Menschenhandel in Deutschland soll besser bekämpft, Täterinnen und Täter sollen konsequenter zur Rechenschaft gezogen werden können. Dazu sollen die Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Ausbeutung grundlegend reformiert werden. Das sieht ein neuer Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vor. Der Gesetzentwurf berücksichtigt Erfahrungen in der Strafverfolgungspraxis und greift Vorschläge aus der Wissenschaft auf. Mit dem Gesetzentwurf soll zugleich die geänderte europäische Richtlinie gegen Menschenhandel umgesetzt werden.
Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Stefanie Hubig erklärt dazu:
„Menschenhandel ist moderne Sklaverei. Auch Deutschland ist Tatort – im Bau, in der Pflege und im Bereich der Zwangsprostitution. Zwangsprostitution ist eine besonders erniedrigende Form des Menschenhandels. Die Opfer sind fast immer Frauen und Mädchen. Angeworben mit Lügen, werden die Betroffenen ihrer Freiheit beraubt, systematisch kontrolliert und zur Prostitution gezwungen. Wir müssen das Strafrecht so anpassen, dass Menschenhandel effektiv verfolgt werden kann. Deshalb schlage ich eine Reform des Strafrechts vor. Bislang kommen Menschenhändler zu oft ohne Strafe davon.“
Die Menschenhandelstatbestände im Strafgesetzbuch wurden zuletzt 2016 neugefasst. Die Erfahrungen der Strafverfolgungspraxis sowie eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Auftrag gegebene wissenschaftliche Evaluation zeigen eindrücklich, dass die Vorschriften überarbeitungsbedürftig sind. Die Tatbestände sind unübersichtlich und die Anforderungen an die Beweisbarkeit der komplexen Tatbestandsmerkmale teils zu hoch. Die Schwierigkeiten der Strafverfolgung zeigen sich in den niedrigen Verurteilungszahlen im Bereich des Menschenhandels. Über die Richtlinienumsetzung hinaus sieht der Gesetzentwurf daher eine grundlegende Reform der Menschenhandelsdelikte (§§ 232 bis 233a StGB) sowie der Tatbestände zur sexuellen Ausbeutung (insbesondere §§ 180a, 181a StGB) vor, die von der Wissenschaft, der Strafverfolgungspraxis und der Zivilgesellschaft gleichermaßen seit langem gefordert wird. Damit sollen neben der Umsetzung europäischer Vorgaben entscheidende Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen erreicht werden, um Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung künftig effektiver bekämpfen zu können.
Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sieht im Wesentlichen folgende Änderungen vor:
§ Strafbarkeit neuer Ausbeutungsformen
Der Tatbestand des Menschenhandels (§ 232 StGB) soll entsprechend der geänderten europäischen Vorgaben überarbeitet und auf neue Formen der Ausbeutung ausgeweitet werden. Zukünftig sollen auch die Ausbeutungsformen der Leihmutterschaft, der Adoption und der Zwangsheirat erfasst sein. Damit wird der kontinuierlich steigenden Anzahl und Relevanz von Straftaten im Zusammenhang mit Menschenhandel Rechnung getragen, die zu anderen Zwecken als der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung von Arbeitskräften begangen werden.
- Umfassende Nachfragestrafbarkeit
Der Gesetzentwurf sieht in einem neuen § 232a StGB erstmals eine Nachfragestrafbarkeit in Bezug auf alle Ausbeutungsformen des Menschenhandels vor. Bislang kennt das deutsche Strafrecht eine Nachfragestrafbarkeit in Bezug auf Menschenhandel nur, soweit es um die Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen geht (sogenannte Freierstrafbarkeit zum Schutz von Opfern von Zwangsprostitution oder anderer sexueller Ausbeutung). Künftig soll sich aber auch strafbar machen, wer andere Dienstleistungen von Personen in dem Wissen in Anspruch nimmt, dass diese Personen ausgebeutet werden (zum Beispiel in einem Nagelstudio oder im Rahmen eines Bauvorhabens).
§ Neufassung der Strafvorschriften zum Schutz vor sexueller Ausbeutung
Die Tatbestände zum Schutz von Personen, die der Prostitution nachgehen, vor sexueller Ausbeutung sollen überarbeitet und besser auf das Menschenhandelsstrafrecht abgestimmt werden. Die Strafrahmen sollen angehoben werden, um Täterinnen und Täter konsequent zur Verantwortung ziehen zu können. Für den Grundtatbestand des Menschenhandels soll beispielsweise zukünftig eine Höchstfreiheitsstrafe von zehn Jahren statt bisher fünf Jahren gelten.
- Gesonderte Tatbestände zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor der Ausbeutung bei sexuellen Handlungen gegen Entgelt soll durch neue Tatbestände verbessert werden. Dazu werden die bisher auf verschiedene Vorschriften verteilten Straftatbestände zur Veranlassung, Ausbeutung und Inanspruchnahme entgeltlicher sexueller Handlungen von Kindern und Jugendlichen neu strukturiert, ausgeweitet und mit höheren Strafen belegt. Die Neuregelung dient damit auch der weiteren Umsetzung der aktuellen Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie.
Der Gesetzentwurf wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 28. November 2025 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen der Verbände werden auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht.
Den Gesetzentwurf und weitere Informationen finden Sie hier.