Keine gesetzliche Grundlage für Verkehrsüberwachung mittels „Section Control“ – 7. Kammer des VG Hannover gibt Eilantrag und Klage statt.

Gericht untersagt dem Land Niedersachsen, die amtlichen Kennzeichen eines jeden vom Antragsteller und Kläger geführten Fahrzeuges zu erfassen.
Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts hat am heutigen Tag dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie einer Klage stattgeben, mit denen der Antragsteller und Kläger begehrte, dass das Land Niedersachsen es unterlässt, Geschwindigkeitskontrollen hinsichtlich der von ihm geführten Fahrzeuge mittels der Anlage „Section Control“ auf der B6 in Laatzen zwischen den Anschlussstellen Gleidingen und Laatzen durchzuführen.

Durch „Section Control“ werden die Kfz-Kennzeichen aller in dem überwachten Abschnitt einfahrenden Fahrzeuge erfasst. Auch wenn diese beim 2,2 km entfernten Ausfahren im sog. Nichttrefferfall gelöscht werden, bedarf es für deren Erfassung – sowohl im sog. Treffer- als auch im sog. Nichttrefferfall – einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Mit der Erfassung wird in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Für einen solchen Eingriff bedarf es stets – auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs – einer gesetzlichen Grundlage. Dass „Section Control“ sich noch im Probebetrieb befindet, ändert hieran nichts. Dies folgt auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand.

An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehlt es hier. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht ist, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll.

Ob eine solche Rechtsgrundlage in die Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen fällt oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsste, lässt die Kammer dahingestellt, da jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiert.

Der Antragsteller und Kläger muss einen Eingriff in seine Rechte auch nicht während eines Probebetriebes von „Section Control“ hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Exekutive nicht selbst so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. Der Staat ist auch nicht zwingend auf „Section Control“ angewiesen. Er kann die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen.

Das Land Niedersachsen kann hinsichtlich des Eilverfahrens in die Beschwerde gehen. Die 7. Kammer hat im Klageverfahren die Berufung zugelassen.

Az.:

7 A 849/19 (Klage)

7 B 850/19 (Eilverfahren)

GdP fordert niedersächsischen Gesetzgeber auf Rahmenbedingungen zeitnah zu schaffen.

Würzburg/Berlin.  Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die sogenannte Section Control für ein geeignetes Instrument zur wirksamen Überwachung von Geschwindigkeitsverstößen an unfallträchtigen Straßenabschnitten. Die Akzeptanz einer solchen polizeilichen Maßnahme in der Öffentlichkeit hänge jedoch unmittelbar mit einer einwandfreien rechtlichen Grundlage des Kontrollverfahrens zusammen, betonte der für Verkehrspolitik im Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand verantwortliche stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Mertens am Dienstagnachmittag in Würzburg.

„Die Forderung nach der flächendeckenden Einführung der abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung an dafür geeigneten Strecken ist wichtiger Teil des Verkehrspolitischen Programms der GdP. Wir fordern den niedersächsischen Gesetzgeber auf, unstrittige rechtliche Rahmenbedingungen zeitnah zu schaffen“, sagte Mertens. Notwendig sei, die Verkehrssicherheit mit effizienten Maßnahmen zu verbessern.

Das Verwaltungsgericht Hannover hatte am Dienstag entschieden, dass das Streckenradar auf der Bundesstraße 6 bei Laatzen (Region Hannover) vorerst abgeschaltet werden muss. Noch fehlten die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen im niedersächsischen Polizeigesetz.

 

 

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