Der
6. Strafsenat des Oberlandesgerichts
Düsseldorf hat am 19. Dezember 2023 unter Leitung des Vorsitzenden Richters
am Oberlandesgericht Jan van Lessen den 27-jährigen syrischen Staatsangehörigen
Maan D. wegen Mordes in einem Fall sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung in vier weiteren Fällen zu lebenslanger
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Zudem hat der Senat die besondere
Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung angeordnet (Aktenzeichen: III-6 St 2/23). Der Angeklagte
hatte die Tatvorwürfe eingeräumt.
Mit der Entscheidung hat der Senat den Anträgen des Generalbundesanwalts beim
Bundesgerichtshof und der als Nebenkläger an dem Verfahren beteiligten Hinterbliebenen
und Geschädigten entsprochen. Der Verteidiger, mit dem der Angeklagte jegliche
Kommunikation verweigert hatte, hat keinen Antrag gestellt.
Nach den Feststellungen des Senats hatte sich der Angeklagte, der 2015 als
Flüchtling aus Syrien nach Deutschland kam, seit 2020 im Internet im Sinne der
militant-jihadistischen Ideologie der Terrororganisation „Islamischer
Staat“ (IS) radikalisiert. Er lehnte die säkulare Rechts- und
Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ab und erstrebte ein Leben
in einem islamischen „Gottesstaat“ auf Basis der Scharia. Alle, die
seine Ideologie nicht teilten, sah er als „Ungläubige“ an. Er war
daher – ohne direkte Anbindung an den IS oder eine andere Terrororganisation –
entschlossen, willkürlich ausgewählte männliche Bewohner der Bundesrepublik
Deutschland zu töten, weil schon deren von ihm vermutete westliche Lebensweise
aus seiner Sicht ein hinreichender Beleg ihrer „Ungläubigkeit“ war.
In Umsetzung seines Plans erstach er in der Nacht auf den 9. April 2023 in der
Duisburger Innenstadt heimtückisch mit einem Küchenmesser einen 35 Jahre alten
Mann, der mit Freunden auf der Straße gefeiert hatte. Am 18. April 2023 stach
er mit demselben Messer in einem Duisburger Fitnessstudio in Tötungsabsicht auf
vier arg- und wehrlose Männer ein. Sie überlebten die Messerstiche, wurden aber
teils lebensgefährlich verletzt und leiden bis heute unter den Folgen der Tat.
Der Angeklagte, der sich seit dem 23. April 2023 in Untersuchungshaft befindet,
ist weiterhin dazu entschlossen, aus seiner Sicht „Ungläubige“ zu
töten, um hierdurch eine vermeintliche Glaubenspflicht zu erfüllen. Er ist für
die Allgemeinheit gefährlich.
Der Senat hat als gesetzlich zwingende Rechtsfolge lebenslange Freiheitsstrafe
verhängt. Er hat insbesondere wegen der Vielzahl der Opfer, der Verwirklichung
zweier sog. Mordmerkmale (Heimtücke und
niedrige Beweggründe) sowie der erheblichen Folgen der Taten für die Verletzten
die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt.
Wegen des Hanges des Angeklagten zur Begehung von Attentaten und der damit
einhergehenden Gefahr für die Allgemeinheit hat der Senat seine Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte, der
Generalbundesanwalt und die Nebenkläger können Revision einlegen, über die der
Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Das schriftliche Urteil wird erst in einigen Wochen vorliegen. Wenn es
zugestellt und anonymisiert ist, wird es in die Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de eingestellt werden.
Hintergrundinformationen:
Lebenslange Freiheitsstrafe wird nicht zwingend bis zum Lebensende vollstreckt. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der bedingten Strafaussetzung zur Bewährung vor, wenn bestimmte, gesetzlich normierte Voraussetzungen vorliegen. Wird – wie hier – die besondere Schwere der Schuld festgestellt, führt dies dazu, dass die bedingte Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe nicht bereits nach 15 Jahren, sondern erst später möglich ist.
Die Sicherungsverwahrung
wird grundsätzlich nach der Strafhaft, bei Verhängung lebenslanger
Freiheitsstrafe also nur nach bedingter Strafaussetzung zur Bewährung
vollzogen. Da die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe aber nicht zur
Bewährung ausgesetzt werden wird, solange der Angeklagte gefährlich ist, und
für den Fall, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht, auch die Vollstreckung
der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt werden
wird, wird es aller Voraussicht nach nicht zu einer Vollstreckung der
Sicherungsverwahrung kommen. Ihre Anordnung im Urteil ermöglicht im Falle
seiner bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug gleichwohl eine längere und
intensivere Überwachung des Angeklagten im Rahmen der Führungsaufsicht.
Relevante Vorschriften des
Strafgesetzbuches (StGB):
§ 211 StGB
(Mord)
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer […]
aus niedrigen Beweggründen [oder] heimtückisch einen Menschen tötet.
§ 57a StGB
(Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe)
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 […] vorliegen. […]
§ 57 Abs.
1 Satz 2 […] gilt entsprechend.
§ 57 StGB
(Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe)
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn […]
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann […].
Bei der Entscheidung sind
insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die
Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts,
das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und
die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten
sind.
67c StGB
(Späterer Beginn der Unterbringung)
(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass
1. der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert, […] setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. […]