Juncker-Plan schiebt Investitionen in der ganzen EU an
Bis zu 100 Mrd. Euro bereits mobilisiert
Mindestens 315 Mrd. Euro an zusätzlichen Investitionen in Europa innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren – die Europäische Investitionsoffensive mit dem Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) ist das bislang ambitionierteste Projekt der Juncker-Kommission, teilt die EU-Kommission heute mit. Durch öffentliche Garantien würden private Investoren für Infrastruktur, Innovationen, Startups und Mittelständler aktiviert. Ein Jahr nach dem Start des EFSI zogen Vertreter der EU-Institutionen, Unternehmer und Wissenschaftler am 7. Juni 2016 eine Zwischenbilanz bei einem Workshop der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank (EIB). Kontrovers diskutiert wurde insbesondere die Frage, in welchem Maße zusätzliche Investitionen ausgelöst werden und wie man das Zusammenwirken mit privaten Investitionen optimieren könnte.
EIB-Präsident Werner Hoyer betonte heute, Grundgedanke der EU-Investitionsoffensive sei gewesen, Haushaltsmittel der EU und Reserven der Bank effizient zu nutzen, um auch Projekte von öffentlichem Interesse oder mit höherer Risikoeinschätzung zu ermöglichen, die ansonsten nicht realisiert würden. Über den bisherigen Verlauf sei er „ausgesprochen glücklich. Die bereits angeschobenen Projekte hätten das Potenzial, ein Investitionsvolumen von rund 100 Mrd. Euro und damit etwa ein Drittel der geplanten Summe auszulösen.
Aus Sicht des für die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen zuständigen Europäischen Investitionsfonds (EIF) habe der EFSI ermöglicht, dass eine neue Gruppe Unternehmen mit günstigen Finanzierungen unterstützt wird, die die Start-Up-Phase hinter sich gelassen hat und drei bis fünf Jahre am Markt ist. „Wir sehen in jeder Hinsicht Zusätzlichkeit“, sagte Christa Karis, Head of Corporate Relations beim EIF.
Die Heidelberger Druckmaschinen AG berichtete auf dem Workshop über ein konkretes EFSI-Darlehen an das Unternehmen. Mit Hilfe eines Kredits von über 100 Mio. Euro könne das Unternehmen die Entwicklung einer innovativen Tintenstrahl-Druckmaschine finanzieren, die langfristig hohe Weltmarktanteile erzielen soll. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens in der Vergangenheit sei es auf anderem Wege schwierig gewesen, langfristige Finanzzusagen zu bekommen, berichtete der Finanzvorstand des Unternehmens, Dirk Kaliebe. Er hob hervor, dass die EIB nicht nur die Expertise in Finanzierungsfragen, sondern auch das technische Fachwissen habe. „Was wir in diesem Projekt an Unterstützung bekommen haben ist 1 A mit Sternchen“, sagte er.
EIB-Präsident Hoyer und Vizepräsident Ambroise Fayolle berichteten, dass die EFSI-Garantien der EIB ermöglichten, größere, riskantere Zukunftsinvestitionen zu stemmen als zuvor. Anders als gelegentlich befürchtet gebe es dabei keine Verdrängung („Crowding-out“) privater Investoren, sondern ganz im Gegenteil würden private Investoren erst angelockt („Crowding-in“), wenn ein Projekt das Gütesiegel der EIB trage. Erst dann wagten auch private Anleger, etwa in Großprojekte zur strategischen Infrastruktur einzusteigen.
Wie Investitionen in erneuerbare Energien gefördert werden, erläuterte Michael Hannesschläger, Geschäftsführer der österreichischen Energieparks Bruck/Leitha GmbH. Kurzfristig sei eine Bank bei der Finanzierung von zwei Windparks des Unternehmens abgesprungen. Die EIB habe das Projekt extrem schnell finanziell und technisch geprüft, Unterstützung zugesagt und so den Bau möglich gemacht.
Jens Spahn (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hob hervor, dass der Fokus des EFSI auf kleine und mittlere Unternehmen „richtig und wichtig“ sei. Da viele europäische Banken noch notleidende Kredite in den Bilanzen hätten, hätten sie Schwierigkeiten, parallel Darlehen an Unternehmen auszugeben. „Mit dem EFSI geht es darum, eine Form des Marktversagens zu beheben“, sagte er. Allerdings: „Wir müssen im Ergebnis schon schauen, dass wir nicht Kreditgeschäft, das wir ohnehin hätten, einfach ersetzen, sondern tatsächlich Investitionen freisetzen, die sonst nicht passiert wären.“ Und: „In dem Moment, wo es wieder läuft in Europa muss man fragen, ob das Instrument ordnungspolitisch noch richtig ist.“
In der Diskussionsrunde wurde diese Kritik zum Teil wieder aufgegriffen. Claus Fintzen, Director Infrastructure Debt von Allianz Global Investors, sagte, er hielte den Investitionsplan für eine hervorragende Idee. Es sei aber schwierig zu beurteilen, ab welchem Punkt private Investoren von Programmen wie dem EFSI verdrängt würden. Wenn ein EFSI-Projekt mit einem privaten Investor konkurriere, falle die Rendite niedriger aus.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), entgegnete, entscheidend sei nicht, wer das Kapital gebe. Entscheidend sei vielmehr die Frage, ob die Kreditvergabe und Unterstützung durch die öffentliche Hand effizient stattfinde. „Wir brauchen insgesamt eine Stärkung der öffentlichen Investitionen“, forderte er. Gerade in Deutschland gebe es einen riesigen Nachholbedarf. Auch der Geschäftsführende Direktor des EFSI, Wilhelm Molterer, hob den enormen Investitionsbedarf hervor. Die Frage stelle sich dabei nicht, dies öffentlich oder privat zu finanzieren, sondern es müssten beide Seite mobilisiert werden, um den Investitionsstau zu überwinden.
EU-Kommission in Deutschland/tp
Foto (Abbildung): EIB-Präsident Werner Hoyer