Karadžić-Urteil: „Ein Stück Gerechtigkeit, aber kein Schlussstrich.“

Zum Berufungsurteil gegen den bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić erklärt Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die lebenslange Haft von Radovan Karadžić für grausamste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist wichtig und richtig. Er ist verantwortlich für den Völkermord in Srebrenica, für den Terror im belagerten Sarajevo, für die Exekution von tausenden Vätern und Söhnen, für brutalste Kriegsvergewaltigungen von Müttern und Töchtern. Dieses Urteil schafft ein kleines Stück Gerechtigkeit, auch wenn es das unermessliche Leid der Opfer und ihrer Angehörigen nicht heilen kann.

Das Urteil ist eine laute Erinnerung daran, was passieren kann, wenn Politiker das Ziel „ethnisch reiner Gebiete“ verfolgen. Trotzdem gibt es dieses Ziel in der Region bis heute. Aktuell diskutieren der serbische und der kosovarische Präsident über eine neue ethnische Grenzziehung. Diese Idee ist ein Hohn für alle Kriegsopfer und brandgefährlich für den Frieden in Europa. Sie würde den Kriegsverbrechern von gestern und den Nationalisten von heute enormen Auftrieb geben.

Die EU muss ihrem Friedensversprechen gerecht werden und diesen nationalistischen Ideen entschieden entgegentreten. Ein EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten ist nur mit Aussöhnung, strafrechtlicher Verfolgung der noch nicht verurteilten Kriegsverbrecher und Anerkennung bestehender Grenzen möglich.“

„Starkes Signal aus Den Haag – Für Völkermord kann es nur lebenslänglich geben.“

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, erklärt zum Urteil:

„Das UN-Gericht hat heute ein starkes Signal gesetzt, indem es im Berufungsverfahren das ursprüngliche Urteil gegen den Kriegsverbrecher Karadzic verschärft hat: Für Völkermord kann es nur lebenslänglich geben.

Das ursprüngliche Strafmaß von 40 Jahren war unzureichend und wurde zu Recht revidiert. Die heutige Verurteilung ist von Bedeutung, für Täter wie vor allem für die Opfer.

Das Urteil sendet außerdem ein wichtiges Signal weit über Bosnien-Herzegowina hinaus: Es zeigt, dass internationales Kriegsvölkerrecht überwacht wird, Verstöße mit aller Konsequenz sanktioniert werden. Dessen sollten sich Despoten in Syrien, Südsudan und anderswo sehr bewusst sein. Das Urteil stärkt aber auch das internationale Rechtssystem und damit einen wichtigen Pfeiler der internationalen Ordnung. Auch dies ist in so krisenbehafteten Zeiten wie den heutigen bedeutsam.

Auch nach diesem Urteil braucht es eine echte Aufarbeitung des Völkermordes – in Bosnien-Herzegowina, in Kroatien und vor allem in Serbien. Versöhnung und Aufarbeitung sind Voraussetzung für eine Annäherung an den Rechts- und Werterahmen der Europäischen Union.“

Hintergrund:
Die UN-Richter in Den Haag verurteilten Karadzic wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Balkan-Kriege in den 1990er Jahren. Dem Urteil zufolge ist er schuldig wegen Mordes, Verfolgung und Zwangsvertreibung bosnischer Muslime. Außerdem habe er die 44 Monate dauernde Belagerung der bosnischen Stadt Sarajevo sowie den Völkermord von Srebrenica zu verantworten, schreiben die Richter.

Das heutige Berufungsurteil wurde vom sogenannten Internationalen  Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe gefällt. Es ist der Rechtsnachfolger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien.

Fotoquelle: By Mikhail Evstafiev – Created and Uploaded by Evstafiev, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=715228

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