Kammergericht Berlin, Beschluss vom 29.06.2015 – 2 Ws 132/15 Vollz.

2 Ws 132-15 Vollz KG – GG-BO

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 29.06.2015.
– 2 Ws 132/15 Vollz –
Vereinigung von arbeitenden Strafgefangenen stellt keine Gewerkschaft dar
Verteilen und Entgegennahme von Mitgliedsanträgen während der Arbeitszeit und den Pausen kann untersagt werden
Einem Strafgefangenen, der Mitglied einer „Gefangenen-Gewerkschaft“ ist, kann von der Justizvollzugsanstalt aus Sicherheitsgründen untersagt werden, während der Arbeitszeit und in den Pausen Mitgliedsanträge zu verbreiten und entgegenzunehmen. Das Recht zur Untersagung ergibt sich aus dem Direktionsrecht der Anstalt. Ein unzulässiger Eingriff in die Werbefreiheit einer Gewerkschaft liege nicht vor, da eine Gefangenen-Gewerkschaft keine Gewerkschaft sei. Dies geht aus einer Entscheidung des Kammergerichts hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel war Mitglied in einer „Gefangenen-Gewerkschaft“. Im Rahmen seiner Arbeit als Busfahrer auf dem Anstaltsgelände verteilte er Mitgliedsanträge und nahm solche entgegen. Die Anstaltsleitung untersagte diese Tätigkeit jedoch aus Sicherheitsgründen. Denn den arbeitenden Strafgefangenen war nur die Mitnahme einer Verpflegungsbox gestattet. Die „Gewerkschaft“ sah in dem Verbot eine Behinderung ihrer gewerkschaftlichen Organisation und ging gerichtlich gegen das Verbot vor.
Landgericht hielt Verbot der schriftlichen Mitgliedswerbung für zulässig
Das Landgericht Berlin hielt das Verbot der schriftlichen Mitgliedswerbung für zulässig. Das Verbot habe sich auf § 4 Abs. 2 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) stützen können. Denn durch das Verhalten des Gefangenen sei die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet gewesen. Durch die Übergabe der Anträge und der Forderung der Ausfüllung der Anträge habe eine Drucksituation entstehen könne. Gegen diese Entscheidung legte die „Gefangenen-Gewerkschaft“ Rechtsbeschwerde ein.
Kammergericht stützt Untersagung auf Direktionsrecht der Anstalt
Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Rechtsbeschwerde der „Gefangenen-Gewerkschaft“ zurück. Zwar habe sich das Verbot nicht auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stützen können. Das Recht zur Untersagung der schriftlichen Mitgliederwerbung habe sich aber aus dem Direktionsrecht der Anstalt ergeben. Das Recht der Anstalt, die Arbeit von Gefangenen auszugestalten und die einzelnen Modalitäten festzulegen, folge aus § 37 und § 41 Abs. 1 StVollzG und sei vergleichbar mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers .
Zulässige Ausübung des Direktionsrechts
Das Direktionsrecht der Justizvollzugsanstalt sei nach Ansicht des Kammergerichts in zulässiger Weise ausgeübt worden. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich andere Gefangene durch die Verteilung und Entgegennahme der Mitgliedsanträge während der Arbeitszeit und in den Pausen haben gestört fühlen können. Es habe somit ein Konfliktpotential vorgelegen. Zudem habe die Gefahr bestanden, dass der Gefangene neben den Formularen auch verbotene Gegenstände weitergibt oder entgegennimmt. Dem Interesse der „Gefangenen-Gewerkschaft“ sei dadurch Rechnung getragen worden, dass ihr die Auslage der Anträge an allgemein zugänglichen Stellen sowie die mündliche Mitgliederwerbung gestattet worden sei.
Keine unzulässige Einschränkung der gewerkschaftlichen Werbefreiheit
Durch das Verbot sei nicht in unzulässiger Weise in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte gewerkschaftliche Werbefreiheit eingegriffen worden, so das Kammergericht. Denn die „Gefangenen-Gewerkschaft“ sei nicht als Gewerkschaft einzustufen gewesen. Eine Gewerkschaft sei eine Vereinigung von Arbeitnehmern . Ein Arbeitnehmer sei wiederum nur, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags oder eines vergleichbaren Rechtsverhältnisses im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet sei. Zwischen Strafgefangene und der Justizvollzugsanstalt werden aber zum einen keine Arbeitsverträge geschlossen und zum anderen beruhe ihr Arbeitseinsatz nicht auf eine freie Willensentscheidung. Vielmehr sei ihr Beschäftigungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur und sei Folge der Arbeitspflicht.

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