis als auch im Sondervertragsverhältnis die vermeintliche Unwirksamkeit einer Preiserhöhung nicht mehr geltend machen, wenn er die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstande. Der danach maßgebliche Preis trete endgültig an die Stelle des Anfangspreises und sei dementsprechend rechtlich wie ein zwischen den Parteien vereinbarter Preis zu behandeln, der auch keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 Bürgerliches Gesetzbuch unterliege.

Die 3-Jahresfrist-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finde auch in solchen Fällen Anwendung, in denen die Parteien ein vertragstypisches formularmäßiges Preisanpassungsrecht des Energielieferers nicht wirksam vertraglich vereinbart hätten. Es bestehe bei langfristigen Vertragsverhältnissen generell ein anerkennenswertes Bedürfnis der Parteien, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen bei einem auch Energieliefervertrag mit langer Laufzeit rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könne.

Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.12.2017 (Az. 2 U 99/14 OLG Hamm), nicht rechtskräftig (BGH VIII ZR 16/18).

Hinweis:

Zum konkludenten Abschluss eines Grundversorgungsvertrages hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.07.2014, Az. VIII ZR 316/13, zitiert. In Bezug auf die 3-Jahresfrist-Rechtsprechung hat der Senat auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2014, Az. VIII ZR 370/13, und vom 05.10.2016, Az. VIII ZR 241/15, verwiesen.

OLG Hamm regelt Nachlassverteilung zwischen beschenkter und mit einem Vermächtnis bedachter zweiter Ehefrau sowie den erbenden Kindern aus erster Ehe

Ein nach dem Tode seiner ersten Ehefrau durch ein gemeinschaftliches Testament verpflichteter Ehemann kann durch die Bestimmung seiner Kinder zu Schlusserben an der schenkweisen oder testamentarischen Übertragung seines Vermögens an seine zweite Ehefrau gehindert sein. Ausgehend hiervon hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Aufteilung des Vermögens eines Erblassers zwischen seiner beschenkten und mit einem Vermächtnis bedachten zweiten Ehefrau und den zu Schlusserben bestimmten Kindern aus erster Ehe geregelt und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 10.12.2015 (Az. 4 O 283/15 LG Arnsberg) im Wesentlichen bestätigt.

Die heute 54 Jahre alte Klägerin aus dem Kreis Soest ist die zweite Ehefrau des im Jahre 2015 im Alter von 71 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser war Chefarzt in einem Krankenhaus in Hamm. Im Jahre 1995 verfassten der Erblasser und seine erste Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ihre drei Kinder, zwei in den Jahren 1967 und 1981 geborene Söhne und eine im Jahr 1969 geborene Tochter, zu Schlusserben bestimmten. Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb im Jahre 1997.

Mit seiner zweiten Ehefrau vereinbarte der Erblasser im Jahr der Eheschließung, 2001, einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Zeitgleich schenkte er ihr eine im Jahre 2000 für 210.000 DM erworbene, in Rheinland-Pfalz gelegene Eigentumswohnung. Im Jahre 2003 beendete der mit gesundheitlichen Einschränkungen belastete Erblasser seine berufliche Tätigkeit. In diesem Jahr spendete ihm die Klägerin eine Niere. Mit einem im Jahr 2014 errichteten Testament bestimmte der Erblasser u.a., die Klägerin solle nach seinem Tode als Vermächtnis eines seiner beiden Mietshäuser erhalten. Einige Wochen vor seinem Tode vereinbarte der Erblasser mit seiner Bank, bei der er ein Termingeldkonto mit einem Guthaben in Höhe von ca. 159.000 Euro unterhielt, dass der Klägerin das Guthaben nach seinem Tode zustehen solle.

Nach seinem Tode stritten die Klägerin und die von ihr verklagten drei Kinder des Erblassers aus erster Ehe über die Schenkungen und Verfügungen des Erblassers zu Gunsten der Klägerin. Die Klägerin hat sodann die gerichtliche Klärung beantragt, nach der ihr die Beklagten das ihr vom Erblasser vermachte Mietshaus zu übertragen hätten und sie den Beklagten ihr zugewandte Vermögensgegenstände nicht zurück zu geben habe.

Die Klage war nur zum Teil erfolgreich. Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat zu Gunsten der Klägerin festgestellt, dass sie die in Rheinland-Pfalz gelegene Eigentumswohnung nicht zurück zu übertragen hat. Das weitergehende Klagebegehren hat der Senat abgewiesen.

Ein Anspruch auf Herausgabe der in Rheinland-Pfalz gelegenen Eigentumswohnung hätten die Beklagten nicht, so der Senat. Die schenkweise Überlassung dieser Wohnung durch den Erblasser an die Klägerin beeinträchtige die Beklagten als Schlusserben nicht. Insoweit sei – im Wege einer Gesamtbetrachtung – zu berücksichtigen, dass die Klägerin zeitgleich mit der Erlangung der Eigentumswohnung auch einen die Beklagten begünstigenden Pflichtteilsverzicht erklärt habe.

Überdies lasse sich auch nicht feststellen, dass die Schenkung ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers erfolgt sei, so dass auch diese Voraussetzung für einen Rückübertragungsanspruch der Erben fehle. Der bereits seit den 1990er Jahren unter gesundheitlichen Einschränkungen leidende Erblasser habe sich 2001 die künftige Unterstützung und Pflege durch die Klägerin sichern wollen. Dem medizinisch versierten Erblasser sei seinerzeit bewusst gewesen, dass sich sein Gesundheitszustand nicht verbessern, sondern nur verschlechtern würde. Es sei naheliegend, dass der Erblasser bei der Übertragung der Eigentumswohnung die Vorstellung gehabt habe, dass die Klägerin als approbierte Krankenschwester ihn künftig unterstützen und gegebenenfalls pflegen würde. Für diesen Bindungswillen spreche zudem, dass die Schenkung durch eine mögliche Ehescheidung auflösend bedingt gewesen sei. Sie sei daher durch ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers begründet.

Das vom Termingeldkonto entnommene Guthaben habe die Klägerin demgegenüber den Beklagten zu erstatten. Der Erblasser habe den die Beklagten benachteiligenden und die Klägerin begünstigenden Vertrag mit seiner Bank ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse abgeschlossen. Die hinsichtlich der Schenkung der Eigentumswohnung in Rheinland-Pfalz angestellten Überlegungen seien auf die erst Jahre später erfolgte Zuwendung des Termingeldes nicht übertragbar. Die Schenkung des Termingeldes sei vielmehr missbräuchlich gewesen, weil sie auf eine Korrektur der im gemeinschaftlichen Ehegattentestament von 1995 angelegten Vermögensverteilung hinauslaufe, die der Erblasser im Jahre 2015 nicht mehr gewollt habe. Schon nach der Darstellung der Klägerin habe der Erblasser mit der Zuwendung vorrangig die Klägerin versorgen und im Alter absichern wollen. Insoweit habe er überwiegend im Fremdinteresse der Klägerin und nicht im eigenen Interesse gehandelt. Es sei ihm darum gegangen, sein Vermögen nach seinem Tode anders zu verteilen als es durch das gemeinschaftliche Testament im Jahre 1995 festgelegt worden sei.

Ein Anspruch auf Übertragung des Mietshauses stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar habe ihr der Erblasser diese Immobilie mit dem im Jahre 2014 errichteten Testament als Vermächtnis vermacht. Das Vermächtnis sei jedoch unwirksam, weil der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments durch das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1995 bereits in seiner Testierfreiheit beschränkt gewesen sei. Er habe die Rechte der Beklagten als Schlusserben durch das Vermächtnis beeinträchtigt. Hierzu sei der Erblasser nach dem Tode seiner Ehefrau nicht mehr befugt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe er die im gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen, zu denen die Schlusserbeneinsetzung der Beklagten zähle, nicht mehr einseitig widerrufen können.

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.03.2017 (Az. 10 U 5/16 OLG Hamm)

Vorerbin muss nicht im Interesse der Vorerben-Erbin betreut werden

Der Betreuer der Vorerbin, den der Erblasser selbst zum Nacherben bestimmt hat, ist nicht gehalten, die Vorerbschaft auszuschlagen, damit die Vorerbin einen ihr dann zustehenden Pflichtteil verlangen kann, der dann nach ihrem Tode wiederum ihrer Erbin zu Gute kommt. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.05.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 23.08.2016 (Az. 16 O 71/16 LG Münster) bestätigt.

Die in Amsterdam lebende Klägerin ist als Großnichte die alleinige Erbin der im Juni 2015 im Alter von 65 Jahren verstorbenen Witwe. Die Witwe war mit dem im März 2015 im Alter von 75 Jahren verstorbenen Erblasser verheiratet. Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament im Jahre 2008 gegenseitig als Alleinerben und die Klägerin als Schlusserbin eingesetzt.

Nach der Testamentserrichtung erkrankte die Ehefrau (und spätere Witwe) an Alzheimer und wurde von ihrem Ehemann (dem späteren Erblasser) versorgt. Als sich der Erblasser nicht mehr in der Lage sah, seine Angelegenheiten und die Angelegenheiten seiner Frau zu regeln, schlug er den mit ihm befreundeten Beklagten aus Coesfeld als Betreuer für sich und seine Frau vor. Der Beklagte wurde daraufhin im Mai 2013 zum Betreuer für den Erblasser und dessen Ehefrau bestellt.

Im November 2013 widerrief der Erblasser seine im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Verfügungen (so dass diese unwirksam wurden). Der Erblasser errichtete ein neues Testament, mit dem er seine Ehefrau als Vorerbin und den Beklagten und dessen Ehefrau als Nacherben einsetzte. Einige Monate später adoptierte der Erblasser den Beklagten. Nach dem Tode der Witwe schlug die Ehefrau des Beklagten die Nacherbschaft aus. Seitdem ist der Beklagte Alleinerbe des Erblassers.

Als testamentarische Alleinerbin ihrer Großtante und Witwe hat die Klägerin vom Beklagten Auskunft über den Nachlass des Erblassers zu seinem Todeszeitpunkt und die Zahlung eines Viertels seines Nachlasses als Pflichtteil, hilfsweise Schadensersatz für einen ihrer Großtante entgangenen Pflichtteil verlangt. Ihren Anspruch hat sie mit ca. 67.500 Euro beziffert.

Die Klägerin hat gemeint, dass sie die der Witwe nach dem Tode des Erblassers angefallene Vorerbschaft noch habe ausschlagen können und deswegen als Erbin der Witwe den dann zu ihrem Vermögen gehörenden Pflichtteilsanspruch geltend machen könne. Jedenfalls schulde der Beklagte Schadensersatz in Höhe des Pflichtteilsanspruchs, da er als Betreuer der Ehefrau des Erblassers verpflichtet gewesen sei, die Vorerbschaft auszuschlagen, um der Ehefrau den für sie günstigeren Pflichtteilsanspruch zu sichern. Die Vorerbschaft habe die Ehefrau aufgrund ihrer schweren Erkrankung und vor dem Hintergrund ausreichend vorhandenen eigenen Vermögens und Einkommens nicht nutzen können.

Die Klage ist erfolglos geblieben. Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Klägerin weder den geltend gemachten Pflichtteil noch einen Schadensersatzanspruch zugesprochen.

Der Klägerin stehe kein erbrechtlicher Pflichtteilsanspruch zu, so der Senat. Die Ehefrau des Erblassers sei seine Vorerbin geworden. Die Vorerbschaft hätten weder der Beklagte als ihr damaliger Betreuer noch – wirksam – die Klägerin ausgeschlagen. Die von der Klägerin erklärte Ausschlagung sei verfristet gewesen. Für die Ausschlagung gelte eine Frist von sechs Wochen, die zu dem Zeitpunkt, in dem die Ehefrau des Erblassers gestorben sei, bereits verstrichen gewesen sei.

Der Klägerin stehe gegen den Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch zu. Die Entscheidung des Beklagten, die Vorerbschaft der Ehefrau des Erblassers nicht auszuschlagen, habe bei der betreuten Ehefrau keinen Vermögensschaden verursacht. Die betreute Ehefrau des Erblassers habe durch die Annahme der Vorerbschaft vermögensmäßig besser dagestanden als wenn sie die Vorerbschaft ausgeschlagen hätte. Als Vorerbin habe sie – im Rahmen der gesetzlichen Regelungen – über zur die zur gesamten Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen dürfen. Ein Pflichtteilsanspruch der Betreuten hätte sich demgegenüber lediglich auf ein Viertel des Nachlasswertes belaufen. Dass die Erbschaft – anders als der Pflichtteilsanspruch – beim Tod der betreuten Vorerbin nicht in ihren Nachlass falle, begründe keinen ersatzfähigen Vermögensschaden der Betreuten. Auf einen Schaden der Klägerin als Erbin der Betreuten komme es insoweit nicht an.

Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11.05.2017 (Az. 10 U 72/16 OLG Hamm), nicht rechtskräftig (Az. BGH IV ZR 179/17)

Erben steht verschenktes Wiesengrundstück zu

Erben können ein vom Erblasser aus der (künftigen) Erbmasse verschenktes Wiesengrundstück herausverlangen, wenn der Erblasser kein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.09.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 29.11.2016 (Az. 8 O 276/15 LG Münster) bestätigt.

Der heute 52 Jahre alte Kläger aus Coesfeld und der heute 53 Jahre alte Beklagte aus Dülmen sind neben zwei weiteren Geschwistern Kinder des im Jahre 2014 im Alter von 75 Jahren verstorbenen Erblassers und seiner im Jahre 2010 im Alter von 69 Jahren vorverstorbenen Ehefrau.

Die Eltern der Parteien waren Eigentümer eines zunächst rechtlich ungeteilten, ca. 3200 m² großen Grundstücks in Dülmen, das optisch in zwei Bereiche geteilt war, in einen Teil, auf welchem sich das von den Eltern bewohnte Wohnhaus nebst Terrasse und Garten befand, und einen unbebauten Bereich, der als Wiese belassen war.

Mit einem im Jahre 1991 errichteten notariellen Erbvertrag setzten sich die Eltern wechselseitig zu Erben ein und bestimmten, dass der Beklagte nach dem Tode des Längstlebenden das Grundstück erhalten und dass ihr weiteres Vermögen unter den anderen Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. Hintergrund dieser Regelung war, dass sich der Beklagte bereiterklärt hatte, im Hause der Eltern zu verbleiben, um ihnen im Alter beiseite stehen zu können.

In der Folgezeit baute der Beklagte das Wohnhaus so um, dass er mit seiner Familie im Obergeschoss wohnen konnte, während die Eltern das Erdgeschoss bewohnten.

Im Jahre 2001 veranlassten die Eltern die Teilung des Grundstücks in zwei Parzellen, die eine Parzelle mit Wohnhaus, Terrasse und Garten sowie die weitere Parzelle mit der unbebauten Wiesenfläche. Die Parzelle mit dem Wohnhaus übertrugen die Eltern im Jahre 2003 dem Beklagten unter Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts zu ihren Gunsten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Zugleich vereinbarten sie einen Pflichtteilsverzicht mit dem Beklagten.

Im Jahre 2007 schenkten die Eltern ihren drei weiteren Kindern jeweils 60.000 Euro, wobei der hierüber errichtete Vertrag erwähnt, dass die Kinder bereits zehn Jahre zuvor jeweils 60.000 DM erhalten hätten. Zugleich vereinbarten die Eltern einen Pflichtteilsverzicht mit den drei weiteren Kindern.

Nach dem Tode der Mutter übertrug der sie allein beerbende Erblasser das unbebaute Wiesengrundstück schenkweise auf den Beklagten. Hierbei erklärte er, es sei beim Abschluss des notariellen Erbvertrages im Jahre 1991 mit seiner Ehefrau vereinbart gewesen, dass der Beklagte das ganze damals noch ungeteilte Grundstück erhalten solle.

Nach dem Tod des Erblassers erwirkten die drei Geschwister des Beklagten einen Erbschein, nach dessen Inhalt sie den Erblasser zu je 1/3 Anteil beerbten.

Vom Beklagten hat der Kläger sodann die Übertragung eines Miteigentumsanteils von 1/3 an dem unbebauten Wiesengrundstück verlangt. Dabei hat er gemeint, die Schenkung dieses Grundstücks an den Beklagten sei als eine die Vertragserben beeinträchtigende Schenkung rückabzuwickeln. Seine Eltern hätten beim Abschluss des Erbvertrages dem Beklagten nur das mit dem Haus bebaute Grundstück zuwenden wollen, während der unbebaute Teil des Grundstücks an die übrigen Kinder habe gehen sollen. Dementsprechend sei zwischen „Haus“ und „Wiese“ unterschieden worden.

Der Beklagte ist dem Begehren seines Bruders entgegengetreten. Es habe von Anfang an dem Willen der Eltern entsprochen, ihm, dem Beklagten, das gesamte bei Abschluss des Erbvertrages noch ungeteilte Grundstück einschließlich der unbebauten Wiese zu übertragen. Seine Geschwister hätten mit Geldschenkungen endgültig abgefunden werden sollen. Mit der späteren Schenkung des Wiesengrundstücks habe der Vater den gemeinsamen Willen der Eltern vollzogen. Zudem habe er aufgrund der erfolgten und erwarteten Investitionen und Pflegeleistungen des Beklagten ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt.

Das Klagebegehren hatte Erfolg. Ebenso wie das Landgericht hat auch der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm den Beklagten verurteilt, an den Kläger einen Miteigentumsanteil von 1/3 an dem Wiesen-grundstück zu übertragen.

Mit der schenkweisen Übertragung des Wiesengrundstücks an den Beklagten habe der Erblasser den Kläger in seinen Rechten als Vertragserbe verletzt, so der Senat. In dem Erbvertrag aus dem Jahre 1991 sei dem Beklagten nur das Haus-, nicht aber das Wiesengrundstück zugewendet worden. Das Wiesengrundstück hätten die drei Geschwister als „weiteres Vermögen“ erhalten sollen. Das folge aus der Auslegung des Erbvertrages. Während sein Wortlaut insoweit nicht eindeutig sei, hätten die vom Landgericht vernommenen Zeugen übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass die Eltern der Parteien beim Abschluss des Erbvertrages stets zwischen „Haus“ und „Wiese“ unterschieden und insoweit wiederholt geäußert hätten, dass das „Haus“ für den Beklagten und die „Wiese“ für die anderen Geschwister bestimmt seien.

Der Erblasser habe beim Verschenken des Wiesengrundstücks an den Beklagten gewusst, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe der drei anderen Geschwister schmälere.

Ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung habe der Erblasser nicht gehabt.

Ein solches könne zwar anzunehmen sein, wenn ein Erblasser mit einer Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege absichern wolle. Die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses scheide jedoch aus, wenn der Erblasser die Zuwendung wesentlicher Vermögenswerte in erster Linie aufgrund eines auf Korrektur einer Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornehme.

Zur Rechtfertigung einer unentgeltlichen Zuwendung obliege es zunächst den Beschenkten, die Umstände eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers schlüssig darzulegen. Im vorliegenden Fall sei dies dem Beklagten nicht gelungen. Sein Hinweis auf Verwendungen auf das Hausgrundstück sowie zu Gunsten der Eltern erbrachte Betreuungs- und Pflegeleistungen begründeten kein anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers an dem Verschenken des Wiesengrundstücks. Wertsteigernde Verwendungen auf das dem Beklagten bereits im Jahre 2003 übertragene Hausgrundstück seien im erster Linie dem Beklagten als nunmehrigen Grundstückseigentümer zu Gute gekommen. Betreuungs- und Pflegeleistungen gegenüber den Eltern seien bereits Anlass für die Grundstücksübertragung gewesen. Dass die insoweit gebotenen Leistungen nach Art und Umfang eine im Jahr 2003 nicht vorgesehene Entwicklung genommen hätte, sei nicht ersichtlich.

Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.09.2017 (Az. 10 U 1/17 OLG Hamm), nicht rechtskräftig (Az. BGH IV ZR 258/17).

Grundstücksausfahrt oder Straßeneinmündung – was tun bei unklar gestalteten Verkehrsflächen?

Für die rechtliche Einordnung einer Verkehrsfläche als Grundstücksausfahrt im Sinne von § 10 Straßenverkehrsordnung (StVO) oder als Einmündung einer Straße im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ist allein deren nach außen in Erscheinung tretende Verkehrsbedeutung maßgeblich. Ausbau und Gestaltung der Verkehrsfläche sind allein nicht entscheidend, können allerdings als äußere Kriterien Anhaltspunkte für die – maßgebliche – Verkehrsbedeutung sein. Schwierigkeiten bei der Erkennbarkeit der Verkehrsbedeutung können von den Beteiligten eine gesteigerte Sorgfalt erfordern und insoweit im Rahmen der subjektiven Haftungsvoraussetzungen zu berücksichtigen sein.

Ausgehend von dieser Rechtslage hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm – nach der Bewertung einer in Werne gelegenen Verkehrsfläche – wechselseitige Berufungen zweier an einem Verkehrsunfall beteiligter Parteien gegen das erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Dortmund vom 08.03.2017 (Az. 21 O 361/16) als erfolglos eingeschätzt. Das hat die Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 05.12.2017 dazu veranlasst, die eingelegten Rechtsmittel zurückzunehmen.

Der Kläger aus Hamm und die – neben ihrem Haftpflichtversicherer – Beklagte aus Werne hatten ihre jeweiligen Fahrzeuge in der Nähe einer Turnhalle abgestellt, die am Werthweg gegenüber der Boymerstraße in Werne gelegen ist. Der Kläger parkte mit seinem Skoda Octavia auf den am Werthweg gelegenen Parkplatz, die Beklagte mit ihrem Mercedes Vaneo auf dem Parkplatz unmittelbar vor der Turnhalle.

Beim Verlassen des Parkplatzes befuhr der Kläger den Werthweg und passierte die – mit der gegenüber liegenden Einmündung der Boymerstraße – wie eine Straßenkreuzung ausgestaltete, unbeschilderte rechtsseitige Zufahrt zur Turnhalle. Auf dieser näherte sich die Beklagte mit ihrem Fahrzeug.

Die Beklagte hielt sich nach der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ für vorfahrtsberechtigt. Zugleich ging der Kläger von der Beklagten als einer sich aus einer Grundstücksausfahrt nähernden Verkehrsteilnehmerin und dementsprechend von seiner Vorfahrt aus. Da weder der Kläger noch die Beklagte dem jeweils anderen Verkehrsteilnehmer den Vorrang einräumten, stießen beide Fahrzeuge im Einmündungsbereich zusammen.

Dem ihm entstandenen Schaden in Höhe von insgesamt ca. 13.000 Euro hat der Kläger von der Beklagten und ihrem Haftpflichtversicherer im vorliegenden Rechtsstreit ersetzt verlangt.

Die Klage war in erster Instanz zu 2/3 erfolgreich. Das Landgericht hat dem Kläger ca. 8.600 Euro Schadensersatz zugesprochen.

Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil, mit der er 100-prozentigen Schadensersatz begehrt hat, sowie die Berufung der Beklagten und ihres Haftpflichtversicherers, die vollständige Klageabweisung begehrt haben, waren erfolglos.

In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Parteien darauf hingewiesen, dass das Landgericht die Verursachungsbeiträge beider Parteien am Unfallgeschehen zutreffend bewertet hat.

Die Beklagte sei, so der Senat, aus einem Grundstück auf eine öffentliche Straße gefahren. Dabei habe sie gemäß § 10 StVO höchste Sorgfalt walten lassen und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen müssen. Dem klägerischen Fahrzeug gegenüber sei sie daher wartepflichtig gewesen. Die von ihr befahrene Abzweigung mit einer Länge von ca. 10 m führe allein zu der nur wenige Meter von der Straßenfront zurückliegenden Sporthalle. Sie diene deren Erreichbarkeit und nicht dem fließenden Verkehr. Wenn die Beklagte, der die Örtlichkeit im Unfallzeitpunkt seit ca. zwei Jahren bekannt gewesen sei, dies anderes bewertet habe, sei dies ein für ihre Haftung unbeachtlicher subjektiver Erlaubnisirrtum. Insoweit trage sie das Risiko einer rechtsfehlerhaften Beurteilung der Vorfahrtsituation.

Obgleich der Verstoß gegen § 10 StVO im Regelfall zur alleinigen Haftung des sich regelwidrig verhaltenden Fahrers führe, begründeten die besonderen Umstände des vorliegenden Falls eine Mithaftung des Klägers. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, die den Einmündungsbereich wie eine Kreuzung erscheinen ließen, habe der vorfahrtsberechtigte Kläger damit rechnen müssen, dass sein Vorfahrtsrecht von der Beklagten aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht erkannt werde. Deswegen habe er seine Fahrweise auf eine mögliche Missachtung des Vorfahrtsrechts ausrichten und durch die Aufnahme von Blickkontakt zu der sich nähernden, wartepflichtigen Beklagten absichern müssen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen und rechtfertige den mit einem Drittel zu bewertenden Mitverursachungsanteil des Klägers am Unfallgeschehen.

Nach der mitgeteilten Beurteilung der Sach-und Rechtslage durch den Senat haben beide Parteien durch die Rücknahme ihrer jeweiligen Berufung den Rechtsstreit beendet. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Dortmund hat damit Bestand.

Hinweis:

Die genannten Vorschriften der Straßenverkehrsordnung lauten wie folgt:

  • 8 Abs. 1 S. 1 StVO „Vorfahrt“:

An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt.

  • 10 StVO „Einfahren und Anfahren“:

Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.

 

 

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