Kein diplomatisches Pingpong.

Juncker zum Brexit: EU wird in aller Fairness, aber ohne nachsichtige Naivität verhandeln.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Chefverhandler der EU für den Austritt des Vereinigten Königreichs, Michel Barnier, haben heute (Mittwoch) im Europäischen Parlament ihre wesentlichen Prinzipien für die Brexit-Verhandlungen dargelegt. An erster Stelle sollen die Bürger stehen: „Wir treten dafür ein, dass Arbeitnehmer, Unternehmer, Studenten und Rentner nicht diejenigen sein werden, die den Preis für den Brexit zahlen. Menschen sind keine Verhandlungsmasse und sie dürfen nicht zum Faustpfand in den Verhandlungen werden“, sagte Juncker. „Deshalb werden wir die Verhandlungen mit Großbritannien so führen, dass wir die menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten des Brexit so weit wie möglich abmildern. Wir wollen in aller Fairness verhandeln – in aller Fairness, ja, aber ohne nachsichtige Naivität.“

Juncker sagte weiter: „Es geht bei diesen Verhandlungen nicht nur um Verträge und Paragraphen, schon gar nicht um diplomatisches Pingpong oder intergouvernementales Scharmützel – es geht um das Leben von vielen Millionen Menschen.

Mehr als vier Millionen Menschen haben berufliche und familiäre Brücken von und nach Großbritannien geschlagen und damit grundlegende biographische Entscheidungen – Lebensentscheidungen – getroffen. Sie haben sich in ihre Arbeit gestürzt mit vollem Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Europäischen Union, haben Kinder in die Schule geschickt, erfolgreich Geschäfte gemacht und sich so ein auf Dauer angelegtes Leben aufgebaut. Wenn wir nun in die Verhandlungen einsteigen, dann tun wir dies auch und vor allem in ihrem Namen. Die Kommission wird Fürsprecherin der direkt Betroffenen diesseits und jenseits des Kanales sein.“

Die EU werde sicherstellen, dass die britische Brexit-Entscheidung sie nicht in Unsicherheiten und ins Ungewisse stürzt, so Juncker. „Das gilt übrigens auch für alle diejenigen, die sich auf EU-Projekte verlassen, die bereits geplant und genehmigt sind. Eingegangene Versprechen, eingegangene Verpflichtungen sind absolut einzuhalten.

Allgemein gelte: eine ungeordnete Scheidung sei der denkbar ungünstigste Fall. Kein Deal – das wäre ein äußerst nachteiliges Szenario für viele Menschen und für viele Familien. Ein nachteiliges Szenario für Forschung, für polizeiliche Zusammenarbeit, für Handel – kurzum: Kein Deal hieße, niemand gewinnt, alle werden verlieren.

Deshalb werden wir die Verhandlungen mit Großbritannien so führen, dass wir die menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten des Brexit so weit wie möglich abmildern. Wir wollen in aller Fairness verhandeln – in aller Fairness, ja, aber ohne nachsichtige Naivität. Ich weiß, sanfte Neugeburten sehen verlockend aus, aber ich möchte das auch Herrn Farage sagen: Nicht die Europäische Union verlässt Großbritannien. Großbritannien verlässt die Europäische Union, so Juncker.

Unsere Scheidungsanwälte, vor allem Michel Barnier, werden nun im Detail die vielen Errungenschaften auseinander dividieren müssen, die wir in 44 Jahren gemeinsamer – nicht krisenfreier – Ehe angehäuft haben. Dies ist die notwendige Voraussetzung, damit unsere neue Partnerschaft auf einer soliden Grundlage zu stehen kommt. Neue Partnerschaften könnten erst nach sauberer, klarer, unmissverständlicher, nicht interpretierbarer Klärung früherer Verhältnisse erfolgen. Parallele Verhandlungen über die Zukunft können nicht stattfinden – Verhandlungen über die Zukunft finden erst statt, wenn die Fragen, die uns aus der Vergangenheit erwachsen, allesamt zufriedenstellend geklärt sind.

Weitere Informationen:

Wortlaut der Rede von Präsident Juncker im Europäischen Parlament

Wortlaut der Rede von EU-Chefverhandler Michel Barnier

Website der Taskforce für die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich

Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union – Fragen und Antworten

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