Kein Kartellschadensersatz für Schleckerinsolvenzmasse.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil Schadensersatzforderungen des Insolvenzverwalters der ehemaligen Drogeriemarktkette Schlecker wegen Kartellabsprachen von Drogeriemarkenartikelherstellern abgewiesen. Es sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass der kartellrechtswidrige Informationsaustausch der Hersteller zu einem Schaden bei Schlecker geführt habe, begründete das OLG die Entscheidung.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogerieartikel Schadensersatz in Höhe von rund 212 Mio. € von den Beklagten, die zu den in Deutschland führenden Anbietern von Drogeriemarkenartikeln in den Bereichen Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel gehören. Der Kläger behauptet, Drogeriemarkenartikel im Zusammenhang mit einem vom Bundeskartellamt festgestellten und bebußten kartellrechtswidrigen Informationsaustausch überteuert bezogen zu haben. An dem Informationsaustausch haben sich die Beklagten sowie weitere, den Beklagten als Streithelfer beigetretene Anbieter von Drogeriemarkenartikeln in zeitlich wie inhaltlich unterschiedlichem Umfang zwischen März 2004 und November 2006 im Rahmen eines seit den 90iger Jahren verbandsmäßig eingerichteten Arbeitskreises beteiligt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Es stehe zwar nach § 33 Abs. 4 GWB bindend fest, dass die Beklagten Kartellrechtsverstöße begangen haben, führt das OLG aus. Auch sei der Insolvenzschuldner als unmittelbarer Abnehmer der Beklagten „kartellbetroffen“ (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 28.1.2020, KZR 24/17 – Schienenkartell II). Jedoch habe sich mit der für die Haftungsausfüllung gemäß § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht feststellen lassen, dass der Informationsaustausch zu einem kausalen Schaden bei dem Insolvenzschuldner geführt habe. Dies stehe nicht bereits aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes in den gegen die Beklagten und Streithelfer ergangenen Bußgeldbescheiden bindend fest. Bereits bei Quoten- und Kundenschutzkartellen streite kein Anscheinsbeweis dafür, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Dies gelte erst Recht für einen reinen Informationsaustausch. Ob statt des Anscheinsbeweises eine entsprechende tatsächliche Vermutung im Sinne eines Erfahrungssatzes für einen reinen Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen gelte, könne offenbleiben. Jedenfalls komme dieser für den hier in Rede stehenden Informationsaustausch kein maßgebliches Gewicht zu. Es lägen vielmehr zahlreiche Indizien vor, die einer preissteigernden Wirkung entgegenstünden. So sprächen die konkreten Marktgegebenheiten, die Praxis und der Gegenstand des Informationsaustauschs unter Berücksichtigung insbesondere der legalen Zielsetzung des Arbeitskreises, die fehlende Kartelldisziplin und die starke Verhandlungsposition des Insolvenzschuldners gegen einen ursächlich auf das wettbewerbswidrige Verhalten zurückzuführenden Schaden. Ein Kartellschaden sei auch nicht nach dem vom Kläger eingereichten Privatgutachten indiziert. Das Gutachten leide vielmehr gemäß den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten unter methodischen Fehlern und Widersprüchen der ökonometrischen Analyse und Berechnung, insbesondere bei der Auswahl und Ermittlung zugrundeliegender Anknüpfungstatsachen. Diesen Einwänden sei der Kläger nicht substanziiert entgegengetreten, so dass kein Anlass für eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung gegeben sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim BGH erreichen.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.05.2020, Az. 11 U 98/18
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.08.2018, Az. 2-03 O 239/16)

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