Lehrerinnen mit Kopftuch – Landesarbeitsgericht spricht Bewerberin Entschädigung zu.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat der Klägerin eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund der Religion zugesprochen und damit das vorangegangene Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2018 – 58 Ca 7193/17 – (s. hierzu die Pressemitteilung Nr. 10/18 vom 24.05.2018) nicht bestätigt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre Bewerbung als Diplominformatikerin sei nicht erfolgreich gewesen, weil sie ein muslimisches Kopftuch trage. Hierin liege eine nicht erlaubte Benachteiligung wegen ihrer Religion.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin anders als das Arbeitsgericht eine Entschädigung in Höhe von eineinhalb Monatsvergütungen zugesprochen. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es liege eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor. Das Land Berlin könne sich zur Ablehnung der Bewerberin nicht mit Erfolg auf das Neutralitätsgesetz (Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27.01.2005, GVBl. 2005, 92) berufen. Bei der Auslegung dieses Gesetzes sei das Gericht an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (Aktenzeichen 1 BvR 471/10 –, 1 BvR1181/10) gebunden. Hiernach sei für ein gesetzliches allgemeines Verbot religiöser Symbole wie dem Kopftuch eine konkrete Gefahr für den Schuldfrieden oder die staatliche Neutralität erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden könne. Das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin sei mit der Verfassung vereinbar, weil dieses verfassungskonform ausgelegt werden könne, wie das Landesarbeitsgericht bereits durch Urteil vom 09.02.2017 entschieden hat (Aktenzeichen: Az. 14 Sa 1038/16, s. hierzu die Pressemitteilung Nr. 5/17).   Das Landesarbeitsgericht hat für das beklagte Land die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Aktenzeichen 7 Sa 963/18

ZMD begrüßt erneutes Urteil gegen pauschales Kopftuchverbot in Berlin

Stellvertretende ZMD-Vorsitzende Nurhan Soykan „Sogenannte Neutralitätsgesetz ist verfassungswidrig“

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einer kopftuchtragenden Klägerin eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund der Religion zugesprochen und damit das vorangegangene Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2018 aufgehoben. Der Zentraltrat der Muslime in Deutschland (ZMD) begrüßt das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg.

Zu diesem Urteil sagte die stellvertretende Vorsitzende des ZMD, Nurhan Soykan: „Wir begrüßen das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg ausdrücklich. Offenkundig verstoßen solche pauschale Kopftuchverbote gegen die Verfassung. Wir sind auch der Auffassung, dass das sogenannte Neutralitätsgesetz an sich verfassungswidrig ist und rufen die Politik in Berlin auf, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Gleichfalls fordern wir auch die anderen Bundesländer auf, entsprechende verfassungswidrige Bestimmungen in ihren Landesgesetzen zu streichen und in Vorbereitung befindliche diskriminierende und verfassungswidrige Verbotsgesetze erst gar nicht weiter zu verfolgen.“ Nurhan Soykan weiter: „Das Land Berlin sollte die Rechtslage akzeptieren und ich appelliere an den Justizsenator, den üblichen Gepflogenheiten folgend keine Revision einzulegen.“

Die Klägerin hatte sich als Quereinsteigerin als Diplominformatikerin auf eine Stelle als Lehrerin beworben und wurde nicht berücksichtigt. Sie sah darin ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, denn sie sei nur deshalb nicht berücksichtigt worden, weil sie ein für sie religiös verbindliches Kopftuch trage. Hierin liege eine nicht erlaubte Benachteiligung wegen ihrer Religion.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht und  sprach ihr eine Entschädigung in Höhe von eineinhalb Monatsvergütungen zu. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es liege eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor und das Land Berlin könne sich zur Ablehnung der Bewerberin nicht mit Erfolg auf das Neutralitätsgesetz berufen. Die Gerichte seien an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (Aktenzeichen 1 BvR 471/10 –, 1 BvR1181/10) gebunden, wonach eine abstrakte Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ein Verbot nicht rechtfertigen kann.

Pikanter Streit um Kopftuchurteil

Vom Senat beauftragte Juristin attackiert Justizsenator Behrendt wegen unsauberer Kommentierung.

Cornelia Seibeld, integrationspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Berlin, erkärt:

„Wann war es schon mal erforderlich, dass eine Juristin im Auftrag des Senats einen Justizsenator öffentlich maßregelt? Sie setzt damit die Botschaft: Behrendt hat keine Ahnung, er ist eine Fehlbesetzung.

Die Anwältin der Senatsbildungsverwaltung, Seyran Ates, hat völlig zu Recht, wenn sie Behrendt wegen dessen Kommentierung des aktuellen Kopftuch-Urteils in den sozialen Medien (Facebook) kritisiert. Ihr Ärger über dessen ,unsaubere‘ Bemerkung und Einordnung gipfelt in der Empfehlung, er sollte seine Rolle als ,Senator für Justiz der Stadt Berlin‘ überdenken.

Ein höchst brisanter Streit; wir erwarten vom Regierenden Bürgermeister Müller ein Machtwort.

Aus unserer Sicht hat sich das Berliner Neutralitätsgesetz seit seinem Inkrafttreten 2005 bewährt und trägt zur friedlichen Gestaltung der kulturellen Vielfalt in unserer Stadt bei. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Senat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision einlegen will.“

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