Kabinett beschließt weitreichendes Verbot von sogenannten Konversionstherapien.

Jens Spahn: „Wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern.“

Medizinische Interventionen, die darauf gerichtet sind, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken (sogenannte Konversionstherapien), sollen künftig verboten werden. Das ist Ziel des Entwurfs eines „Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, dem das Kabinett zugestimmt hat. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Homosexualität ist keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend. Wir wollen sogenannte Konversionstherapien soweit wie möglich verbieten. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund. Und ein Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: es ist ok, so wie du bist.“

Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen.

Was soll verboten werden?

  Konversionsbehandlungen an Minderjährigen generell sowie

  an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel (z.B. Zwang, Drohung, Täuschung, Irrtum) beruht. (Zum Beispiel, weil der Behandler sie nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufklärt.)

Was soll darüber hinaus verboten werden?

  Das öffentliche Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen.

  Bei Behandlungen an Personen unter 18 Jahren auch das nichtöffentliche Werben, Anbieten und Vermitteln.

Was droht bei Verstößen?

  Verstöße gegen das Verbot von Konversionsbehandlungen werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft.

  Verstöße gegen das Verbot der Werbung, des Anbietens und Vermittelns werden mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet.

Für wen gilt das Verbot?

  Für alle Personen, nicht nur für Personen, die berufsmäßig handeln.

  Auch Eltern oder andere Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte können bei gröblicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht bestraft werden.

Für welche Behandlungen gilt das Verbot nicht?

  Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz (z.B. Exhibitionismus, Pädophilie) und

  Behandlungen, die der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität einer Person oder ihrem Wunsch nach einem eher weiblichen oder eher männlichen Körperbild zum Ausdruck verhelfen.

Gilt das Verbot auch für seelsorgerische und psychotherapeutische Gespräche?

  Das Verbot gilt nur dann, wenn der Gesprächspartner zielgerichtet Einfluss zu nehmen versucht auf die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität eines Betroffenen.

Welche Regelungen enthält der Gesetzentwurf neben dem Verbot?

  Ein Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für alle betroffenen Personen, Angehörige und z.B. Personen, die sich beruflich mit dem Thema befassen und dazu beraten.

  Die Beratung soll kostenfrei, mehrsprachig und anonym erfolgen, als Telefon- und Onlineberatung.

Warum brauchen wir ein Verbot sog. Konversionstherapien?

In Deutschland gibt es Organisationen, die immer noch die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (z.B. Homo- oder Bisexualität) oder abweichende Geschlechtsidentitäten (z.B. Transgeschlechtlichkeit) seien eine „Krankheit“ und behandlungsbedürftig. Sie bieten sog. Konversionstherapien an, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken.

Die Weltgesundheitsorganisation hat erklärt, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit sind und keine Indikation für eine „Therapie“ besteht. Der Weltärztebund hat 2013 sog. Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt und der Deutsche Ärztebund hat 2014 vor den negativen Auswirkungen auf die Gesundheit gewarnt.

Warum sind sog. Konversionstherapien (KT) gefährlich?

Keine der bekannten Studien lässt den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung dauerhaft verändert werden kann. Wissenschaftlich nachgewiesen sind aber schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.

Warum ein eigenständiges Gesetz und keine Regelung im Strafgesetzbuch (StGB)?

Das spezifische Unrecht sog. Konversionstherapien liegt vor allem in der Beeinträchtigung der sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung und der Gesundheit der Betroffenen, meistens durch psychische Einwirkungen. Das gegenwärtige Strafrecht trägt dem nicht ausreichend Rechnung. Ein eigenständiges Gesetz ermöglicht, die Straf- und Bußgeldvorschriften und das Beratungsangebot in einem Gesetz zu bündeln, andernfalls hätten die Regelungen auf verschiedene Gesetze verteilt werden müssen.

Den Gesetzentwurf sowie weitere Informationen finden Sie hier: www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot

Verbot sogenannter Konversionstherapien ist überfälliger Schritt.

Zum von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zum Verbot sogenannter „Konversionstherapien“ erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Sogenannte ‚Konversionstherapien‘ sind eine gefährliche Scharlatanerie. Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf erfüllt sich die grüne Forderung nach einem Verbot dieser Pseudotherapien, das wir erstmals 2013 in einem Gesetzentwurf gefordert haben.

Wir freuen uns, dass das Bundesgesundheitsministerium die einhellige Kritik der Verbände sowie der grünen Bundestagsfraktion berücksichtigt hat und einen Teil der Ausnahmeregelungen für 16- bis 18-jährige gestrichen hat. Neben dem Verbot von Pseudotherapien zu Homosexualität werden endlich auch schädliche Behandlungen zu allen Formen der Geschlechtsidentität in dem Gesetz erfasst.

Sehr kritisch bewerten wir jedoch einen Passus, der es Eltern und Erziehungsberechtigten weiterhin und ohne Folgen ermöglicht, Pseudotherapien durchzuführen. Denn dies kann dazu führen, dass Jugendliche weiter unter enormen Druck geraten. Wir fordern, dass der Gesetzentwurf Jugendliche auch vor dem Druck aus ihrem Umfeld schützt – und zwar ausnahmslos. Daher werden wir im Verfahren darauf pochen, dass diese Regelung gestrichen wird.

Über das strafrechtliche Verbot hinaus wollen wir weitere, aufklärende Maßnahmen, die dazu beitragen, diesen schädlichen Behandlungen von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität endlich ein Ende zu setzen. Niemand, weder Lesben, Schwule, non-binäre, transsexuelle noch hetero- oder bisexuelle Menschen bedürfen einer Heilung. Eine Aufklärungskampagne und ein Aktionsplan zur Bekämpfung sogenannter „Konversionstherapien“ und ihren Folgen muss dieses Gesetz begleiten.

BRANDENBURG: Jugendliche müssen vor religiösen Fanatikern geschützt werden.

Zum Kabinettsbeschluss des Teilverbots von Konversionstherapien erklärt der Sprecher für LSBTI der FDP-Fraktion im Bundestag Dr. Jens Brandenburg:

Jens Brandenburg

„Konversionstherapien sind ein schwerer Eingriff in die persönliche Selbstbestimmung. Was keine Krankheit ist, kann man nicht heilen. Deshalb unterstützen wir das geplante Verbot dieser menschenverachtenden Behandlungen. Wichtig ist, dass nun die geplante Lockerung des Verbots von Konversionsverfahren an 16- und 17-Jährigen endlich vom Tisch ist. Die deutliche Kritik von Opposition und Verbänden hat offenbar gewirkt. Jugendliche müssen vor religiösen Fanatikern geschützt werden. Wer sich mit gefährlichen Umpolungstherapien an Minderjährigen vergreift, darf nicht straflos davonkommen. Denn die schweren Folgeschäden der Opfer reichen von psychischen Traumata bis zum Suizid. Nun kommt es auf eine zügige parlamentarische Beratung an, damit das Verbot noch im Frühjahr in Kraft treten kann.“

Fotoquellen: TP Presseagentur Berlin

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