Landgericht München I: Strafverfahren gegen Joseph W. (70 Jahre) wegen des Verdachts des Mordes („Cold Case 1978“).

Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts München I hat den Angeklagten heute vom Vorwurf des Mordes freigesprochen.

Dem Angeklagten lag zur Last, im Dezember 1978 einen Rentner in dessen Wohnung in München erschlagen zu haben.

Die Kammer konnte sich nicht mit der letzten Sicherheit davon überzeugen, dass der Angeklagte der Täter war. Zwar sei der Angeklagte sicher am Tattag in der Wohnung gewesen. So hätten Zeugen bestätigt, dass der Geschädigte an dem Abend mit einem jungen Engländer verabredet gewesen sei, was auf den Angeklagten zutreffe. Zudem hätten sich im Bett des Geschädigten ein Haar und im Badezimmer drei Fingerabdrücke des Angeklagten befunden, womit auch belegt sei, dass der Angeklagte in der Wohnung gewesen sei. Die Kammer könne aber nicht ausschließen, dass noch ein weiterer Mann in der Wohnung gewesen sei. Dies war von einer Nachbarin beobachtet worden. Damit bestehe aber auch die Möglichkeit, dass dieser zweite Mann den Geschädigten getötet habe, nachdem der Angeklagte die Wohnung schon wieder verlassen hatte. Der Angeklagte sei im Ergebnis zwar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Täter gewesen, es seien aber letzte – vernünftige – Zweifel verblieben, so dass nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ein Freispruch erfolgen müsse.

Losgelöst von der Frage der Täterschaft habe sich die Kammer aber auch nicht davon überzeugen können, dass der Geschädigte ermordet worden sei. Das Mordmerkmal der Habgier könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, nachdem sich in der Wohnung unter anderem noch ein kleiner Goldbarren gut sichtbar gefunden habe. Zudem bestehe auch die Möglichkeit, dass der Entschluss zur Wegnahme von Wertgegenständen (darunter sicher ein Ring des Geschädigten) erst nach der Tötung erfolgt sei. Damit entfalle auch die Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat als weiteres denkbares Mordmerkmal, das der Staatsanwalt in seinem Plädoyer aufgeführt hatte. Die Kammer sah sich zudem außerstande, einen genauen Geschehensablauf festzustellen, so dass auch das Mordmerkmal der Heimtücke nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne. Damit bliebe nur eine Strafbarkeit wegen Totschlags. Ein Totschlag wäre aber mittlerweile verjährt.

Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann wies auf die großen Schwierigkeiten hin, die mit dem Verfahren verbunden gewesen seien, weil die Tat so lange zurückliege. Die Mehrheit der Zeugen und auch der damals ermittelnden Polizeibeamten sei mittlerweile verstorben. Der Angeklagte hatte sich schweigend verteidigt. Der Vorsitzende führte aus, dass dies das gute Recht des Angeklagten sei und hieraus keine negativen Schlüsse für den Angeklagten gezogen werden dürften.

Die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen, also insbesondere die Kosten der Verteidigung, fallen der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte ist für die erlittene Auslieferungs- und Untersuchungshaft – er war am 22.03.2023 in Großbritannien festgenommen worden – zu entschädigen. Der bis heute gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl wurde aufgehoben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

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